Eine kleine Frau steht zwischen ihren Verteidigern. Ihr Gesicht wurde unkenntlich gemacht.
  • Die Angeklagte steht zwischen ihren Verteidigern Jacob Hösl (rechts) und Johannes Pausch in einem Saal des Oberlandesgerichtes. Sie soll Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gewesen sein.
  • Foto: picture alliance/dpa/Markus Scholz

Prozess in Hamburg: „Sie haben mich geschlagen und immer wieder vergewaltigt“

Eine jesidische Zeugin schilderte unfassbar grausame Szenen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg: Wie ein Stück Vieh wurde die junge Frau von IS-Kämpfern verkauft und vergewaltigt. Gegen eine mutmaßliche IS-Rückkehrerin aus Bremen wird am Mittwoch das Urteil erwartet.

„Sie haben mich geschlagen und immer wieder vergewaltigt“, sagte die heute 31-jährige Jesidin in ihrer Zeuginnenaussage am 13. Juli. Insgesamt sei sie im Zeitraum von August 2014 bis Dezember 2017 von 15 IS-Kämpfern verkauft und von 14 von ihnen vergewaltigt worden, sagte die zierliche Frau mit den langen dunklen Haaren. Auch die Angeklagte, die mit einem der IS-Kämpfer verheiratet war, habe sie mehrfach geschlagen und wie eine Sklavin behandelt.

Die Bundesanwaltschaft wirft der Angeklagten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Beihilfe zum Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die Mutter zweier Kinder soll Mitglied in der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gewesen und nacheinander mit drei IS-Kämpfern verheiratet gewesen sein. Gemeinsam mit ihrem letzten Mann soll die aus Afghanistan stammende Deutsche die Jesidin wie eine Sklavin ausgebeutet und misshandelt haben. Die Jesidin befindet sich im Zeugenschutzprogramm und tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf.

Schwere Vorwürfe gegen mutmaßliche IS-Rückkehrerin

Am 3. August 2014 habe der Islamische Staat ihr Dorf angegriffen, berichtet die 31-Jährige. Einige Menschen hätten zu fliehen versucht, andere wurden getötet. Zwei Wochen lang wurden alle Dorfbewohner in einer Schule eingesperrt, die Männer im 1. Stock, Frauen und Kinder unten. Dann hätten die IS-Kämpfer die Männer geholt und außerhalb des Dorfes getötet. „Wir hörten die Fahrzeuge, dann die Schüsse“, erzählte die Jesidin mit relativ gefasster Stimme. Dann wurden die unverheirateten Mädchen und Frauen rausgesucht. Sie habe sich ihren kleinen Bruder geschnappt und behauptet, verheiratet zu sein, berichtet die Zeugin, die damals 23 Jahre alt war.

Später wurden die Frauen und Kinder nach Syrien verkauft. Mit einem zugedeckten Viehtransporter seien sie nach Mossul gebracht worden, anschließend in die IS-Hochburg Rakka. Dort kamen sie in einem abgelegenen Haus unter. IS-Kämpfer seien dort vorbeigekommen, „und wenn ihnen eine gefiel, zerrten sie an ihren Haaren und nahmen sie mit“, schilderte die Jesidin ihre Erlebnisse. Manchmal hätten sich die Frauen und Mädchen auch ausziehen müssen, damit die Männer sie begutachten konnten. Kleine Jungen hätten sie mitgenommen, im Koran unterrichtet und an Waffen ausgebildet.

Zeugin über Angeklagte: „Ich habe unter ihr sehr gelitten.“

In der folgenden Zeit sei sie immer wieder von einem IS-Kämpfer an den nächsten verkauft worden. Einmal sei sie in einer Woche von vier Libyern vergewaltigt worden. Schließlich sei sie bei einem deutschen IS-Kämpfer und seiner Frau gelandet. Dort sei sie ungefähr ein Jahr geblieben, habe sich um den Haushalt und die Kinder gekümmert. Wie alle anderen habe auch dieser Mann sie geschlagen und vergewaltigt. Anschließend verkaufte der IS-Kämpfer sie an seinen Bruder und „an diese Frau“, sagte die Zeugin und zeigte auf die Angeklagte. „Sie hat kein Wort mit mir gesprochen und mich mehrfach geschlagen“, sagte die Jesidin. „Ich habe unter ihr sehr gelitten.“

In ihrer Vernehmung Ende Mai hatte die Angeklagte behauptet, ihr Mann habe ihr verschwiegen, dass er mit einer Jesidin „zusammenlebte“, weil er wusste, dass sie keine zweite Frau im Haus haben wollte. Ihr Mann und die Jesidin hätten sich sehr gut verstanden, seien sehr vertraut miteinander gewesen, schilderte die Angeklagte ihre Version.

Zeugin im IS-Prozess: Jesidin schildert Martyrium

Als die Lage 2017 für die IS-Kämpfer aussichtsloser wurde, habe der IS-Kämpfer versucht, mit ihr zu fliehen, sagte die Zeugin. Er habe gedacht, wenn er eine Jesidin mit hat, werde ihm nichts passieren.

Die Angeklagte wurde dagegen Ende 2017 den Angaben zufolge von kurdischen Kräften festgenommen. In einem Gefangenenlager in Nordsyrien habe sie im Juli 2018 ein weiteres Kind zur Welt gebracht. Ausführlich berichtete die Angeklagte zuletzt vor Gericht, wie schwer die vier Jahre dort gewesen seien, bevor sie wieder nach Deutschland konnte. Seither sitzt sie in Untersuchungshaft.

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Die Zeugin schilderte vor Gericht ihre Flucht. Sie habe dann mit Hilfe des IS-Kämpfers ihren Bruder angerufen, der den Angriff auf das Dorf überlebt hatte, weil er zu der Zeit im Kurden-Gebiet arbeitete. Ein Schleuser habe sie beide für 150 Dollar in kurdische Gebiete gebracht. Dort habe sie syrischen Sicherheitskräften mitgeteilt, dass sie Jesidin sei. Da viele IS-Frauen behaupteten, Jesidin zu sein, habe man ihr zuerst nicht geglaubt. Dann sei jemand gekommen, der Kurdisch sprach und man habe ihren Bruder angerufen. Schließlich habe man sie gehen lassen.

Generalstaatsanwaltschaft fordert siebeneinhalb Jahre Haft – Urteil um 13 Uhr

Die Generalstaatsanwaltschaft hat laut einem Gerichtssprecher in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren gefordert. Die Verteidigung und Nebenklagevertreter hätten keine konkreten Anträge gestellt, hieß es. Das Urteil wird am Mittwoch um 13 Uhr verkündet. (mp/dpa)

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