Neubau am Neuen Wall? Neuer Streit um NS-Gedenken
Der Streit darüber, wie Hamburg seiner NS-Vergangenheit gedenkt, geht in die nächste Runde. Für Freitag hat die Initiative Gedenkort Stadthaus zu einer Kundgebung aufgerufen: Sie wird um 16 Uhr vor dem Stadthaus (Stadthausbrücke 6-8) stattfinden, der einstigen Nazi-Terror-Zentrale Norddeutschlands. Der Druck auf den Senat soll so erhöht werden.
Die Forderung der Initiative lautet, direkt gegenüber vom Görtzschen Palais am Neuen Wall, dort, wo sich der Bürgermeister-Petersen-Platz befindet, einen Bau oder einen Container zu errichten. Darin soll auf rund 500 Quadratmetern Fläche der Geschichte des antifaschistischen Widerstands gedacht werden. Der Standort sei perfekt: Durch diese Einfahrt wurden zwischen 1933 und der Zerstörung des Gebäudes 1943 die Gefangenen auf den berüchtigten „GeStaPo-Hof“ gebracht, der für sie alle zum Vorhof der Hölle wurde.
Das neue Haus soll direkt gegenüber vom Görtzschen Palais entstehen
„Die mutigen Menschen, die hier der Folter widerstanden, verdienen es, dass endlich mitten in der Stadt an sie erinnert wird“, heißt es in einer Presseerklärung der Initiative, der sich unter anderem die Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Cornelia Kerth, und Hamburgs Ex-Polizeipräsident, der Historiker Wolfgang Kopitzsch, angeschlossen haben.
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Was ist würdiges Gedenken? Seit Jahren ein Streitthema
Streit über die Art und Weise, wie im Stadthaus der Vergangenheit gedacht wird, gibt es seit Jahren. Der Gebäudekomplex wurde privatisiert und luxussaniert. Der neue Eigentümer musste sich gegenüber der Stadt beim Verkauf 2009 dazu verpflichten, auf eigene Kosten eine angemessene NS-Gedenkstätte zu schaffen. Das Ergebnis ist bekannt: Eine Ausstellung über die Geschichte des Hauses musste sich den ohnehin mickrigen Platz mit einer Buchhandlung und einem angeschlossenen Café teilen.
Inzwischen ist die Buchhandlung insolvent, und die Kulturbehörde hat angekündigt, nun die gesamte Fläche von rund 300 Quadratmetern zu übernehmen und dort eine neue Gedenkstätte zu schaffen – allerdings ausdrücklich eine, die sich allein auf die Gestapo-Täter fokussiert. Dem antifaschistischen Widerstand soll irgendwann eine eigene Ausstellung in Fuhlsbüttel gewidmet sein, in Gebäuden des einstigen Konzentrationslagers Fuhlsbüttel (Kolafu).
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Die Initiative Gedenkort Stadthaus lehnt diese Trennung ab. „Wir sind überzeugt, dass auch der Widerstand gegen NS-Terror in die Mitte der Stadt gehört. Den zahllosen im Stadthaus Verhörten, Gefolterten und Ermordeten muss würdig und angemessen vor Ort gedacht werden“, sagt Ex-Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch, der auch Vorsitzender der Arbeitskreises ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten (AVS) ist. „Das Gedenken darf nicht nach Fuhlsbüttel verbannt werden, wie es die Kulturbehörde plant.“
Die Initiative ist überzeugt davon, dass auch nach der Insolvenz der Buchhandlung die Fläche, die im Stadthaus zur Verfügung steht, nicht ausreicht. Deshalb die Forderung, auf dem Bürgermeister-Petersen-Platz ein Gebäude oder einen Container für eine Ausstellung zum antifaschistischen Widerstand zu errichten.
„Gerade in Zeiten zunehmender Verbreitung rassistischer Ideologien ist Aufklärung wichtig“
Angesichts der Millionen-Ausgaben für historische und touristische Attraktionen wie die Restaurierung des Bismarckdenkmals oder des Museumsschiffs Peking hält die Initiative die Einrichtung eines angemessenen Gedenkortes im Stadthaus-Komplex für möglich.
„In einer Zeit der zunehmenden Verbreitung von rassistischen, antisemitischen und faschistischen Ideologien ist die Aufklärung über den mörderischen NS-Terror und das Wissen über den Widerstand notwendig und drängender denn je“, so Cornelia Kerth von der VVN-BdA. „Das machen wir bei unserer Kundgebung am Freitag deutlich!“