Pride-Week Hamburg: Zwei Mütter, ihr Kind & ein absurdes Gesetz
Für Marta, die in drei Wochen ihren dritten Geburtstag feiert, ist die Sache ganz einfach: Hanne ist Mama, Nóra ist Mami – und zusammen sind sie eine Familie. Vor dem Gesetz war die Sache bei Martas Geburt auch ganz einfach: Hanne Horváth ist ihre alleinige Mutter, denn sie hat das Mädchen geboren. Ihre Ehefrau Nóra hatte mit der gemeinsamen Tochter rechtlich nichts zu schaffen. Um das zu ändern, gab es für die Horváths wie für andere Zwei-Mütter-Familien nur einen Weg. Er ist lang, bürokratisch und schon im Namen diskriminierend: Er heißt „Stiefkind-Adoption“.
„Marta ist ein Wunschkind“, sagt Nóra Horváth. Sie lacht. Bei gleichgeschlechtlichen Eltern gibt es in der Regel keine ungewollten Schwangerschaften. Dass sie gemeinsam Kinder haben wollen, steht für das Ehepaar schnell fest, doch für die Familienplanung nehmen die beiden Frauen sich Zeit: Sie suchen einen Samenspender, dem sie vertrauen können. Einen, der keine aktive Rolle als Vater spielen möchte. Einen, der aber da sein wird, wenn Marta später Fragen zu ihrer Herkunft hat. Das ist Hanne und Nóra wichtig.
Hamburg: Zwei Mütter und ihr langer Weg zur eigenen Familie
Wer von beiden die leibliche Mutter des gemeinsamen Kindes wird, ist vor allem eine „rationale Entscheidung“. Nóra gehört in Barmbek-Süd das kleine Restaurant „Spajz“, vor drei Jahren plant sie gerade die Eröffnung, weiß, dass sie viele Stunden in der Küche stehen wird. Hanne hat ein Psychologie-Start-up gegründet. Sie kann sich ihre Arbeitszeit besser einteilen.
Für Gynäkologin und Hebamme sind die Horváths eine werdende Familie wie jede andere. Als Mutter zweiter Klasse fühlt Nóra sich nicht. „Ich habe die Schwangerschaft miterlebt, mit allem, was dazugehört.“ Als ihre Tochter zur Welt kommt, wird aus Nóra wie aus Hanne eine Mutter: Sie badet ihre Tochter, wickelt sie, singt sie in den Schlaf. In der „Kita Feuerwache“ spielt es heute keine Rolle, dass statt Mama und Papa Mama und Mama Marta abholen. Und wer von den beiden die biologische Mutter ist, hat dort noch niemand gefragt.
Wie das Abstammungsrecht Regenbogenfamilien diskriminiert
Wäre Nóra ein Norbert, wäre die Abstammung auch dem Gesetzgeber einerlei: Dann wären alle Kinder, die in die Ehe mit Hanne hineingeboren würden, automatisch auch vor dem Gesetz Norberts Kinder, gleichgültig, ob er tatsächlich der biologische Vater ist. Für Nóra aber gibt es nur einen Weg, damit sie auch rechtlich die Mutter von Marta ist: die Stiefkind-Adoption.
„Die Co-Mutter stellt einen notariell beglaubigten Antrag auf Annahme des leiblichen Kindes ihrer Partnerin mit den Wirkungen und der rechtlichen Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes beim zuständigen Familiengericht“, erklärt Annette Meyer-Feddersen vom Fachamt Jugend- und Familienhilfe der Adoptionsvermittlungsstelle Hamburg.
Stiefkind-Adoption für lesbische Paare: Ein bürokratischer Albtraum
Was schon sperrig klingt, ist in der Realität ein bürokratischer Albtraum, der mehrere Hundert Euro kostet und ein bis zwei Jahre dauert. Am Ende entscheidet das Familiengericht, ob „ein Eltern-Kind-Verhältnis während einer angemessenen Adoptionspflegezeit gewachsen ist und ob die Adoption dem Wohle des Kindes dient“, so Meyer-Feddersen. Eine Zwei-Mütter-Familie wie die Horváths bringt das Vorgehen in eine verletzliche Situation.
„Wäre Hanne in der Zeit, als das Adoptionsverfahren noch lief, etwas zugestoßen, wäre Marta Vollwaise geworden“, sagt Nóra. Das Recht, sich um das gemeinsame Kind zu kümmern, hätte die 37-Jährige nicht gehabt. Sie versteht nicht, dass der Staat es ihr so schwer macht, für ihr eigenes Kind die Verantwortung zu tragen. „Das Gesetz passt einfach nicht auf uns.“
In einem „Lebensbericht“ muss Nóra frühere Beziehungen offenlegen, das Jugendamt inspiziert die gemeinsame Wohnung, die Familienrichterin bittet zum Gespräch. Darin wendet sie sich direkt an Hanne und fragt sie, „ob sie sich denn mit der Adoption auch wirklich sicher sei?“ Nóra habe dann nämlich auch das Recht, bei einer Trennung das Sorgerecht einzufordern. Nóra und Hanne versuchen das ganze Verfahren mit Gelassenheit zu ertragen, aber hier gerät vor allem Nóra an ihre Grenzen. „Ich wurde als Mutter komplett infrage gestellt.“
Adoption: Neues Gesetz hätte lesbische Mütter weiter diskriminiert
Das Adoptionsgesetz sollte in diesem Jahr neu geregelt werden. Es hätte den jahrelangen Prozess um eine verpflichtende Beratung erweitert, ihn noch einmal komplizierter und teurer gemacht. Mütter wie Nóra und Hanne wären neuerlich diskriminiert worden. LGBT-Organisationen starteten eine Petition und hatten Erfolg: Der Bundesrat hat die Gesetzesänderung Anfang Juli erst einmal gestoppt. Die alten Regeln gelten weiterhin.
Als der Brief des Familiengerichts bei den Horváths ankommt, steht Nóra gerade in der Küche des „Spajz“. Marta ist jetzt offiziell ihr „Stiefkind“. Das erste Gefühl: Erleichterung. In Glück verwandelt es sich, als Hanne Nóra zum Geburtstag Martas Geburtsurkunde schenkt. Jetzt ist auch Nóra dort eingetragen. Eine Familie waren die Horváths schon immer. Nun sind sie es auch auf dem Papier.