Rechtsradikale und die AfD: Haben Sie denn gar keine Schmerzgrenze, Herr Nockemann?
In mehreren Bundesländern ist die AfD längst Sache für den Verfassungsschutz – nun droht der ganzen Partei die Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden. Laut „Spiegel“ soll die Entscheidung im Januar fallen. Auch die Hamburger AfD unter Dirk Nockemann wäre betroffen, der Landeschef hätte die Radikalisierung seiner Partei weit über die Grenzen des Grundgesetzes hinaus dann schwarz auf weiß. Mit der MOPO sprach der 62-Jährige über Rechtsradikale, das Grundgesetz und persönliche rote Linien.
MOPO: Herr Nockemann, wahrscheinlich gehören Sie schon sehr bald einer Organisation an, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Empfinden Sie da ein wenig Unbehagen – oder ist Ihnen das egal?
Dirk Nockemann: Erstens ist es noch nicht soweit. Zweitens ist inzwischen bekannt, dass der Verfassungsschutz als politisches Schwert gegen die AfD eingesetzt wird. Ich lehne den Verfassungsschutz im politischen Bereich ab.
Von mir aus kann er bei den Islamisten eine Rolle spielen – aber nicht im Bereich der deutschen Politik. Dort wird er nämlich nur dafür genutzt, politische Parteien und Regierungskritiker einzuschüchtern.
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Der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, unsere Demokratie zu schützen. Rechtsradikale und Holocaust-Relativierer, wie sie in bestimmten AfD-Landesverbänden zu finden sind, fallen ganz klar aus unserem demokratischen Spektrum, oder etwa nicht?
Es ist in der Tat so, dass der Staat dort reagieren muss, wo er aktiv bekämpft wird. Oder dort, wo zum Widerstand gegen den Staat aufgerufen wird. Aber nicht im Bereich des normalen politischen Meinungskampfes. Von der AfD hat meines Wissens nach niemand dazu aufgerufen, die Regierung mit illegitimen Mitteln zu stürzen.
Sie wollen also mit voller Überzeugung sagen, dass die AfD sich in allen Bundesländern auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt?
Ja, genau das will ich sagen. Ich bin selbst Jurist. Und natürlich gibt es den ein oder anderen Satz, der gefallen und durchaus verfassungswidrig ist. Aber nageln Sie mich hier jetzt nicht fest, da muss man jetzt auch keine Namen nennen.
Ich helfe gern: Sie meinen bestimmt Ihren Bundesfraktionschef Alexander Gauland, der die Zeit des Nationalsozialismus einen „Vogelschiss“ in der Geschichte Deutschlands nannte. Oder die Bundestagsabgeordneten, die kürzlich rechte YouTuber in den Reichstag geschleust haben, wo sie Parlamentarier anderer Parteien massiv bedrängt haben.
Es gibt den ein oder anderen in der AfD, der sich im Ton vergreift, ja. Aber deshalb eine ganze Partei zum Verdachtsfall zu erklären, wäre überhaupt nicht verhältnismäßig.
Die verfassungsfeindlichen Kräfte müssten einen beherrschenden Einfluss auf die AfD haben, nur dann wäre eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz legitimiert. Das sehe ich überhaupt nicht. Wir reden von Einzelfällen, von einem minimalen Prozentsatz.
Auf dem letzten AfD-Parteitag sah das aber ziemlich anders aus.
Was meinen Sie? Parteichef Jörg Meuthen, der aus meiner Sicht klar zu den Verfassungstreuen zählt, hat doch seine Positionen durchbekommen.
Mit einer knappen Mehrheit von 52 Prozent.
Das ist doch egal. Es ist die Mehrheit.
Die 48 Prozent dagegen sind aber keine Einzelfälle.
Die dürfen Sie doch nicht alle in einen Topf mit Verfassungsfeinden werfen! Dagegen wehre ich mich vehement.
Kommen wir noch einmal zur Ausgangsfrage: Sollte die gesamte AfD zum Fall für den Verfassungsschutz werden, machen Sie weiter munter mit?
Ja. Ich begreife den Vorgang als politischen Kampf gegen die AfD. Und werde sogar noch mehr Energie aufwenden, um die AfD hier in Hamburg weiter politisch nach vorne zu bringen.
Haben Sie denn gar keine persönliche Schmerzgrenze, Herr Nockemann? Einen Punkt, an dem Sie sagen: Mit diesen Rechtsradikalen mache ich keine gemeinsame Sache mehr?
Es gibt für mich schon Grenzen. Aber die werde ich benennen, wenn sie erreicht sein sollten. Ich finde es unfassbar, was da gerade passiert – unter Hans-Georg Maaßen wäre das nicht möglich gewesen. Und auch in Sachsen wurde der Verfassungsschutzchef im Juni ausgetauscht – und jetzt steht die AfD dort unter Beobachtung. Da sollten Sie sich als Journalistin fragen, ob das alles reiner Zufall sein kann.
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Halten Sie Ihren Hamburger Parteifreund und Co-Fraktionschef Alexander Wolf eigentlich für rechtsextrem? Er hat ja zum Beispiel ein Nazi-Liederbuch herausgegeben.
Er hat versichert, dass er ein solches Buch nicht wieder herausbringen würde. Also muss ich Ihre Frage verneinen. Im Übrigen würde ich dieses Liederbuch nicht Nazi-Liederbuch nennen wollen.
Ist das Ihr Ernst?
Ja.