Messer-Attentat in Würzburg: Erschreckende Parallelen zu Hamburger Fall
Drei Frauen (24, 49 und 82 Jahre alt) haben bei der Messer-Attacke in Würzburg ihr Leben verloren, sieben weitere Menschen wurden schwer verletzt, drei schweben noch immer in Lebensgefahr. Der Somalier Abdirahman J. (24) stach offenbar gezielt auf Frauen ein. Passanten stellten sich ihm in den Weg, verhinderten Schlimmeres, die Polizei nahm ihn fest. Der Angriff ähnelt dem Attentat in Barmbek im Jahr 2017, bei dem der abgelehnte Asylbewerber Ahmad A. einen Mann erstach und mehrere verletzte. Die MOPO zeigt: Das sind die Parallelen – das die Unterschiede.
Tatort: Abdirahman J. geht am 25. Juni in ein Kaufhaus in der Würzburger Innenstadt, fragt nach der Messer-Abteilung und greift sich eine 13-Zentimeter-Klinge. Auf seinem Weg zum Ausgang attackiert er mehrere Einkaufende, drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren verlieren ihr Leben. Ein Mann wird leicht, eine 52-Jährige schwer verletzt. Draußen sticht er auf weitere Menschen ein, darunter ein erst elf Jahre altes Mädchen, – die Tochter der getöteten 49-Jährigen – und ein 16 Jahre alter Jugendlicher. Einer 73 Jahre alten Frau, die gerade an einem Bankautomaten Geld abholt, sticht er laut Polizei mehrfach in den Rücken.
Messer-Attentat in Würzburg: Parallelen zu Hamburger Fall
Ahmad A. hatte 2017 in Hamburg ähnlich agiert: Der damals 27-Jährige war an einem Juli-Tag gegen 15 Uhr in die „Edeka“-Filiale an der Fuhlsbüttler Straße gegangen, zu dem Zeitpunkt noch völlig unauffällig, hatte sich dann ein Messer aus dem Regal gegriffen und zugestochen. Ein 50-Jähriger starb, sechs Menschen wurden verletzt.
Festnahme: Während die ersten Notrufe bei der Polizei gegen 17 Uhr eingehen, hat Abdirahman J. schon mehrere Menschen teils tödlich verletzt, läuft draußen weiter wirr umher. Aber: Eine Gruppe von Männern riskiert das eigene Leben und stellt sich dem Angreifer entgegen. Mit Stühlen, Besenstielen, Ästen und Taschen treiben sie den 24-Jährigen in die Enge – Zivilcourage, die mutmaßlich weitere Opfer verhindert hat. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (64, CSU): „Das machte die Polizei aufmerksam.“
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Die Beamten schießen den 24-Jährigen gezielt in den Oberschenkel, fixieren ihn dann am Boden, treten das Messer weg. Der Angreifer wird in Handschellen abgeführt, verletzt, aber bei Bewusstsein. Er kommt ins Krankenhaus.
Auch der Barmbeker Attentäter Ahmad A. hatte versucht, vor dem Supermarkt weitere Menschen zu verletzen. Auch er wurde von Passanten gestoppt. Die sechs mutigen Männer erhielten später Auszeichnungen von Polizei und Senat. Sie hatten Stühle und Steine auf ihn geworfen, Polizisten nahmen den angeschlagenen A. daraufhin fest.
Vergangenheit: Abdirahman J. ist Somalier, geboren 1997 in der Landeshauptstadt Mogadischu. Im Mai 2015 reiste er als Flüchtling nach Deutschland, stellte in Chemnitz einen Asylantrag. Seitdem lebt er legal in Deutschland, wie Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen. In den folgenden Jahren hält er sich erst in Düsseldorf, dann in Würzburg auf, lebt zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft. Dort kommt es Anfang des Jahres zu einem Streit mit Mitbewohnern: J. soll dabei zu einem Küchenmesser gegriffen und gedroht haben, es einzusetzen. Weitere Vorfälle folgen, ebenso Aufenthalte in der Psychiatrie. Therapeuten sehen jedoch keinen Anlass für eine dauerhafte Einweisung, der Somalier wird immer wieder entlassen.
