Ein Mann am Rednerpult

Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) spricht im Rathaus. (Archivbild) Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

„Bevölkerung hat es satt”: AfD tobt im Rathaus – dann ergreift Tschentscher das Wort

Der Streit um eine Verschärfung der Asylpolitik beschäftigte am Mittwoch die Hamburgische Bürgerschaft im Rathaus. SPD, Grüne und Linke haben in der Aktuellen Stunde der CDU vorgeworfen, Rechtsextremisten und Populisten in die Hände zu spielen. Unterdessen äußerte sich AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann deutlich zur Brandmauer-Diskussion, bevor zum Schluss Bürgermeister Peter Tschentscher spontan das Wort ergriff.

Die MOPO berichtete live aus dem Rathaus – hier gibt’s die ganze Debatte zum Nachlesen:

15.45 Uhr: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir bedanken uns für Ihr Interesse und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.

15.30 Uhr: Offenbar spontan hat Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) das Wort ergriffen: „Wir müssen klipp und klar diese Brandmauer halten. Es macht vielen Leuten Angst“, sagte er. Tschentscher sei froh, wenn die demokratischen Parteien gemeinsam sagen würden: „Die Brandmauer steht.“ Dabei verwies er auf den schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther, der sich klar für die Brandmauer ausgesprochen habe.

Tschentschers zweiter Punkt: „Ich bin mit jeder Regelung einverstanden – bis an die Grenzen des Verfassungsrechts und des europäischen Rechts – die noch stärker dazu beiträgt, dass Gefährder nicht auf offener Straße durch Hamburg oder Deutschland laufen.“ Als Drittes sprach Tschentscher darüber, dass es wichtig sei, die deutschen Sicherheitskräfte auch in die Lage zu versetzen das Land zu schützen, etwa mit einem gemeinsamen Sicherheitspaket.

15 Uhr: „Warum zum Geier haben Sie eigentlich dem Sicherheitspaket nicht zugestimmt?“, fragte die Grünen-Parteichefin Maryam Blumenthal in Richtung CDU und AfD. „Glauben Sie, dass sich die Eltern des verletzten syrischen Mädchens sicherer fühlen, wenn sie der AfD die Tür aufmachen? Ich glaube nicht.“

Unter anderen Rahmenbedingungen würde man lediglich von einem „durchsichtigen Wahlkampfgeschehen sprechen“, sagte die SPD-Abgeordnete Isabella Vértes-Schütter. Aber in der aktuellen Situation verbiete sich so ein Verhalten.

Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator warf der Justizsenatorin vor, Wahlkampf zu betreiben. An seine Vorredner gerichtet sagte er, dass jeglicher Kontext zu Auschwitz „geschichtsvergessen“ sei. „Ihrer Tatenlosigkeit steht unserer Entschlossenheit gegenüber“, so Gladiator. SPD und Grüne würden sich nur hinter der Brandmauer verstecken, um eigene Unzulänglichkeiten zu verbergen.

„Während hier Kinder abgeschlachtet werden, setzen Sie auf Spielchen“, behauptete der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak in Richtung Rot-Grün. Er sagte, die AfD werde dafür sorgen, dass alle Bürger wieder in Sicherheit leben könnten.

Justizsenatorin: „Was Sie hier sagen, ist unerträglich“

14.34 Uhr: „Interessant ist, dass es Ihnen nicht gelungen ist, sich in dieser Debatte von der AfD abzugrenzen“ sagte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) in Richtung des CDU-Fraktionschefs Dennis Thering. Zudem merkte sie an, dass die AfD nicht geklatscht habe, als die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) ein „Nie wieder!“ forderte als sie über die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sprach.

Das aktuelle Verhalten von Friedrich Merz führe laut Gallina „zu einer großen Verunsicherung in der Bevölkerung.“ Anschließend führte sie an, dass die Vorschläge von Merz rechtlich kaum umsetzbar seien. Grenzkontrollen würden einen Verstoß gegen Europäisches Recht darstellen und seien nur befristet möglich.

Vermehrt kam es dabei zu Zwischenrufen von CDU und AfD, sodass die Bürgerschaftspräsidentin sie zur Ordnung rief. Geflüchtete müssten „auf unbestimmte Zeit in Haft gehen“, warnte Gallina, wenn Merz‘ Vorschläge beschlossen würden.

„Sie können doch jederzeit ausreisen“, rief der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak dazwischen. Das brachte die Justizsenatorin in Rage: „Was sie hier sagen, ist unerträglich.“ Es gebe genügend andere Möglichkeiten, mit Geflüchteten umzugehen. Es brauche zum Beispiel einen anderen Umgang mit psychisch Erkrankten, das sei möglich, ohne die Grundrechte in diesem Land zu beschneiden.

