Nach 22 Jahren: Hoffnung durch neuen Zeugen im Fall Hilal – Appell an Grote
Lurup –
Hilal Ercan – der Name dürfte vielen in Hamburg ein Begriff oder wenigstens beiläufig bekannt sein. Genau wie das dazugehörige Gesicht: Schwarze Haare, ein überaus freundliches Lächeln, treue Augen. Seit 22 Jahren ist die damals Zehnjährige verschwunden. Spurlos, wie es scheint. Niemand weiß, wo sie sich befindet. Doch nun könnte endlich wieder Bewegung in dem Fall kommen: Ein neuer Zeuge hat sich bei der Familie Ercan gemeldet – der belastet mit seinen Aussagen einen alten Bekannten.
27. Januar 1999, Einkaufzentrum Elbgaustraße, Hamburg-Lurup: Hilal will sich mit zwei Mark Süßes holen, Kaugummis ihrer Lieblingsmarke – eine Belohnung für ihr gutes Halbjahreszeugnis, das sie an dem Tag mitgebracht hat.
Hamburg: Hoffnung durch neuen Zeugen im Fall Hilal
Sie kehrt nie wieder heim. 169 Schritte trennen das Elternhaus an der Spreestraße und den Ort, an dem Hilal zum letzten Mal gesehen wurde.
22 Jahre sind seitdem vergangen. Weit mehr als 670 Spurenakten wurden gefertigt, etliche Zeugen vernommen. Hilal, so heißt es, wurde in einen BMW gezerrt, von einem großen Mann mit rotblonden Haaren – Typ Wikinger.
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2018 rollt Kripo-Ermittler Steven Baack, damals Leiter der Cold-Cases-Einheit den Fall, nachdem vorherige Ermittlungen ins Leere verliefen und zeitweise ruhten, komplett neu auf. Er hängt eine dauerhafte Fahndungserinnerung an der Fassade jenes Einkaufszentrums auf, in der Hoffnung, neue Zeugen zu generieren – und nun hat sich tatsächlich ein Mann erinnert.
Der Zeuge meldet sich bei der Familie Ercan. Er war weggezogen, erzählt er, wurde nun, als er wieder herzog, auf die Tafel aufmerksam. Seine Beschreibung des Täters gleicht der von Dirk A. – ein verurteilter Kinderschänder, der einst sogar zugab, Hilal entführt und erwürgt zu haben, die Beamten für großangelegte Suchaktionen quer durch Hamburg schickte, später aber sein Geständnis wieder zurückzog.
Video: Hilals Bruder appelliert an den Mörder
Bitte an Andy Grote (SPD): „Rollen Sie den Fall neu auf!“
Die Familie bittet nun Innensenator Andy Grote (SPD) in einem Brief, der der MOPO exklusiv vorliegt, um persönliche Hilfe: „Wir bitten Sie, die Ermittlungen zu Hilal unter Ihrer Verantwortung neu aufzurollen.“ Es folgen Zeilen, die das Leid der Familie beschreiben: „An das stille Zimmer von Hilal gewöhnten wir uns nie. Wie auch! Wir zerbrachen, an jedem Tag mehr.“
Die Anwältin der Familie Ercan, Chaima Louati, fordert, dass „ein unabhängiger, politischer Ausschuss den Fall neu untersucht“. In den Ermittlungsakten gebe es Ungereimtheiten. Die Familie erwäge sogar Strafanzeigen gegen alte Kripo-Ermittler wegen möglicher begangener Ermittlungsfehler, „sollte der Ausschuss denn zu entsprechenden Ergebnissen kommen“.
Anwältin und Familie hätten zudem auch die Hilfe der türkischen Generalkonsulin Yonca Sunel ersucht und um die Entsendung eines unabhängigen türkischen Chefermittlers der Polizei gebeten.
Hamburger Polizei: Ermittlungen in dem Fall dauern an
Die Hamburger Polizei bestätigte auf MOPO-Nachfrage, dass der Fall weiterhin bei der Kripo (Kapitaldelikte und Vermisstenfälle) geführt wird „und polizeiliche Ermittlungen andauern“. Auch die Staatsanwaltschaft versichert: „Der Fall wird immer wieder aufs Neue geprüft.“
„Hilal verdient es, endlich nach Hause kommen zu dürfen. Sie verdient es, würdevoll bestattet zu werden“, sagt ihr Bruder Abbas Ercan. „Wir müssen endlich trauern dürfen. Und ihr Mörder soll endlich überführt werden.“