Trauer um Peggy Parnass: Eine Frau voller Liebe, Wut und Leidenschaft
Sie war Schauspielerin, Gerichtsreporterin, Schriftstellerin und Mahnerin. TV-Talkmaster Alfred Biolek nannte sie einmal das „fleischgewordene schlechte Gewissen der Bundesrepublik“. Mittwoch früh um 7 Uhr ist Peggy Parnass gestorben. Als Jüdin überlebte sie nur deshalb die NS-Zeit, weil ihre Eltern sie gerade noch rechtzeitig mit einem Kindertransport nach Schweden in Sicherheit brachten. Peggy Parnass wurde 97 Jahre alt. MOPO-Chefreporter Olaf Wunder hat sie gut gekannt, häufig über sie geschrieben und sie noch vor wenigen Monaten in dem Pflegeheim in St. Georg besucht, wo sie seit einem Sturz lebte.
Der erste Besuch bei Peggy Parnass – zehn, 15 Jahre muss das her sein – ist mir in guter Erinnerung. Damals wohnte sie noch in ihrer eigenen Wohnung in St. Georg. Die Wände grün. Überall hing und stand etwas: Bilder, Fotos, Zeichnungen, auf dem Fußboden Berge von Büchern. Ich musste aufpassen, nicht auf irgendwas zu treten. „Komm, setz dich“, bot sie mir den Platz neben sich auf dem Bett an. Da saßen wir nun und sie fing an zu erzählen. Über ihren Vater und ihre Mutter, deren Fotos gleich über uns an der Wand hingen. „Wie viel Zeit hast du?“, fragte sie mich zwischendurch. Ich antwortete: „Zwei Stunden.“ Sie lachte. „Ach, das ist ja gar nichts.“

Es blieb nicht bei zwei, es wurden sechs Stunden daraus. Und als ich schließlich Anstalten machte, zu gehen, da entschuldigte sie sich: „Ach, jetzt habe ich schon wieder so viele furchtbare Sachen von mir erzählt. Mir wird wieder mal klar, was für ein kaputtes Leben ich hatte. Aber – und das musst du auch schreiben – ich hatte immer auch großes Glück, dass ich immer so viele gute Freunde hatte und habe, die an mich denken und für mich da sind. Und vielleicht“, so flüsterte sie mir beim Abschied an der Tür zu, „werden wir ja auch Freunde“. Als ich die ersten Treppenstufen hinabgestiegen war, hörte ich durch die geschlossene Tür, dass Peggy Parnass‘ Telefon klingelte. Am anderen Ende: ihr Bruder Gady aus Israel. „Hallo Gady“, hörte ich sie sagen, „ich hatte gerade ganz netten Besuch…“
Wie ein Mediziner hat sie alle Krankheitssymptome der bundesdeutschen Gesellschaft untersucht
Peggy Parnass, geboren am 11. Oktober 1927 in Hamburg, war in den 60er, 70er und 80er Jahren eine bekannte Schauspielerin, Buchautorin, außerdem eine Ikone der linken Bohème, Galionsfigur der Schwulen-, Anti-Atom- und Friedensbewegung.
- Volker Schimkus Bevor Peggy Parnass ins Pflegeheim kam, war dies ihr Zuhause: eine Wohnung in St. Georg. Ihr Wohn- und Schlafzimmer war voll mit Büchern und Bildern.
Bevor Peggy Parnass ins Pflegeheim kam, war dies ihr Zuhause: eine Wohnung in St. Georg. Ihr Wohn- und Schlafzimmer war voll mit Büchern und Bildern. - hfr Peggy Parnass hat als Jüdin das Grauen des Nationalsozialismus erlebt, ihre Eltern wurden in Treblinka ermordet, sie selbst überlebte nach einem Kindertransport nach Schweden den Holocaust – Erfahrungen, die ihr Leben bis zum Schluss prägten
Peggy Parnass hat als Jüdin das Grauen des Nationalsozialismus erlebt, ihre Eltern wurden in Treblinka ermordet, sie selbst überlebte nach einem Kindertransport nach Schweden den Holocaust – Erfahrungen, die ihr Leben bis zum Schluss prägten - Olaf Wunder Peggy Parnass im Oktober 2023 in ihrem Heim im St. Georg.
