• Asli-Sevgi Kandemir mit ihren bunten Masken. 
  • Foto: Florian Quandt

Neue Begriffe und Sätze: Wie Corona unsere Sprache verändert

Wir diskutieren über Selbstisolation, Alltagsmasken und Exit-Strategien. Das Coronavirus hat nicht nur unseren Alltag, sondern auch unsere Sprache verändert. Wie selbstverständlich fachsimpeln wir mit Begrifflichkeiten, die zuvor nur Fachleute verwendet haben. Wenn überhaupt. 

Erstes Beispiel: Alltagsmasken. „Alltagsmasken? Ist das was für Kinder? Oder hat das mit Gesichtspflege zu tun?“, hätte man sich vor wenigen Wochen noch gefragt. Die Bundesregierung hat am 15. April der Bevölkerung „dringend empfohlen“, in öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen nicht-medizinische Alltagsmasken zu tragen. In Hamburg boomt das Geschäft mit Stoffmasken, Schneider und Designer satteln auf den Mundschutz um. 

Alltagsmasken, Social Distancing & Co.: So verändert Corona unsere Sprache

Mit diesen bunten Stofftüchern im Gesicht begeben wir uns in die neue Normalität, noch so eine Corona-Begrifflichkeit. Auch Hamburgs ehemaliger Bürgermeister und jetziger Finanzminister Olaf Scholz benutzt diese Formulierung gern, wenn es um den eingeschränkten Alltag geht. 

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Dazu gehört auch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Bis vor wenigen Wochen hätte man dabei vielleicht an Langstreckenflüge und zu enge Sitze gedacht. Tatsächlich geht es um einen tiefen Eingriff in unsere Grundrechte – nämlich die Freiheit, sich jederzeit überall hinbegeben zu können. Die Corona-Zeit im Wochenendhaus an der Ostsee verbringen? Verboten! Außerdem gilt eine Kontaktsperre – Treffen von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit sind verboten, Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands sind auf ein Minimum zu reduzieren. Und wer in einem Risikogebiet Urlaub gemacht hat, begibt sich gefälligst in Selbstisolation.

Am besten, man bleibt jetzt unter sich in der Kernfamilie – ein Begriff, der übrigens seit Mitte März verstärkt bei Google auftaucht. Gemeint damit sind Eltern, die mit ihren gemeinsamen Kindern in einem Haushalt leben.

Unterschied zwischen Social und Physical Distancing

In der Pandemie tauchen auch immer wieder Anglizismen auf. Viele von uns arbeiten nun im Homeoffice und versuchen uns nebenbei im Homeschooling der Kinder. Viel ist auch die Rede von Social Distancing, womit eine räumliche Distanzierung von (möglicherweise) Infizierten zu Nicht-Infizierten zum Schutz vor Ansteckung gemeint ist. Der Begriff ist Quatsch, denn eine soziale Distanzierung ist nicht gemeint. Über soziale Kontakte, zum Beispiel per Telefon oder Internet, steckt man sich schließlich nicht an, dafür ist schon echte körperliche Nähe nötig. Deshalb ist nun immer öfter die Rede von Physical Distancing. Weil das öffentliche Leben (fast) stillsteht, wird außerdem gern von einem Shutdown gesprochen. Damit ist ursprünglich das Herunterfahren eines Computers gemeint, wenn nichts mehr klappt. US-Regierungen meinen damit, wenn sich die Politiker nicht auf einen Haushalt einigen können. Dann bleibt die Verwaltung und Ämter dicht, Angestellte bleiben zu Hause. Ein besserer Ausdruck für die aktuelle Lage wäre Lockdown, der die Abschottung eines Gebiets aus Sicherheitsgründen meint. 

Er singt gegen die Corona-Krise an: Geff Harrison auf seinem Balkon in Hamburg-Eimsbüttel.

Er singt gegen die Corona-Krise an: Geff Harrison auf seiner Terrasse in Hamburg-Eimsbüttel.

Foto:

dpa

Balkonkonzerte, Spuckschutzscheiben, CoronapartyExit-Strategie – ebenfalls neu in unserem Vokabular. Genauso wie die Grußformel „Bleiben Sie gesund“ am Ende einer E-Mail. 

Heißt es der oder das Coronavirus? Das sagt ein Experte

Professor Peter Schlobinski ist Vorstandschef der Gesellschaft für deutsche Sprache. Er hat beobachtet, dass selbst die Fachsprache derzeit nicht von Änderungen verschont bleibt. In ihr heiße es „das Virus“, so Schlobinski. Umgangssprachlich sei es aber „der Virus“. „Ich habe den Eindruck, dass wir nun immer häufiger diese maskuline Form hören. Sogar Chefärzte sagen das jetzt.“ Der Virus – das sei nicht falsch. Aber vielleicht werde „das Virus“ nun sprachlich durch diese Pandemie kaltgestellt.

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Weiteres Beispiel: Quarantäne. Für Germanisten ist das die Wiederbelebung eines fast ausgestorbenen Wortes, selten genug. Doch wer wusste bisher, was exponentielles Wachstum ist? „Das ist ein Fachbegriff aus der Mathematik, der sich jetzt viral verbreitet“, sagt Schlobinski. „Nach der Coronakrise weiß vielleicht jeder Zweite, was damit gemeint ist.“ Längst hat Corona als Kurzform in Medien und Alltagssprache die korrekte Bezeichnung Coronavirus ersetzt. „Das ist im Prinzip wie Bus für Omnibus oder Auto für Automobil“, sagt Schlobinski. Schneller und einfacher zu sprechen – und jeder weiß, was gemeint ist.

Ob einige der neuen Begriffe auch in der Nach-Corona-Zeit wohl noch verwendet werden? Zumindest Sätze wie diese wird man mit Sicherheit nicht mehr hören: „Der Baumarkt hat jetzt Türsteher“, „Ich musste in drei Läden gehen, bis ich Klopapier bekommen habe“, „Ich höre täglich den Podcast eines Virologen“. 

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