Zu wenig Mitspracherecht : Opposition fordert bessere Einbeziehung in Corona-Politik
Bislang entscheidet in der Corona-Krise allein der Senat über alle Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis hin zu Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte. Die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft will das so nicht mehr akzeptieren.
Die gesamte Opposition und teils auch die mitregierenden Grünen sehen die Mitsprachemöglichkeiten der Hamburgischen Bürgerschaft in der Corona-Krise unterentwickelt.
„Ja, die parlamentarische Demokratie ist in einer Krise und das Anliegen der CDU berechtigt“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde mit Blick auf CDU-Forderungen nach mehr Mitsprache des Parlaments in der Corona-Krise. Sie betonte aber auch, dass die Abgeordneten bislang nicht nur auf der Tribüne gesessen hätten, und der rot-grüne Senat zudem stets „mit ruhiger Hand und auf Basis von Fakten“ gehandelt habe.
CDU Hamburg fordert mehr Mitspracherecht in Corona-Politik
Bislang entscheidet allein der Senat über alle Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis hin zu Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte. Basis ist das Infektionsschutzgesetz, das Bundestag und Bundesrat vergangene Woche reformiert haben – mit dem Ziel, bislang per Verordnung erlassene Corona-Maßnahmen gesetzlich zu untermauern und konkret festzuschreiben. Bisher war im Gesetz nur allgemein von „notwendigen Schutzmaßnahmen“ die Rede, die die „zuständige Behörde“ treffen kann. Nun sind mögliche Schutzmaßnahmen von Landesregierungen und Behörden konkret aufgelistet.
„Eine Regierungserklärung alle paar Wochen reicht nicht aus, um uns als Parlamentarier und die Hamburgische Bürgerschaft vernünftig mit einzubinden“, klagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Und wenn Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) immer wieder sage, das Parlament sei informiert, sei das doch sehr verkürzt. „Es liegt doch auf der Hand, dass wesentliche Entscheidungen und Einschnitte in die Grund- und Bürgerrechte in der Hamburgischen Bürgerschaft ausführlich diskutiert, debattiert und beschlossen werden müssen“, sagte Thering.
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Ähnlich äußerte sich die einzige FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein: „Es kann doch keinen Zweifel daran geben, (…) dass unser Grundgesetz auch in Zeiten von Pandemien und in Zeiten von Krisen gelten soll.“ Es sei ein „unfassbar schwerer Fehler“, Grundrechtseingriffe am Parlament vorbei durchzuexekutieren.
„Es muss Schluss sein mit reiner Verkündungspolitik”
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann merkte an, dass das Parlament in der Corona-Krise zwar vieles beraten habe, „aber entschieden haben wir nichts“. Der Senat habe Monate Zeit gehabt, mit den Menschen zu sprechen und etwa bei den Schulen Strategien zu entwickeln, sagte die Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir. Passiert sei aber nichts. Stattdessen gebe es Regierungserklärungen. „Es muss Schluss sein mit dieser reinen Verkündungspolitik.“
SPD: Parlament hat Mitspracherecht
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) wies darauf hin, dass Bundestag und Bundesrat dem Bund und den Landesregierungen exakt jene Befugnisse zugewiesen hätten, die diese nun ausfüllten. Gerichte wiederum wachten darüber, dass die Befugnisse nicht überschritten würden. Im Übrigen entscheide die Bürgerschaft sehr wohl mit, sagte Leonhard und nannte etwa die milliardenschweren Haushaltsbeschlüsse des Parlaments zur Eindämmung der Corona-Folgen. Außerdem habe das Parlament ja das Recht, jederzeit selbst Gesetze zu erlassen.
Mit Unverständnis reagierte die Opposition auf SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, der der CDU vorwarf, das Thema parteipolitisch auszunutzen. Er forderte CDU und Linke auf, wie SPD und Grüne ihre Verantwortung wahrzunehmen „und die Bedeutung eines Parlaments nicht kleinzureden und verächtlich zu machen“. In 13 Bürgerschaftssitzungen habe das Parlament zwölf Mal über die Corona-Pandemie debattiert. „Fast 50 Ausschusssitzungen gingen nur über das Thema Corona“, betonte Kienscherf. Mit Blick auf den CDU-Antrag zu einer stärkeren Beteiligung der Bürgerschaft kündigte er einen eigenen Antrag der Regierungskoalition an.
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Bereits Anfang November hatte Parlamentspräsidentin Carola Veit wegen der unabsehbaren Dauer der Corona-Pandemie eine Verlagerung von Entscheidungen etwa über harte Einschränkungen vom Senat hin zum Parlament für geboten erklärt. „Jetzt, wo wir sicher wissen, dass das viel länger dauern wird als erhofft, glaube ich schon, dass wir uns als Parlament die Frage stellen müssen, wie wir ein Verfahren schaffen können, das bei grundlegenden Entscheidungen eine Abstimmung im Parlament sicherstellt“, sagte sie.
Sie könne sich nun schon vorstellen, den eigentlich vorgesehenen Entscheidungsweg – das Parlament beschließt, was der Senat dann ausführt – in Hamburg wieder in den Vordergrund zu stellen. (dpa)