Peggy Parnass im Oktober 2023 in ihrem Heim im St. Georg. - privat Peggy Parnass und ihr jüngerer Bruder Gady.
Peggy Parnass und ihr jüngerer Bruder Gady. - Stolpersteine für Simon und Hertha Parnass, ermordet 1942 in Treblinka, in der Methfesselstraße 11, Eimsbüttel.
Stolpersteine für Simon und Hertha Parnass, ermordet 1942 in Treblinka, in der Methfesselstraße 11, Eimsbüttel. - Benjamin Haller/dpa Parnass-Platz heißt ein autofreier Platz an der Ecke Methfesselstraße und Lappenbergsallee. Er erinnert an das von den Nazis ermordete jüdischen Ehepaar Hertha und Simon Parnass, die Eltern von Peggy.
Parnass-Platz heißt ein autofreier Platz an der Ecke Methfesselstraße und Lappenbergsallee. Er erinnert an das von den Nazis ermordete jüdischen Ehepaar Hertha und Simon Parnass, die Eltern von Peggy. - privat Simon Parnass in Uniform: Er wurde 1942 gemeinsam mit seiner Frau im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Simon Parnass in Uniform: Er wurde 1942 gemeinsam mit seiner Frau im Vernichtungslager Treblinka ermordet. - privat Hier hält er seine Tochter Peggy Parnass im Arm: Simon Parnass (1879-1942), den alle nur „Pudl“ nannten und der ein bisschen aussah wie Charlie Chaplin.
Hier hält er seine Tochter Peggy Parnass im Arm: Simon Parnass (1879-1942), den alle nur „Pudl“ nannten und der ein bisschen aussah wie Charlie Chaplin. - dpa Peggy Parnass ist am Mittwoch gegen 7 Uhr gestorben. Sie wurde 97 Jahre alt.
Peggy Parnass ist am Mittwoch gegen 7 Uhr gestorben. Sie wurde 97 Jahre alt.
Vor allem als Journalistin hat sie sich einen Namen gemacht, denn sie begnügte sich nicht damit, Zeugenvernehmungen, Anträge, Plädoyers und Urteile zu verfolgen. Sie hat Täter und Opfer interviewt, sie zum Teil zu Hause besucht. Und in ihren Texten hat Peggy Parnass – so hat es mal eine Kollegin der „Zeit“ formuliert – wie ein Mediziner alle Krankheitssymptome der bundesdeutschen Gesellschaft untersucht – und schreckliche Diagnosen gestellt.
Geradezu legendär ihr Bericht über den Majdanek-Prozess 1981. Darin beschreibt sie, wie sie im Gerichtssaal einfach aufsteht, um sich aus nächster Nähe Hermine Ryan anzusehen, die bei ihren Opfern den Spitznamen „Schindmähre“ trug, weil sie die Gefangenen so furchtbar quälte. „Ich kann nicht anders, ich muss nach vorne“, schreibt Peggy Parnass in der Reportage, „ich will die sehen, von Angesicht zu Angesicht! Ich will die sehen! Diese Frau, von Ehrgeiz zerfressen, dieses Arbeiterkind, das mit seinen eisenbeschlagenen Schaftstiefeln hilflose Frauen tottrampelte. Ich gehe in die Hocke vor ihr. Nichts. Die Verteidiger sind wachsam. Was befürchten sie? Ich habe keine Kugeln im Kugelschreiber. Leider?“

Hass und Rache. Neben ganz viel Liebe sind das die Gefühle, die im Mittelpunkt von Peggy Parnass‘ Leben standen. Viele Holocaust-Überlebende sagen, sie hätten nach so vielen Jahrzehnten verziehen, hätten ihren Frieden gemacht. Peggy Parnass nicht. Ihr Vater, ihre Mutter, rund 100 Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins – alle wurden ermordet. Sie war wütend auf die Täter – und manchmal auch auf die Opfer, weil sie sich nicht wehrten. Und auf sich selbst auch, weil sie noch Kind war und nicht helfen konnte.
