Verdruss bei Hamburgs Bürgermeister : Tschentscher mit Lockerungen nicht glücklich
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wirkt frustriert, als er am Donnerstag die neuen Corona-Beschlüsse des Bundes verkündet. „Wir sind noch nicht am rettenden Ufer“, sagt er. Seit Beginn der Pandemie vertritt Tschentscher einen vorsichtigen Kurs. Ab nächster Woche soll es in ganz Deutschland erste Lockerungen geben – trotz der Ausbreitung der britischen Mutation.
„Mir hätte dieser Plan auch gut gefallen, wenn überall statt der 50 eine 35 gestanden hätte. So war es nämlich eigentlich gedacht“, sagt Tschentscher über eine der Inzidenz-Grenzen für Lockerungen. Dann habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem langen Austausch mit einigen Länder-Chefs nachgegeben und dafür andere Dinge nicht gemacht.
Tschentscher wollte langfristigen Corona-Plan
Deutlich ist sein Unmut über diese Entwicklung zu spüren. „Das Konzept ist nicht schlecht so“, sagt er am Donnerstag auf der Landespressekonferenz. „Wenn sich denn alle auch an die Bedingungen halten.“ Es gebe einen großen Druck für Perspektiven, diese hätten Bund und Länder mit ihrem Stufenplan gefunden, so Tschentscher später am Tag in den ARD-„Tagesthemen“. Er hätte sich den Stufenplan etwas „langfristiger gestuft“ gewünscht.
Corona in Hamburg: Sorge vor britischer Mutante
Vor allem die Ausbreitung der britischen Virusmutation sorgt den Bürgermeister. Das sei „eine Unsicherheitsstufe mehr.“ Er bleibe bei seiner sehr skeptischen Haltung, dass wir „die Auswirkung der Mutationen noch nicht in vollem Umfang erkennen.“ Fast 50 Prozent betrug der Anteil der britischen Variante deutschlandweit in einer Stichprobe des Robert-Koch-Instituts.
Corona in Hamburg: Mediziner Tschentscher mahnt zur Vorsicht
Trotz allem geht Hamburg den Weg des Bundes mit. Seit Beginn der Corona-Gipfel ist es Tschentscher wichtig, dass kein Flickenteppich aus Regeln in Deutschland entsteht. Häufig gab er im vergangenen Jahr wichtige Impulse in der Pandemie-Strategie. Tschentscher ist der einzige Ministerpräsident mit medizinischer Berufserfahrung. Er hat einen Doktor in Medizin, war früher als Laborarzt tätig. Vorsicht ist im Umgang mit Corona sein oberstes Gebot.
Pandemie: Hamburg führte Maßnahmen früh ein
Dementsprechend führte Hamburg viele Maßnahmen schon sehr früh ein und verteilte auch Kritik. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern erlaubte Hamburg zum Beispiel im vergangenen Sommer keine Privatpartys mit Hunderten von Menschen, sondern mit maximal 25 Personen. Ende August 2020 setzte sich Tschentscher im Bund dann in den Verhandlungen um Test- und Quarantäne-Regelungen für Reiserückkehrer mit seiner Linie durch.
Bürgermeister ist bei den Hamburgern beliebt
Nicht nur in der Bundesregierung wird Hamburgs Bürgermeister mit seiner ruhigen, besonnenen Art gern um Rat gebeten. Immer wieder erhält er Einladungen in TV-Shows zum Thema Corona. „Anne Will“, „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“: Überall war er 2020 zu Gast. Die meisten Hamburger Bürgerinnen und Bürger hat Tschentscher ebenfalls hinter sich.
Laut einer aktuellen Umfrage vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Mediengruppe RTL ist Tschentscher der beliebteste Länderchef. 75 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger sind mit der Arbeit des Sozialdemokraten zufrieden, nur 19 Prozent äußern sich unzufrieden.
Lockerungen: Tschentscher hofft auf Disziplin
Hamburg fuhr lange Zeit einen erfolgreichen Kurs, was sich auch in einer niedrigen Inzidenz niederschlug. In den vergangenen Wochen ging die Kurve wieder nach oben, aktuell steht die 7-Tages-Inzidenz bei 78,7. Mit den Öffnungen in der kommenden Woche wird sich zeigen, ob die Zahlen stabil bleiben.
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„Wir sind noch nicht sicher, ob diese Öffnungsschritte nicht dazu führen, dass es wieder nach oben geht“, so Tschentscher. Und er mahnt erneut: „Es ist gut, dass wir jetzt diese Öffnungsschritte gehen können, aber da, wo die Beschränkungen fortbestehen müssen, kommt es umso mehr darauf an diese einzuhalten.“