• Impfstoff des Herstellers AstraZeneca wird auf eine Spritze gezogen.
  • Foto: imago images/Joerg Boethling

Vorbild Großbritannien: Kommt jetzt auch in Hamburg die Impf-Kehrtwende?

In Großbritannien wird der Impfstoff von AstraZeneca auch an über 65-Jährige verimpft und die Zweitimpfung hinausgeschoben. Schnellstmöglich erhielten bisher rund 20 Millionen Menschen eine erste Impfdosis. Kommt jetzt auch in Deutschland die Impf-Kehrtwende? Für diese Strategie plädiert zumindest eine Gruppe von Forschern um SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Auch Hamburgs Gesundheitssenatorin ist für ein Umdenken.

Die Hamburger Gesundheitsbehörde wünscht sich eine schnellere Freigabe von AstraZeneca für ältere Menschen, sagte Sprecher Martin Helfrich gegenüber NDR 90,3. So könnten auch bald Impftermine für Hamburger:innen zwischen 70 und 80 angeboten werden. Zuerst müsste aber die Ständige Impfkommission (Stiko) das Mittel dafür freigeben.

Hamburger Senatorin: Wir können von Großbritannien lernen

Zuvor hatte Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard die Freigabe im „Abendblatt“ gefordert. Dort sagte sie auch, dass man aus Großbritannien lernen könne, dass eine später als bisher verabreichte zweite Impfung „sinnvoller ist, damit schnell so viele Menschen wie möglich durchgeimpft werden“.

Dieser Meinung ist auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbauch. Das exponentielle Wachstum insbesondere der britischen Mutation verlaufe wie aus dem Lehrbuch, sagte er im „Spiegel“. Eine Verlängerung des aktuellen Lockdowns würde demnach wenig bringen. Sein Vorschlag: Die Impfstrategie ändern und Schnelltests systematischer nutzen.

Gemeinsam mit Dirk Brockmann und Benjamin Maier von der Humboldt-Universität Berlin sowie Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung hat Lauterbach eine Simulationsrechnung erarbeitet, die diese These stützt.

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Demnach könnten zwischen 8000 und 14.000 Covid-Tote verhindert werden, wenn die zweite Dosis erst am Ende des zulässigen Spielraums verimpft werde. Lauterbach und die anderen Forscher sind sich einig, dass besonders die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna schon rund zwei Wochen nach der ersten Impfung gut vor schweren und tödlichen Verläufen schützen.

Vorschlag von Lauterbach: Mit Negativ-Test zum Einkaufen

Weiterhin schlägt Lauterbach in dem Magazin ein Testprogramm vor: Schule und Betriebe sollten einen Schnelltests einmal pro Woche durch geschultes Personal anbieten. Getestete mit einem negativen Ergebnis sollen anschließend auch einen Tag lang in Geschäfte gehen dürfen – weiterhin mit Maskenpflicht.

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Wer nicht zur Schule oder Arbeit gehe, könnte sich eine Bescheinigung im Testzentrum holen. Selbsttest hält Lauterbach für zu ungenau und sie könnten dazu führen, dass die Gesundheitsämter umgangen würden.

Stiko will Empfehlung für AstraZeneca ändern

Der Stiko-Chef Thomas Mertens hatte am Freitagabend im ZDF-„heute journal“ angekündigt man werde die Empfehlung zum Impfstoff des Herstellers AstraZeneca überdenken. Bisher wird es von der Stiko – anders als von der EU-Arzneimittelbehörde EMA – nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren empfohlen, weil Daten zur Wirkung bei Älteren fehlen.

Deutschland: So viel Impfstoff bleibt ungenutzt

Über das vergangene Wochenende sind rund 91.000 Menschen in Deutschland mit dem Mittel von AstraZeneca geimpft worden. Bleibt es bei diesem Tempo, könnten bis Ende der Woche knapp zwei Millionen Dosen zunächst ungenutzt bleiben. Insgesamt sind bis einschließlich Sonntag über 6,1 Millionen Impfungen gegen das Coronavirus verabreicht worden. Der Großteil entfällt dabei auf den Impfstoff von Biontech/Pfizer.

Eine grundsätzliche Freigabe des AstraZeneca-Impfstoffs für Menschen abseits der Vorranggruppen lehnt die Bundesregierung derzeit ab. Neben Hamburg setzen sich immer mehr Länder für eine breitere Nutzung des Mittels ein, darunter Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen.

Niedersachsen: Impfungen zu Hause und in Praxen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) regte am Montag zusätzlich an, Hausärzte, Betriebsärzte oder Schulärzte Astrazeneca auch abseits der Impfzentren impfen zu lassen. In Niedersachsen ist unterdessen bereits ein Pilotprojekt gestartet. Einige Hausärzte erproben dort die Impfung von Senioren bei Hausbesuchen und unter 65-Jährigen in der eigenen Praxis.

Wie es mit der Impfstrategie in Deutschland weitergeht, wird sich voraussichtlich auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch entscheiden.

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