Rechenchaos: Wie viele Ungeimpfte infizieren sich denn nun?
Die Inzidenzen der Ungeimpften und Geimpften, die die Sozialbehörde am Dienstag präsentierte, passen nicht zur Gesamtinzidenz der Stadt. Woran liegt das? Laut der Behörde liegt kein Rechenfehler vor. MOPO-Berechnungen zeigen: Die Inzidenz unter den Ungeimpften ist deutlich höher als bislang angegeben.
Auf Basis der Geimpften- und Ungeimpften-Inzidenz hat Hamburg am Dienstag die Einführung des 2G-Optionsmodells begründet. Dieses sieht vor, dass es Veranstaltern und Gastronomen ab Samstag freisteht, ob sie nur noch Geimpfte und Genesene einlassen möchten. Im Gegenzug entfallen Beschränkungen wie die Abstandspflicht. Ungeimpfte mit einem negativen Testnachweis hätten dann das Nachsehen.
Corona in Hamburg: Rechenfehler bei den Inzidenzen?
„Die vierte Welle ist eine Welle der Ungeimpften“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) dazu und präsentierte die neuen Zahlen: 3,36 betrage die Inzidenz bei den Geimpften, 78,12 wiederum bei den Ungeimpften. Diese Zahlen zeigten laut Tschentscher auf, dass es rechtlich schwierig sei, Beschränkungen für Geimpfte und Genesene weiter aufrechtzuerhalten.
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Dann gab es die ersten Stirnrunzler: Wie konnte die Inzidenz der Ungeimpften bei 78,12 liegen, wenn die Gesamtinzidenz von Hamburg laut Sozialbehörde im selben Zeitraum bei 81,23 stand? Diese müsste viel höher liegen. Zunächst hatte der „Spiegel“ berichtet.
Hamburg: Mit welchen Zahlen rechnet die Behörde?
Denn: Wenn fast alle Infektionen in der Gruppe der Ungeimpften liegen, diese aber nur 40 Prozent der Bevölkerung ausmacht, müsste die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Ungeimpften fast 2,5 mal so hoch sein wie die Gesamtinzidenz – also um die 195 statt 78.
Ein Blick auf die Zahlen, mit denen die Behörde jongliert hat: Für die Zeit zwischen dem 16. und 22. August meldete die Behörde 1547 Fälle und eine Inzidenz von 81,23.
Irgendwas stimmt nicht
Um die Inzidenz der Geimpften herauszufinden, muss man die Neuinfektionen bei den Geimpften hochrechnen auf alle Geimpften in Hamburg. Geht man von den 60 Prozent vollständig Geimpften aus, ergibt sich damit eine Zahl von gerundet 1.142.400 geimpften Einwohnern.
Fehlt noch die Anzahl der Fälle. Diese lassen sich anhand der von Behörde kommunizierten Inzidenz von 3,36 herausfinden. Setzt man sie ins Verhältnis zu Hamburgs Einwohnerzahl (1,904 Millionen), ergeben sich gerade mal 64 Fälle in einer Woche. Bei den Ungeimpften wären es 1487 Neuinfektionen. Auch hier fällt auf: Irgendwas stimmt nicht, denn addiert ergeben diese beiden Zahlen nicht die 1547 Neuinfektionen, die die Behörde registrierte, sondern 1551.
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Gehen wir einmal davon aus, dass die 64 Neuinfektionen bei den Geimpften stimmen. Umgerechnet würde das tatsächlich nur eine eher geringe Korrektur der Inzidenz nach oben auf 5,6 bedeuten. Umso drastischer steigt hingegen bei diesem Rechenbeispiel die Inzidenz der Ungeimpften – auf 195,2. Also genau der Wert, der sich bei der obigen Überschlagsrechnung ergeben hat.
Hamburg: Behörde macht es anders als Bayern
Die MOPO konfrontierte die Sozialbehörde mit den Zahlen. Sprecher Martin Helfrich erklärt, dass es sich dabei um den „bayerischen Ansatz“ handele. Das südliche Bundesland berechnet die Geimpften- und Ungeimpften-Inzidenz auf genau diese Art und Weise. Die eigenen Zahlen würde man aber anders berechnen. „Unser Ansatz erlaubt einen unmittelbaren Vergleich innerhalb der vertrauten Sieben-Tage-Inzidenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung“, so Helfrich. Und die bleibt immer gleich, anders als die Zahl der (Un-)Geimpften.
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Dieses Argument klingt zwar nachvollziehbar, sorgt aber für ein Rechenchaos rund um die Inzidenz in Hamburg.