Heribert Schindler kämpft für Klimaschutz
  • Maximilian Herzog kämpft in der SPD für ambitionierteren Klimaschutz.
  • Foto: Heribert Schindler/hfr

„Merkel war nie eine Klimakanzlerin“: 24-Jähriger stellt Forderungen an Scholz

Abgaskrümmer bauen und für Klimaschutz demonstrieren? Für Maximilian Herzog (24) aus Hamburg ist das kein Widerspruch. Er ist SPD-Mitglied, engagiert sich bei Fridays for Future und hat nun das Netzwerk SPD.Klima.Gerecht mitbegründet. Über dessen Forderungen an Olaf Scholz und warum er nicht bei den Grünen ist, spricht Herzog im Interview mit der MOPO.

Können wir die Welt noch retten?

Davon bin ich überzeugt, sonst könnte ich diese Arbeit nicht machen. Aber wir brauchen einen sozialen Klimaschutz. Die Menschen müssen eine Perspektive haben. Sie sollen auch in Zukunft einer Arbeit nachgehen, auf die sie stolz sind.

Was muss getan werden?

Die schlimmen Folgen des Klimawandels müssen abgemildert, die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzt werden. Das ist eine Frage globaler Gerechtigkeit: Nur so wird es in vielen Regionen dieser Welt noch möglich sein, zu leben und zu wirtschaften. Deswegen ist es eine globale Verantwortung – auch der SPD hier in Deutschland – alles zu tun, um dieses Land so schnell wie möglich klimaneutral zu machen.

SPD-Netzwerk stellt Forderungen an Olaf Scholz

Was fordern Sie von Olaf Scholz?

Den Kohleausstieg 2030. Der muss kommen – und wird kommen. Der Preis für den europäischen Zertifikatehandel von CO₂ liegt jetzt schon bei über 60 Euro. Wir wissen, dass Kohle heute schon teilweise nicht mehr rentabel ist. Daher wird der Kohleausstieg bis 2030 marktwirtschaftlich kommen, muss aber auch politisch gestaltet werden.

Wie soll das konkret aussehen?

Je früher man anerkennt, dass der Kohleausstieg 2030 kommen wird, desto früher kann man diesen Wandel gestalten. Ein weiterer Punkt ist eine vollständige erneuerbare Energieversorgung bis 2035. Wir fordern, im Gegensatz zu Olaf Scholz, eine noch ambitioniertere Politik: Eine Verdreifachung des erneuerbare Energien-Ausbaus.

Bedeutet?

Wir müssen wirklich den Turbo zünden: für den Ausbau von Solaranlagen, den Ausbau von Windanlagen. Zwei Prozent der Landesfläche müssen sofort für erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Global kann uns wirklich niemand ernst nehmen, wenn wir für die Genehmigung einer Windkraftanlage sechs Jahre brauchen.

Beackert Scholz das Thema Klimaschutz im Wahlkampf nicht schon genug?

Olaf Scholz kann der erste Klimakanzler Deutschlands werden. Frau Merkel war nie eine Klimakanzlerin. Sie wollte es am Anfang sein, hat sich dann aber nicht mit der notwendigen Überzeugung dafür eingesetzt. Scholz kann das. Es ist richtig, dass er den Klimaschutz so in den Mittelpunkt rückt, aber natürlich müssen die Ziele stimmen. Das Netzwerk SPD.Klima.Gerecht hat sich gegründet, weil uns die Ziele noch nicht ambitioniert genug sind.

Die SPD gehörte zur Regierung, das beherzte Handeln für den Klimaschutz war überschaubar. Wieso sollte sich das jetzt ändern?

Sie kennen bestimmt das Bild von Fußballspielern, die Sprint-Training machen und dabei einen Fallschirm hinter sich herziehen. Er bremst sie. Das war für uns die Union. Das heißt nicht, dass die SPD sich immer ausreichend für Klimaschutz eingesetzt hat. Aber sie hat es versucht.

Wo hat die Union die SPD gebremst?

Zum Beispiel wenn es darum ging, Heizkosten für Mieter zu mindern. Die erhöhen sich natürlich mit steigenden Öl- und Gaspreisen. Die Union hat sich immer gewehrt, die Vermieter mehr zu belasten, dabei können doch nur die eine neue Heizung einbauen lassen. Das ist ein Problem. Es ist wichtig, die Klimaziele zu erreichen, jedoch muss verhindert werden, dass die Gesellschaft auseinanderbricht. Wir müssen jeden mitnehmen. Bei diesem Punkt hat die Union immer abgeblockt.

Gerechter Klimaschutz nimmt jeden mit

Und was unterscheidet Ihr Programm von dem der Grünen?

Ich habe selbst bei Mercedes gearbeitet und bin Mitglied bei der IG Metall. Ich weiß, wie hart Menschen in diesem Land arbeiten und wie hart es ist, sich etwas aufzubauen. Ich habe mit ihnen gesprochen und erfahren, wie groß teilweise die Ängste vor diesem Wandel sind. Es ist wichtig, dass wir die Lebensleistung von jedem in diesem Land anerkennen. Dafür steht die SPD. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie nicht hintenüber fallen. Dieser Aspekt ist mir besonders wichtig.

Was haben Sie bei Mercedes gemacht?

Als Student habe ich dort Abgaskrümmer gebaut – 300 Stück am Tag. Und Menschen getroffen, die seit 30 Jahren Nachtschicht bei Mercedes machen. Sie halten die Industrie in diesem Land am Laufen.

Abgaskrümmer und Klimaschutz hat bestimmt manche irritiert.

Für mich war das genau die Perspektive, die ich brauchte. Um für mein politisches Verständnis ein Fundament zu legen. Ich habe gesehen und verstanden, was diese Menschen sich aufgebaut haben und was es ihnen bedeutet. Das hat mich geprägt.

Wie gelingt gerechter Klimaschutz?

Er gelingt, wenn wir ehrlich sind. Wir müssen dafür die individuellen Lebensrealitäten der Menschen in den Blick nehmen. Natürlich werden auch in Zukunft Menschen auf das Auto angewiesen sein, zum Beispiel auf dem Land. Dennoch geht es darum, umweltfreundlichere Lösungen zu finden. Wir müssen den Menschen klar machen, dass wir den Wandel mit ihnen gemeinsam gestalten wollen.

Wie sieht dieser Wandel konkret aus?

Klimaschädliche Subventionen abschaffen, Mobilitätsgeld einführen, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, eine gerechte Wohnungs- und Sozialpolitik. Auch in Zukunft soll man sich eine Wohnung in der Stadt leisten können. Das Mobilitätsgeld soll Menschen mit weniger Einkommen unterstützen – anders als die Pendlerpauschale. Von der profitieren eher die Wohlhabenden, da es ein Steuerfreibetrag ist. Das Mobilitätsgeld ist eine feste Summe, die von der Steuerschuld abgezogen wird. Das ist die DNA der SPD: Wir wollen niemanden zurücklassen und uns auf Augenhöhe begegnen. Wandel kann man nur gemeinsam gestalten.

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