Kampf gegen Lebensmittelverschwendung: Deutschland hinkt hinterher – das tut Hamburg
Brötchen vom Vortag oder Obst mit Schönheitsfehlern – rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jährlich im Müll. Andere EU-Länder handeln bereits: Spanien hat diese Woche angekündigt, die Lebensmittelverschwendung ab 2023 unter Strafe zu stellen. Hierzulande bewegt sich gesetzlich bisher wenig – Hamburg will sich jetzt immerhin besser vernetzen.
Haben Lebensmittel das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten, werden sie meistens nicht sofort ungenießbar. Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) gibt lediglich an, wie lange ein Produkt bei richtiger Lagerung seine Eigenschaften wie Geschmack, Farbe oder Konsistenz behält. Viele Lebensmittelhandlungen schmeißen Joghurt, Käse und Co. trotzdem lieber in die Tonne als sie an die Kunden weiterzugeben.
Lebensmittel landen in der Tonne – so sind die Gesetze
Das hat auch einen juristischen Hintergrund: Sobald das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist, haftet nicht mehr der Hersteller, sondern der Lebensmittelhändler für die Ware. Dieses Risiko wollen viele nicht eingehen.
Auch Lebensmittel, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum tragen, wie Obst und Gemüse, landen oft vor ihrer Zeit im Abfall, wenn sie keinen ansehnlichen Eindruck mehr im Verkaufsregal machen. Selbst nachdem die Ware im Müllcontainer des Supermarkts gelandet ist, kann sie von dort nicht einfach mitgenommen werden. Strafrechtlich ist das sogenannte „Containern“ ein Diebstahl.
Hamburger Tafel, Foodsharing und Apps
Die Weitergabe von Lebensmitteln, die in den Supermärkten aussortiert werden, läuft meist über nicht-staatliche Institutionen. Die Hamburger Tafel e.V. etwa gibt gut erhaltende Lebensmittel an Bedürftige weiter.
In der Foodsharing-Community werden überschüssige Lebensmittel untereinander geteilt und können in sogenannten „Fairteilern“ überall in der Stadt abgegeben und abgeholt werden. Die App „To Good To Go“, zeigt Kunden auf, wo sie sich unverkaufte Lebensmittel aus dem Handel für einen vergünstigten Preis abholen können. Andere Länder sind gesetzlich jedoch schon viel weiter.
EU-Länder mit Gesetzen gegen Lebensmittelverschwendung
Frankreich hat seit 2016 ein Gesetz, das den großen Einzelhändlern und Supermärkten das Wegwerfen von brauchbarem Essen verbietet. Italien, Finnland und Tschechien haben ebenfalls Gesetze erlassen, die in unterschiedlicher Form gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen.
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Nun will Spanien ab 2023 folgen. Dort sollen unter anderem Strafen zwischen 2000 und 60.000 Euro für alle Unternehmen der Produktions- und Vertriebskette erhoben werden können, die vermeidbare Lebensmittelabfälle produzieren. Nach Angaben des Ministeriums würden in Spanien aktuell jährlich gut 1,36 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen – rund 30 Kilogramm pro Bürger.
Das passiert aktuell in Deutschland
In Deutschland sind es pro Person sogar mehr als doppelt so viele Tonnen Lebensmittel, die jährlich im Müll landen. Ziel der Bundesregierung ist es, die Lebensmittelverschwendung hierzulande bis 2030 pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren. Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich sogar ein entsprechender Absatz: „Wir werden gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch reduzieren (…).“
Viel passiert ist noch nicht. „Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung zu der Frage, ob hinsichtlich der unentgeltlichen Weitergabe von Lebensmitteln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, ist noch nicht abgeschlossen“, heißt es auf MOPO-Anfrage aus dem Bundesjustizministerium. Was das „Containern“ angeht seien keine strafgesetzlichen Änderungen geplant.
Hamburg startet Initiative gegen Lebensmittelverschwendung
In Hamburg mangele es laut Verbraucherschutzbehörde nicht an der Spendenbereitschaft, sondern „in bestimmten Bereichen an konkreten Umsetzungsmöglichkeiten“. „Wir wollen deshalb die Akteur:innen in Hamburg noch besser vernetzen“, sagt Behördensprecher Dennis Sulzmann. In wenigen Wochen will Hamburg eine Initiative starten, in der Betriebe, Organisationen, Institutionen und die Verbraucherschutzbehörde ihr Engagement bündeln.
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„Es geht dabei um fachlichen Austausch, die Vorstellung und Entwicklung von Projekten zur Nachhaltigkeit und um Online-Tipps für die Hamburger:innen, wie Lebensmittelverschwendung reduziert werden kann“, so Sulzmann. In der Initiative sollen die Partner:innen gemeinsam Lösungen entwickeln, um Lebensmittelverluste zu reduzieren und Lebensmittel nachhaltig zu nutzen. Auch die Vermittlung von Lebensmittelspenden in Hamburg soll gefördert werden. Im Herbst findet zudem der 1. Hamburger Dialog gegen Lebensmittelverschwendung als Fachkongress statt.