• Foto: Florian Quandt

Schock-Berichte: Hamburgs Pflegekräfte am Limit – Großdemo in der City

St. Georg –

Sie kamen im Kittel und mit Transparenten: Hunderte Krankenschwestern, Pfleger, Hebammen und andere Klinik-Angestellte haben am Mittwochnachmittag in St. Georg gegen den Personalnotstand an Hamburger Krankenhäusern demonstriert. Die Pflegekräfte wiesen auf die akute Gefährdung des Patientenwohls und der Beschäftigten hin.

Es sind Berichte, die schockieren. „Als ich zu meinem Frühdienst auf der Bauchchirurgie kam, wurde mir zu Beginn mitgeteilt, dass ich die einzige examinierte Pflegekraft sei – die gesamte Schicht habe sich krankgemeldet.“ Aus Schutz vor Repressalien werden die Worte der auszubildenden Krankenschwester nur verlesen, ohne ihren Namen zu nennen. Doch das, was die Zuhörer zu hören kriegen, ist Alltag auf vielen Stationen. Die Umstehenden nicken. Sie kennen das.

Zu wenig Personal: Chaos in Hamburgs Krankenhäusern

Auf der Station, auf der die Azubi an diesem Tag ihren Dienst antrat, gab es 18 Pflegefälle, sechs OPs, 13 desorientierte Patienten, zwei Patienten mit instabilem Kreislauf und 19 Isolationszimmer. Nur ein Pflegehelfer und ein Praktikant außer ihr waren noch im Dienst. Es herrschte Chaos. Überall klingelte es. Einige Patienten litten am Norovirus, zwei weitere mussten regelmäßig abgesaugt werden, damit sie Luft bekamen. Mehrere Patienten mussten für anstehende OPs vorbereitet werden.

„Meine einzige Priorität war, dass alle Patienten diesen Dienst überlebten!“, so die Worte der jungen Frau. Es sei so schlimm gewesen, dass die Angehörige eines Patienten drohte, die Polizei zu rufen.

Erst viele Stunden später beschloss die Pflegedirektion, die Station zu schließen und die Patienten auf andere Stationen zu verlegen. Die offizielle Begründung war, es würde eine Grundreinigung durchgeführt. Eine Lüge, um die schlimmen Zustände zu kaschieren. „Ich versuchte, meine wahnsinnige Wut darüber zu unterdrücken“, so die Worte der Azubi, die erst nach zehneinhalb Stunden ihren Dienst beenden konnte und seitdem über einen Abbruch ihrer Ausbildung nachdenkt.

Hunderttausende Pflegekräfte kündigten ihre Jobs

Berichte wie diese hat die neu gegründete Hamburger Krankenhausbewegung vergangene Woche mehreren Senatsvertretern vorgetragen. Der Tenor: „Wir sind am Limit.“ Laut Krankenhausbewegung haben in den vergangenen fünf bis zehn Jahren deutschlandweit 600.000 Pflegekräfte ihren Job an den Nagel gehängt, weil sie die Zustände nicht mehr mittragen geschweige denn ertragen können.

„Der Personalnotstand in Hamburg Krankenhäusern hat den Punkt überschritten, an dem keine menschenwürdige Gesundheitsversorgung mehr gewährleistet ist“, sagt auch Maik Sprenger, Sprecher der Krankenhausbewegung.

Bessere Bedingungen von der Politik gefordert

Die Vertreter fordern von der Politik, für bessere Bedingungen zu sorgen. Privatisierungen und Ausgliederungen wichtiger Bereiche hätten dazu geführt, dass zum Zweck der Gewinnmaximierung immer mehr Patienten von immer weniger Pflegern betreut werden. Künftig müsse wieder der Bedarf des Patienten ins Zentrum der Personalbemessung gestellt werden. Es müssten feste Personalschlüssel geben, erstklassige Ausbildungsbedingungen – und scharfe Sanktionen gegen Klinikleitungen bei Verstoß gegen diese Regeln, die eigentlich selbstverständlich sein müssten.

Betroffene: Es gehe nur um das nackte Überleben

Intensivschwester Antje Burghardt (31): „Wir können eine adäquate Versorgung unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleisten.“ Meist gehe es auf den Stationen nur um das nackte Überleben. Für Menschlichkeit sei überhaupt keine Zeit, erst recht nicht für die nicht selten verzweifelten Angehörigen von Patienten. Auch für die Pflegenden selbst sei die Situation unerträglich: „Wir haben keine Pausen, wir trinken nicht, wir essen nicht, wir haben nicht mal Zeit, um zur Toilette zu gehen“, so Burghardt. Die psychische Belastung sei enorm.

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Da die Kliniken nicht gewillt seien, etwas an der Situation zu verändern, kann laut Krankenhausbewegung jetzt nur die Politik noch etwas gegen den Personalnotstand im Pflegebereich tun. Andernfalls drohe der Kollaps.

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