Methfesselstraße 13 in Eimsbüttel. Das ist das Haus, in dem Peggy Parnass groß wurde. „Im Erdgeschoss rechts, da wohnten wir“, erzählte sie. Es war ein Tag im Januar 2019, als sie nach langer Zeit mal wieder den Ort ihrer Kindheit besuchte. Der Anlass: Nele Borchert, eine damals 16-jährige Schülerin, die mit ihrem Kunstprojekt „Den Opfern ein Gesicht geben“ kurz zuvor den Bertini-Preis gewonnen hatte, wollte Peggy Parnass ein Geschenk machen. Die schaute ganz gerührt zu, wie das Mädchen mit Schablone und Sprühkreide ein Bild von Simon und Hertha Parnass auf den Bürgersteig zauberte, direkt neben die Stolpersteine, die für die beiden dort verlegt sind. Peggy war den Tränen nahe und sagte an die junge Künstlerin gewandt: „Du hast meine Eltern vor dem Vergessen bewahrt, danke.“
Ihr Vater, ein Frauenheld, Spieler und herzensgut, sah ein bisschen aus wie Charlie Chaplin
„Wenn ich an meine Kindheit denke, denke ich an meine Mutti“, erzählte Peggy Parnass. „Sie war klein, sie hat eine ganz duftende Haut gehabt, weil sie sich jeden Tag nackt von Kopf bis Fuß im Handstein der Küche wusch. Wir waren sehr arm, sodass es nur in der Küche fließend Wasser gab. Obwohl Mutti so abgearbeitet war – sie war Putzfrau – hatte sie Hände wie Lilien, weil sie sich immer mit Vaseline einschmierte. Und wenn ich besonders brav war, durfte ich bei ihr schlafen, mich zwischen ihren schönen duftenden Brüsten verstecken. An eine andere Geborgenheit kann ich mich nicht erinnern.“ Und was für eine lebenslustige Frau die Mutti war! „Ihr Lachen war bis auf die Straße zu hören. Wie ansteckendes Leben.“

Der Vater, Simon Parnass, wurde von allen nur „Pudl“ genannt. Frauenheld. Spieler. Aber herzensgut. Er sah aus wie Charlie Chaplin. „Pudl war klein, schlank, mit vielen schwarzen Locken. Und einem eleganten Schnurrbart. Nicht wie Hitler, sondern die ganze Mundlänge entlang. Ein sehr schöner Mund, ein schönes schmales Gesicht mit hoher Stirn und lachenden Augen. Ein Junge mit immer neuen Albereien im Kopf. Bunt und abenteuerlich. Immer zu Faxen aufgelegt.“
Ihre Mutter sei völlig vernarrt in ihn gewesen, erzählte sie. „Auch wenn er nur zwei Stunden weg war oder eine, riss sie die Tür auf, wenn er kam und sprang mit einem Juchzer auf ihn rauf. Umarmte ihn mit Armen und Beinen, und dann küssten sie sich, bis sie keine Luft mehr kriegten. Das fand ich schön.“
Viel mehr Schönes gab es in ihrer Kindheit nicht. Sie erzählte, wie direkt vor dem Elternhaus in der Methfesselstraße andere Kinder ihren Bruder verprügelt und ihn „Judenschwein“ genannt haben. Sie erzählte von der Besitzerin des Milchladens ein paar Häuser weiter, die ihrer Mutter nachgebrüllt hat: „Wir verkaufen nicht an Juden!“ „Damals habe ich geschworen: Wenn ich groß bin, komme ich und nehme Rache“, so Peggy Parnass. „Und als ich dann lange Zeit nach dem Krieg tatsächlich wieder in den Laden kam, stand noch dieselbe Frau da. Sie erkannte mich und sagte zu mir: ,Wie oft ich an deine Mutter denke, diese liebe Frau!‘ Ich hätte kotzen können. Ich bin gegangen. Sie war alt und schwach. Und ich kann nur zuschlagen, wenn der andere mindestens genauso stark ist wie ich.“