AfD zu Rot-Grün: „Es geht Ihnen um Machterhalt“

14.13 Uhr: „Die Bevölkerung hat es satt, dass sie ihre Freiräume verliert und sich nicht mehr nach draußen traut“, behauptete AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Er sagte weiter, die AfD solle durch eine „Brandmauer“ von der Regierung ausgeschlossen werden: „Rot-Grün ist nicht in Sorge um die Demokratie, nein, diesen Linksgrünen geht es ausschließlich um ihren eigenen Machterhalt.“ Der AfD-Chef meinte, nachdem die US-Wähler die „Woke-Welle“ gebrochen hätten, werde in wenigen Wochen auch in Deutschland das „linksgrüne Woke-istan“ aufhören.

14.06 Uhr: „Demokraten dürfen rechter Hetze keinen Raum geben“, sagte die Linken-Abgeordnete Carola Ensslen. Nach der Tat in Aschaffenburg würden ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann und CDU-Fraktionschef Dennis Thering warf sie vor, das Leid der Geflüchteten auszunutzen. Stattdessen brauche es einen Plan, um allen Menschen Wohnraum und Arbeit zu vermitteln. „Die CDU spielt ein verantwortungsloses Spiel mit unserer Demokratie“, so Ensslen.

14 Uhr: „Friedrich Merz hat sich in aller stärke von der AfD abgegrenzt“, behauptete CDU-Chef Dennis Thering. „Es wird mit der CDU in Deutschland keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.“ Lautstarke Proteste aus den Reihen von Linken, SPD und Grünen waren die Folge. Nach den Anschlägen in Solingen oder Aschaffenburg könne man aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Daher brauche es konsequente Kontrollen an den Außengrenzen und Abschiebungen. Die Debatte in der Bürgerschaft nannte er „sinnlos und völlig übersteigert“. SPD und Grünen warf er vor keine Antworten auf aktuell drängende Fragen zu haben: „Sie leben doch in einem völligen Paralleluniversum und verstecken sich hinter einer Brandmauer, um keine Antworten auf die Migrationskrise in unseren Land haben zu müssen.“

SPD-Fraktionschef zu Verhalten der CDU: „Beschämend“

13.55 Uhr: „An diesem Tag so eine Abstimmung durchzuführen und eine AfD einzuladen, ein Zeichen gegen die Demokratie in unseren Land zu setzen, ist beschämend“, stimmte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf zu. Nichts davon werde dazu beitragen, dass sich an der Sicherheit im Land etwas ändere, sondern an der Stimmung. „Sie wollen in eine andere Republik und wir werden dagegen kämpfen“, sagte Kienscherf in Richtung der AfD. „Was ist aus dieser einst stolzen Großstadtpartei in Hamburg geworden?“, sagte er in Richtung der CDU.

13.49 Uhr: „Viele sind in tiefer Sorge um unsere Demokratie“, sagte Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg. „Wir nehmen diese Sorge sehr ernst.“ Merz Forderungskatalog sei ein „unehrliches Spiel mit den Pfeilern der Demokratie“. Jasberg appellierte an die Union zu einer werteorientierten Politik zurückzukehren. „Wann zur Hölle sind Konservative jemals gut zurechtgekommen, wenn sie mit rechten kooperiert haben?“, sagte sie. Keiner von Merz Vorschlägen hätte jene Taten wie in Aschaffenburg verhindern können.

Bürgerschaftspräsidentin: „Gräueltaten nie vergessen“

13.37 Uhr: Zu Beginn der Bürgerschaftssitzung sprach Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) über den 80. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, der am Montag stattfand. „Die Menschheit darf und soll diese Gräueltaten nie vergessen“, sagte Veit. Anschließend erinnerte sie daran, dass angesichts dieser Verbrechen zum Nachdenken angeregt werden müsse. „Wer Menschen pauschal erniedrigt, denkt rassistisch – wer danach handelt, ist Rassist“, so Veit. Der politische Streit in der Asylfrage dürfe nicht dazu führen, dass Menschen Angst gemacht werde und Opfer instrumentalisiert. „Das ist nicht hinnehmbar.“

12.27 Uhr: Innensenator Andy Grote (SPD) warnte die Union am Dienstag vor verfassungswidrigen Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration: „Die politische Stimmung ist natürlich aufgeheizt, aber von demokratischen Parteien muss man erwarten, dass ihre Vorschläge den Boden von Verfassung und Rechtsstaat nicht verlassen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
„Wenn die CDU jetzt zum Beispiel fordert, alle vollziehbar Ausreisepflichtigen sofort in Haft zu nehmen, bedeutet das nichts anderes als Masseninhaftierungen von Tausenden Menschen allein in Hamburg, darunter Frauen und Kinder“, sagte Grote. „Das sind Menschen, die seit Jahren hier leben und formal ausreisepflichtig sind, in vielen Fällen aber auch de facto gar nicht ausreisen können.“ Das sei verfassungswidrig – „und damit rollt man letztlich der AfD den roten Teppich aus“.

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