Der Weg des Barmbeker Attentäters Ahmad A. nach Deutschland war steiniger: Der Mann, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf die Welt kam, flüchtete zunächst nach Norwegen, Schweden und Spanien, ehe er genau wie Abdirahman J. im Mai 2015 nach Deutschland kam. In Dortmund wurde er weiter nach Hamburg verteilt. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. A., zu dem Zeitpunkt wohnhaft in der Flüchtlingsunterkunft Kiwittsmoor in Langenhorn, legte keine Rechtsmittel ein, wollte zurück in die Heimat. Er habe sogar bei der Organisation von Passersatzpapieren mitgewirkt, sei willens gewesen, auszureisen, so Innensenator Andy Grote (SPD) damals. Doch der Prozess dauerte länger, als A. es sich gewünscht hatte. Er war frustriert, zog sich zurück, gab Drogen und Partys auf. Stattdessen vertiefte er sich in den Koran, radikalisierte sich. Alleine, ohne das Mitwirken anderer. Er hatte keine Einträge im Strafregister, galt als nicht vorbestraft.
Motiv: Während seiner Tat in Barmbek hatte Ahmad A. immer wieder „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gerufen. Er betrachtete sich als IS-Kämpfer, dessen Ziel das wahllose Töten „Ungläubiger“ ist. Das wurde auch im Prozess gegen ihn deutlich. Er handelte als Einzeltäter, hatte zur Terrororganisation „Islamischen Staat“ (IS) nie Kontakt. Nach der Ablehnung seines Asylantrages habe sein Mandant zurückgewiesen gefühlt, so A.s Anwalt. Das habe seine Radikalisierung begünstigt, sei aber „in keiner Weise“ zu entschuldigen. Das Urteil: lebenslange Freiheitsstrafe.
Auch Abdirahman J. soll während seiner Tat in Würzburg mehrmals „Allahu Akbar“ gerufen haben. Eine islamistische Einstellung sei jedoch noch nicht zweifelsfrei belegbar, so ein Polizeisprecher am Sonntag. Auch der psychische Zustand des Mannes werde geprüft. „Wir werten momentan ein Handy aus, das wir in der Wohnung des 24-Jährigen gefunden haben.“ Das dauere erfahrungsgemäß einige Tage. Dschihadisten und Salafisten benutzen den Ausdruck „Allahu Akbar“ oft wie einen Schlachtruf. Damit kapern die Extremisten die zentrale religiöse Formel des Islam, die seit Jahrhunderten von Muslimen weltweit benutzt wird.
Politische Stimmen: Einen Tag nach der Tat in Würzburg ordnete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine landesweite Trauerbeflaggung an. Die Tat sei „unfassbar und schockierend“. Söder: „Bayern zeigt Solidarität. Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und bangen mit den Verletzten.“ Partei-Kollege und Innenminister Horst Seehofer versprach eine schnelle Aufklärung der Hintergründe und dankte den Passanten, die Zivilcourage zeigten. „Dieser selbstlose Einsatz verdient höchste Anerkennung“, so Seehofer. Steffen Seibert, Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) twitterte, dass sich die Tat „gegen jede Menschlichkeit und jede Religion“ richte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einer „entsetzlichen Gewalttat“.
Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte nach dem Barmbek-Attentat erklärt, dass Ahmad A. „bei uns Schutz gesucht und dann seinen Hass gegen uns gerichtet hat“. Er sei „entsetzt über den bösartigen Anschlag“ gewesen. Die Täter seien darauf aus, die freie Gesellschaft mit Angst zu vergiften. „Dieser Versuch wird scheitern“.