„Mutter wusste, dass sie uns nie mehr wiedersieht“
1938 änderte sich das Leben der Familie Parnass dramatisch. Bei der sogenannten „Polenaktion“ wurden alle Juden mit polnischem Pass abgeschoben. Es war der 28. Oktober. „Um 4.30 Uhr hämmert es an die Tür. Die Beamten brüllten meinen Vater an: ,Anziehen! Mitkommen!‘ Er hat dann den Pappkarton mit seinen Orden und Auszeichnungen vom Ersten Weltkrieg aus dem Schrank geholt und den Männern hingehalten. Aber das hat die gar nicht interessiert. Wir sind dann noch mitgefahren bis zu einer Turnhalle, wo all die armen Teufel auf ihre Abreise warten mussten. Ich weiß noch, wie alle dasaßen und beteten – und ich gar nicht verstand, warum sie sich nicht wehrten. An diesem Tag habe ich meinen Vater das letzte Mal gesehen.“

Hertha Parnass blieb mit ihren Kindern in Hamburg zurück, aber ihr war natürlich klar, dass auch ihr Leben und das der Kinder nur noch an einem seidenen Faden hing. Als sich ihr Anfang 1939 die Gelegenheit bot, Peggy und den kleinen Gady in Sicherheit zu bringen, meldete sie beide für einen Kindertransport nach Schweden an. „Mutti hat uns zur Bahn gebracht. Es muss für sie die Hölle gewesen sein. Sie aber hat so getan, als wäre es eine Ferienreise und dass sie selbst in einem Jahr nachkommen würde, aber das war natürlich Quatsch. Obwohl sie wusste, dass sie uns nie wiedersieht, stand sie da und hat gelacht und gewunken, so lange wir sie sehen konnten.“
Erst sehr viel später hat Peggy Parnass erfahren, welches Schicksal ihre Eltern erleiden mussten: Vater und Mutter wurden 1942 in Treblinka von Nazis ermordet.
Erst nach dem Krieg erfuhr sie, dass ihre Eltern 1942 in Treblinka ermordet worden waren
Angekommen in Schweden, drehte die kleine Peggy aus Angst um ihre Eltern regelrecht durch. Allen erzählte sie, dass was geschehen müsse, sonst würden die Nazis alle Juden ermorden, auch ihre Mutti und ihren Papi. Aber alle dachten, das Mädchen spinnt. „Weil mir niemand glauben wollte, bin ich zum Königspalast gegangen mit meinem kleinen Bruder an der Hand und habe mich durchgeschrien bis zum Adjutanten des Königs. Aber auch der gelangte zu der Überzeugung, dass da ein Mädchen ist, das unter furchtbaren Fantasien leidet. Niemand wollte mir glauben.“

Die Kindheit in Schweden: für die beiden die Hölle. Peggy hatte eine Kiste mit Fotos und Erinnerungsstücken der Eltern, aber der neue Vormund nahm ihr alles weg und vernichtete es. Von da an war sie renitent, dickköpfig, eigensinnig und leistete energisch Widerstand, wenn eine Pflegemutter den Versuch unternahm, ihr Herz zu erobern oder gar an die Stelle der Mutter zu treten. 13 Mal wechselte sie die Pflegefamilie – fertig wurde keine mit ihr. Sehr gelitten hat Peggy Parnass unter der Trennung von ihrem Bruder, der separat in einem Waisenhaus untergebracht war mit einer, wie sie erzählt, sadistischen Heimleiterin. Später, kurz vor Kriegsende, siedelten die beiden Kinder zu einem Onkel nach London über.
