Christiane Schneider
  • Christiane Schneider war lange für die Linken in der Bürgerschaft. Dieses Jahr will sie erstmals nicht zum Ostermarsch gehen.
  • Foto: Patrick Sun

Linken-Politikerin: „Der Verfassungsschutz wollte mich werben“

Sie hat schon viel durchgemacht: Christiane Schneider wurde mit dem Tod bedroht, der Verfassungsschutz wollte sie anwerben. Wie kaum eine andere ist die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider ein Stachel im Fleisch der regierenden Parteien in Hamburg. Trotz teils erheblicher Meinungsverschiedenheiten wird sie dennoch von vielen politischen Gegnern geschätzt. Zum Ende ihrer parlamentarischen Laufbahn traf die MOPO sie zum Interview.

MOPO: Frau Schneider, nach zwölf Jahren in der Bürgerschaft und Jahrzehnten der außerparlamentarischen Politik gehen sie Ende Februar mit 71 Jahren in Rente. Wie schwer fällt es Ihnen, loszulassen?

Christiane Schneider: Ich bin seit fast 54 Jahren politisch aktiv und da lasse ich nicht einfach los, ich bleibe in der außerparlamentarischen Politik. 12 Jahre Bürgerschaft ist eine sehr lange Zeit, die auch sehr anstrengend war. Das ist keine Entscheidung, die mir leicht gefallen ist, aber ich habe sie sehr selbstbestimmt getroffen. Ich möchte ja auch nicht mit den Füßen voran aus dem Plenarsaal getragen werden. Es gibt viele Felder auf denen ich auch sonst noch tätig sein kann und das werde ich auch.

Zum Beispiel?

Ich möchte im Bereich Antifaschismus weiter arbeiten, weil das für mich ein wichtiges Thema ist. Die Rechts-Entwicklung macht mir große Sorgen und ich werde im Hamburger Bündnis gegen rechts meinen Beitrag leisten, den Rechtsruck zu stoppen.

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Zu ihren Anfängen in der Bürgerschaft vor zwölf Jahren: Das war ja damals eine turbulente Zeit mit der Aufregung um ihren Vergleich zwischen dem Dalai Lama und dem iranischen Staatsoberhaupt  Ajatollah Chomeini…

Ich habe 2008 ja die erste Rede eines Mitgliedes der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft gehalten und die hat sofort sehr polarisiert. Ich finde die Rede war nicht schlecht, aber sie war gehalten am falschen Ort. Den Fehler würde ich heute nicht mehr machen. Ich habe da meinen ersten richtigen Shitstorm erhalten. Drei Tage lang bin ich mit Drohmails und Anrufen bombardiert worden. Jemand hat am Telefon zu mir gesagt: Ich bring dich um. Das hat mich sehr geschockt.

Christiane Schneider im MOPO-Interview.

Christiane Schneider im Gespräch mit MOPO-Reporter Olivier David.

Foto:

Patrick Sun

Aber deswegen wurden sie nicht vom Verfassungsschutz überwacht?

Ich wurde immer schon vom Verfassungsschutz überwacht, also Jahrzehnte bevor ich ins Parlament eingezogen bin, während meiner Zeit in den K-Gruppen. (Kommunistische Gruppen in den 1970er Jahren, Anm. der Redaktion). Das hat der Verfassungsschutz dann, als ich in die Bürgerschaft kam, erst einmal einfach fortgesetzt.

Linken-Politikerin: Der Verfassungsschutz hat versucht, mich abzuwerben

Kommt daher ihre Ablehnung gegenüber der Institution?

Nein, meine Geschichte mit dem Verfassungsschutz läuft schon viel länger. Der wollte mich 1980 mal anwerben. Ich war für die Zeitung des Kommunistischen Bundes Westdeutschland in Brüssel und da ist mir ein Verfassungsschützer von München bis nach Brüssel hinterhergefahren. Dort hat er mich dann angesprochen und versucht mich zu werben. Das hat mich natürlich fassungslos gemacht, wie die auf den Gedanken kommen, dass ich für die arbeite.

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Ist der Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind, wie es von Links so oft heißt? Was ist mit linker Gewalt in Hamburg?

Ich glaube, dass sich das auf der linken Seite nicht geändert hat, ich sehe keinen Anstieg der Angriffe von Links.

Das Auto von Innensenator Andy Grote wurde angegriffen.

