Hamburger Amokläufer: Sein Vater wandte sich schon 2021 an die Behörden
Er tötete sieben Menschen und dann sich selbst: Philipp F. (35) war einst selbst Mitglied der Zeugen Jehovas. Anfang März stürmte er in das Gemeindehaus in Alsterdorf und eröffnete das Feuer – insgesamt verschoss er neun Magazine. Nun kommt heraus: Sein Vater wandte sich bereits im Jahr 2021 wegen psychischer Probleme seines Kindes an die Behörden.
Der Vater habe den Sozialpsychiatrischen Dienst angerufen und gesagt, dass sein Sohn Stimmen höre und sich umbringen wolle, sagte der Leiter des Hamburger Landeskriminalamts, Jan Hieber, am Donnerstag vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft. Nach einem Gespräch mit dem Sohn seien jedoch keine weiteren Maßnahmen für nötig befunden worden.
Bereits 2019 habe das Umfeld des späteren Täters eine Wesensänderung bei Philipp F. festgestellt, nachdem dieser seine Beziehung beendet und seinen Arbeitsplatz verloren habe, sagte Hieber. Er habe dann selbst Kontakte zu Ärzten aufgenommen, „um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen“, und sei zwischenzeitlich auch in Bayern in stationärer Behandlung gewesen. Als Philipp F. 2021 angekündigt habe, sich selbst heilen zu wollen, habe sich der Vater entschieden, die Behörden einzuschalten.
Amoklauf: Hatte Philipp F. Mitwisser?
Unterdessen wird immer noch versucht, den genauen Tatablauf zu rekonstruieren und mögliche Mitwisser ausfindig zu machen. Mit im Fokus der Ermittler: der noble Hanseatic Gun Club an der Binnenalster. In dem Verein war F. als Sportschütze angemeldet, dort lernte er das Schießen, dort holte er auch die spätere Tatwaffe, eine Heckler und Koch P30 ab, die er zuvor bestellt hatte.
Wochen vor der Tat soll der Hanseatic Gun Club von Vertrauten des späteren Amokschützen auf dessen vermutlich labile Psyche und Aggressivität angesprochen worden sein. Die Mitarbeiter sollen an die Waffenbehörde verwiesen haben. Als möglich scheint aber auch, dass sie dazu rieten, sich anonym bei der Behörde zu melden.
Schützenverein lehnt Gespräch ab
Dort war nur wenige Wochen vor der Amoktat ein Schreiben eingegangen, das auf eben jene möglichen Probleme von Philipp F. hinwies. Als Erstes hatte die „Zeit“ über die neuen Ermittlungsergebnisse berichtet.
Das könnte Sie auch interessieren: Amokläufer Philipp F. verehrte Hitler – hat Hamburgs Polizei etwas übersehen?
Die Polizei und Staatsanwaltschaft wollen sich zu dem laufenden Verfahren nicht näher äußern. Bisher gibt es nach MOPO-Informationen kein Ermittlungsverfahren gegen den Schützenverein oder dessen Angestellte. Der Verein hat mehrere Gesprächsanfragen der MOPO abgelehnt.
Inwieweit dem Verein eine Schuld zur Last gelegt werden kann, wird geprüft.
Das könnte Sie auch interessieren: Tumult bei Tschentscher-Auftritt – Bodyguards greifen ein
Die Ermittlungen werden ergebnisoffen geführt; noch immer sind die genauen Umstände und auch die Motivation des Amokschützen unbekannt. Nach außen gab er sich als erfolgreichen Geschäftsmann. Bei näherer Betrachtung bröckelt die Fassade allerdings – unter anderem verlangte er ein Tageshonorar von 250.000 Euro. Außerdem gab es für seine Vita keine Referenzen. Außerdem verfasste er ein krudes Buch, in dem sich antisemitischen Aussagen finden lassen. (dg)