Ab dem Alter von 14 Jahren sorgte Peggy Parnass selbst für ihren Unterhalt, arbeitete als Hausmädchen, gab Sprachunterricht, schrieb Filmkritiken für eine Zeitung, arbeitete in einem schwedischen Reisebüro am Piccadilly Circus – und kam 1950, elf Jahre nachdem sie die Stadt verlassen hatte, wieder zurück nach Hamburg. Eigentlich hatte sie nur die Absicht, ihre Cousine zu besuchen. „Die fing zu der Zeit gerade an, an der Universität zu studieren, und da habe ich dann beschlossen, da komm ich mit – egal, ob eingeschrieben oder nicht. Und so blieb ich in Hamburg hängen.“
Ulrike Meinhof war eine gute Freundin: „Eine der intelligentesten Frauen des Landes“
Es folgten wilde Jahre und spannende Begegnungen. Der später berühmte Schriftsteller Peter Rühmkorf – sie nannte ihn „den Genialen“ – , mit dem sie in einer WG zusammenlebte, war total verknallt in sie. „Aber das ging nicht. Ich liebte seinen Kopf, seinen Geist, er jedoch wollte den sündigen Leib.“
Der andere WG-Mitbewohner hat es ebenfalls zu großer Bekanntheit gebracht: Klaus Rainer Röhl, der als Student eine eigene linke Zeitschrift namens „Studentenkurier“ rausbrachte, die später in „Konkret“ umbenannt und zum Sprachrohr der Außerparlamentarischen Opposition wurde. Über Röhl lernte Peggy Parnass dessen Freundin Ulrike Meinhof kennen. Parnass erinnert sich an die spätere RAF-Terroristin so: „Sie war eine der intelligentesten Frauen des Landes und sehr, sehr gütig.“
Mit Rühmkorf und Röhl gemeinsam gründete sie in den 1950er Jahren die Studenten-Theatergruppe „Pestbeule“, machte politisches Kabarett, bevor sie – „in der Hoffnung, berühmt zu werden“ – als hauptberufliche Schauspielerin an Fernsehproduktionen mitwirkte. Sie stand beispielsweise für „Das Fernsehgericht tagt“, die erste Gerichtsshow des deutschen Fernsehens, vor der Kamera, und auch bei der Krimiserie „Stahlnetz“ wirkte sie mit.

Wieso sie ihre TV-Karriere wieder beendete und stattdessen Gerichtsreporterin wurde? Das lag vor allem daran, dass die Nazi-Mörder straffrei blieben oder mit geringsten Strafen davonkamen. „Ich fand, dass die Öffentlichkeit wissen sollte, was da vor sich ging in deutschen Gerichtssälen. Wie frech die Nazi-Täter dort auftrumpften, wie sie hofiert wurden von Richtern und Staatsanwälten. Gleichzeitig wurden Zeugen wie Angeklagte behandelt, von oben herab, als wären sie Lügner.“ Das „menschgewordene schlechte Gewissen der jungen Bundesrepublik“, so hat Alfred Biolek Peggy mal genannt.
Alfred Biolek nannte Peggy das „menschgewordene schlechte Gewissen der jungen Bundesrepublik“
Wo sie Ungerechtigkeiten witterte, da erhob sie ihre Stimme. Sie kämpfte gegen Berufsverbote, gegen den Paragrafen 218, gegen Notstandsgesetze, gegen Wiederbewaffnung und Bundeswehr, gegen die Atomindustrie, gegen Waffenhandel und gegen Ausbeutung der Dritten Welt, gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen alte und neue Nazis.
Ach ja, und gegen die Gentrifizierung von St. Georg auch noch. Dort wohnte sie seit vielen Jahrzehnten. Sie zog dorthin, lange bevor es hip wurde, dort zu wohnen, lange bevor Spekulanten das Viertel entdeckten, die Häuser entmieteten, sanierten und für das Zigfache verhökerten.

Als Peggy Parnass hier einzog, war St. Georg noch die schmuddelige Vorstadt, wo sich die bürgerliche Mittel- und Oberschicht nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht mehr aufhielt. Für sie genau der richtige Ort. Dort störte sich niemand daran, wenn sie auf ihrem Balkon stand und splitternackt ihre Wäsche aufhängte. Die Nachbarn nahmen kaum Notiz davon, dachten höchstens: ach, die Peggy.
Seit einem Sturz 2019 lebte Peggy Parnass nicht mehr in der Wohnung mit den grünen Wänden, sondern in einer Pflegeeinrichtung in St. Georg. Unter der coronabedingten Isolation litt sie sehr. Das Haus, in dem sie wohnte, durfte nicht betreten werden. Für Besuche gab es aber ein Zelt auf dem Gelände mit ausgeklügeltem Hygienekonzept, Abstand etc. Für Peggy Parnass „ganz furchtbar“.
Zum Glück war die Pandemie lange vor ihrem Tod vorbei, so dass sie noch viel Zeit mit ihren Lieben, die ihr so wichtig waren, verbringen konnte. In Hamburg hinterlässt Peggy Parnass eine riesige Lücke.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.