Klar, den Angriff auf das Auto von Andy Grote lehne ich ab, das darf nicht sein. Aber das ist kein Terrorismus. Und vor allem ist es nicht damit zu vergleichen, dass Rechte Waffen sammeln und ihre Gegner angreifen, verletzen, sogar töten. Und das gleichzusetzen zeigt, dass die Behörde ihren ganz eigenen Kompass hat. 

Haben sich ihre Kritiker in der Bürgerschaft nach so langer Zeit an Sie gewöhnt?

Also ich habe viele Kritiker, meine Positionen werden von den meisten nicht geteilt und kritisch betrachtet. Vor allem im Zusammenhang mit G20. Was sich geändert hat, ist, dass ich ernst genommen werde. Wir streiten in der Sache, aber ich werde respektiert.

Was waren wichtige Erfolge, die sie erringen konnten?

Da gibt es einige in den vergangenen Jahren. Es wurden einige verdeckte Ermittlerinnen aufgedeckt, zu der Aufklärung habe ich beigetragen, zum Beispiel mit meinen Anfragen. Das Ergebnis war, dass der Richtervorbehalt eingeführt wurde, also dass ein Richter zustimmen muss, dass ein Beamter verdeckt eingesetzt wird. Das Instrument der verdeckten Ermittlung ist seit der Aufklärung für die Polizei schwerer geworden. Und natürlich auch die Kennzeichnungspflicht für Polizisten.

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Was sind die drängendsten Probleme unserer Zeit?

Die soziale Spaltung. Das Armutsrisiko ist hoch. Viele Kinder leben von Hartz 4. Ein erheblicher Teil der Leute, die in Rente gehen, lebt am Existenzminimum. Dass so viele Menschen in einer so reichen Stadt wie Hamburg nicht einmal gesehen werden, sondern aus dem Stadtbild verdrängt werden, ist bedrückend.

Hat die Politik da versagt?

Ich sage nicht, dass die Sozialdemokratie gar nichts gemacht hat, aber ich glaube, dass da sehr viel mehr Maßnahmen notwendig sind, um diese Probleme anzugehen.

Ungleichheit spaltet Schulklassen

Zum Beispiel?

Zum Beispiel ein kostenloses Frühstück in der Grundschule. Da merken die Kinder schon in der Schule, dass es solche und solche Kinder gibt. Das spaltet eine Schulklasse ungemein, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich war in meiner Kindheit sehr arm, das war für mich schwierig, weil die Spaltung schon in der Schule so groß war.

Und weiter?

Ansonsten ist die Wohnungsfrage natürlich nicht geklärt, also die Frage von preiswertem Wohnraum. Und das, obwohl Hamburg noch vergleichsweise viel sozialen Wohnraum baut. Es fallen aber gleichzeitig zu viele Sozialwohnungen aus der Sozialbindung. Die Problematik hat sich nicht entschärft.

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Hat man da nach zwölf Jahren das Gefühl, dass sich zu wenig ändert?

Ja, das ist schon enttäuschend manchmal. Wir erleben immer wieder, dass wir Anträge stellen, die sofort abgelehnt werden, aber nach einiger Zeit kommt Rot-Grün mit einem ähnlichen  Antrag und der wird angenommen. Das zeigt: Wir brauchen eine starke  Opposition.

Wie viele Anfragen haben sie eigentlich in ihrer Zeit im Rathaus gestellt?

In der gesamten Zeit weiß ich das nicht. In dieser Legislaturperiode sind es schon um die 600 kleine und große Anfragen. Insgesamt wohl etwas über 1000.

Frau Schneider, erlauben sie die Frage: Sind sie ein Workaholic?

Ja! Ich habe mein Leben lang gerne gearbeitet, ich bin auch dadurch geprägt. Ich wollte als Jugendliche Pianistin werden und dann sitzt man da Stunde um Stunde und übt. Ich will natürlich mehr Zeit haben jetzt. Eine Kollegin sagte über mich: Sie war die erste die kam und die letzte die ging. Ganz so stimmt das nicht, aber so ungefähr. Ich brauche jetzt ein bisschen Zeit für mich.

Am 23. Februar ist die Hamburger Bürgerschaftswahl, da endet ihr Mandat. Was werden sie nicht vermissen?

Wenn Leute etwas ablehnen was man vorschlägt und die Idee Monate später dann als ihre ausgeben. Oder wenn eine Partei Sachen kritisiert, die sie in der Legislaturperiode davor selber mitgetragen hat. Das finde ich unehrlich. 

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