Gericht entscheidet: Hamburger „Pimmelgate“-Razzia war rechtswidrig
Die Razzia, die im Rahmen der sogenannten „Pimmelgate“-Affäre um Innensenator Andy Grote (SPD) bei Marlon P. stattfand, war unrechtmäßig. Das hat das Landgericht Hamburg entschieden, teilte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) am Freitag mit. Marlon P. hatte Grote in einem Tweet mit den Worten „Du bist so 1 Pimmel“ beleidigt.
Die ehemalige Partnerin von Marlon P. hatte sich am 2. Juni 2022 gegen den ermittlungsrichterlichen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg gewandt, das die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten angeordnet hatte.
Gericht hält Razzia für „unverhältnismäßig“
„Nach der Entscheidung des Landgerichts war die vom Amtsgericht Hamburg angeordnete Durchsuchung rechtswidrig, weil diese Maßnahme unter Berücksichtigung der geringen Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Beleidigung unverhältnismäßig gewesen sei“, sagte ein Gerichtssprecher auf MOPO-Anfrage.
Nach Auffassung der zuständigen Strafkammer lagen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Durchsuchung an sich vor. Es habe ein Anfangsverdacht gegen Marlon P. bestanden, weil der Tweet eine „Formalbeleidigung“ und somit eine Straftat war und die Durchsuchung womöglich hätte Beweise hervorbringen können.
„Pimmelgate“ sorgte bundesweit für Aufsehen
Aber es fehlte laut der Kammer an der „stets zu beachtenden Verhältnismäßigkeit zwischen dem mit der Durchsuchung verbundenen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und der Schwere der Straftat und dem daraus folgenden Strafverfolgungsinteresse des Staates.“
Die Razzia hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Tausende Menschen kritisierten die Aktion im Netz unter dem Hashtag „Pimmelgate“ als völlig unverhältnismäßig und überzogen. Nach dem Einsatz hatten Linksautonome ein Großplakat am Kulturzentrum Rote Flora (Sternschanze) mit dem Spruch „Andy, Du bist so 1 Pimmel“ angebracht.
Gericht bezieht Grotes Fehltritt ein
Die Polizei übermalte es mehrfach. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte das Verfahren wegen des Vorwurfs der Hassrede im Internet bereits im März eingestellt. Grund sei das fehlende öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung gewesen.
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Marlon P. sei nicht vorbestraft gewesen und der Kommentar sei im Gesamtkontext zum vorigen Verhalten Grotes zu beachten. Der Innensenator hatte am 10. Juni 2020 selbst gegen Corona-Regeln verstoßen, als er anlässlich seiner Wiederernennung 30 Personen in eine Bar in Hamburg einlud. Dafür hatte Grote 1000 Euro Bußgeld zahlen müssen.
Durchsuchung war „unangemessen“
„Vor diesem Hintergrund sei die Wortwahl des Senators in seinem Post vom 30. Mai 2021, in dem er Feiernde in der Schanze, die (ebenfalls) gegen Corona-Auflagen verstießen, als ,dämlich‘ und ihr Verhalten als ,ignorant‘ bezeichnet habe, bei der Beurteilung der Beleidigung durch den Beschuldigten zu berücksichtigen“, schreibt das Landgericht.
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Das Gericht stufte die Schwere der Beleidigung vor diesem Hintergrund „eher am unteren Rand der Erheblichkeitsschwelle“ ein. „Nach alledem habe dem (vormals) Beschuldigten allenfalls eine geringfügige Geldstrafe gedroht. Die Anordnung der Durchsuchung sei vor diesem Hintergrund unangemessen gewesen.“ (mp)