Koks-Schwemme in Hamburg: Die Angst vor Zuständen wie in Amsterdam
Nie kam mehr Kokain nach Hamburg wie in diesem Jahr. Das belegen Zahlen, die das Zollfahndungsamt nun veröffentlicht hat: Demnach wurden 2021 insgesamt 18 Tonnen in der Hansestadt sichergestellt – im Jahr davor waren es noch acht. Das Geschäft floriert, die Gewinnmargen sind enorm, die Täter gewaltbereit – und die Sicherheitsbehörden an den Grenzen des Machbaren. Trotzdem: Die Zöllner intensivieren ihren Kampf gegen den Kokainhandel, wollen Strukturen zerschlagen und Hintermänner festnehmen. Doch die Angst schwingt mit.
Am Mittwoch vergangener Woche wurden in Hamburg drei Männer verhaftet, denen man vorwirft, am Schmuggel von mehr als 1,5 Tonnen Kokain beteiligt gewesen zu sein. Sie sollen versucht haben, die Drogen aus Brasilien nach Europa zu schmuggeln – auf einer Yacht.
Das Schiff wurde kurz vor Portugal gestoppt. Die Bootsbesatzung ist bereits verurteilt. Ähnliches droht den Hamburgern. Das Koks war offenbar auch für den deutschen Markt gedacht.
Koks-Schwemme in Hamburg: Angst vor Amsterdam-Zuständen
Im November stellten die Zöllner 360 Kilo Koks in Hamburg sicher, versteckt hinter Wartungsklappen der Container, in denen sich eigentlich nur Trauben befinden sollten. Diesmal kam die Ware aus Peru. Die Täter: unbekannt. Genau wie im Fall vom Februar, beim größten jemals in Europa sichergestellte Kokain-Fund: 16 Tonnen. Der Gewinn, den die Täter mit der Streckung des Stoffes hätten erzielen können: mehr als zwei Milliarden Euro.
Doch genau wie die Polizei profitiert auch das Zollfahndungsamt von den Entschlüsselung des Messenger-Dienstes „Encrochat“: Französischen Polizisten war es im vergangenen Jahr gelungen, den Server der Firma zu infiltrieren und Chat-Daten zu sichern. Ein enormer Ermittlungserfolg für die Behörden. Über das Bundeskriminalamt, dem die für Deutschland entsprechenden Datensätze zugeschickt wurden, landeten die Ordner bei den Länder-Kripos. Und eben beim Zoll. „Zum ersten Mal ist es, als guckte man aktiv zu“, so der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).
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Auf Basis der Chat-Daten wurden allein am Landgericht Hamburg insgesamt 123 Verfahren mit mehr als 200 Angeklagten eröffnet, 55 Verfahren laufen noch. „Ganz häufig geht es in diesen Prozessen um Kokain“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen. Die meisten Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft – wegen akuter Fluchtgefahr.
Die Mammutverfahren bringen das Gericht an die Grenzen seiner räumlichen und personellen Kapazitäten, gerade in Corona-Zeiten, so Wantzen. Dafür seien aber vom Senat bereits neun zusätzliche Richterstellen bewilligt worden. Auch drei neue Strafkammern wurden speziell zur Bewältigung der zahlreichen Encrochat-Verfahren eingerichtet.
Inzwischen hat die europäische Polizeibehörde Europol allerdings einen weiteren Verschlüsselungsdienst geknackt. Der Datenbestand von „Sky ECC“ soll nach Angaben des Deutschen Richterbundes bis zu viermal so groß sein wie der Encrochat-Fund. Es scheint, als kämen schlechte Zeiten auf die Täter zu.
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Und die sind, vor allem im europäischen Ausland, überaus gewaltbereit. Das ist auch die Erkenntnis des Zolls. Dort verweist man bei diesem Thema auf die Ermordung des niederländischen Kriminalreporters Peter R. de Vries, der im Juli auf offener Straße in Amsterdam erschossen wurde. Der Reporter war die Vertrauensperson eines Kronzeugen in einem Drogenprozess. Zuvor waren bereits der Anwalt und einer der Brüder des Kronzeugen ermordet worden.
„Wir versuchen unseren Beitrag zu leisten, dass wir in Deutschland solche Verhältnisse nicht haben“, sagt Zoll-Sprecher Stephan Meyns. Vor allem in den Niederlanden werden noch viel mehr Gewaltdelikte im Zusammenhang mit Drogengeschäften registriert. Davon ist man in Hamburg noch entfernt. Ziel der Zollfahnder sei aber trotzdem nicht nur, die Lieferungen abzufangen, sondern auch die Strukturen der Täter zu zerschlagen. Daher intensiviere man weiter den Kampf gegen den Drogenhandel. Meyns: „Die Ermittlungen laufen und dauern an. Es geht weiter.“