Sexarbeits-Verbot wegen Corona: „Wir sind definitiv keine Seuchen-Spreader“
Sexarbeiterin „Miss Beat“ hat sich während des Arbeitsverbots mit anderen Jobs über Wasser gehalten.
Foto: Marius Röer
St. Pauli –
Seit vier Monaten ist es ungewohnt ruhig im Hamburger Rotlichtviertel: Wegen der Corona-Pandemie dürfen Sexarbeiterinnen ihrer Arbeit seither nicht mehr nachgehen. Und das, obwohl sich die Branche mittlerweile Hygiene-Konzepte zurechtgelegt hat. Am Dienstagabend demonstrierten mehr als 100 betroffene Frauen für die Wiedereröffnung der Bordelle. Die MOPO sprach mit einigen darüber, wie sie unter dem monatelangen Arbeitsverbot leiden.
Sie trugen schwarze oder goldene Gesichtsmasken, hielten Plakate mit einem direkten Appell an Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in die Höhe: Die Sexarbeiterinnen von St. Pauli demonstrierten am Dienstagabend an der Ecke Herbertstraße/Davidstraße – die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Hamburg: So leiden Sexarbeiterinnen unter dem Arbeitsverbot
„Ich bin hier, weil wir im Gegensatz zu anderen Branchen schon seit Monaten nicht arbeiten dürfen, obwohl wir ausgeklügelte Hygiene-Konzepte haben und wir definitiv keine Seuchen-Spreader sind“, sagte eine der Sexarbeiterinnen, die sich „Mistress Chauve“ nennt. „Wir wissen was wir tun, wir achten immer auf Hygiene und wir wissen, wie man Abstand hält“.
Sie selbst komme aus dem Fetisch-Business. Auch dort darf schon seit vier Monaten nicht gearbeitet werden – ohne Ausnahme. „Niemand weiß, wie es weitergeht. Eine ganze Berufsbranche wird in die Existenzlosigkeit gedrückt.“ Das bedeute auch, dass einige Sexarbeiterinnen gar keine andere Möglichkeit hätten, als in die Illegalität abzudriften.
Sexarbeits-Verbot in Hamburg: Am Rande der Existenz
„Mistress Chauve“ hat im Gegensatz zu vielen anderen Glück: Noch kann sie von ihren Rücklagen leben. „Bis zum Ende des Jahres kann ich noch existieren und dann weiß ich auch nicht mehr, wie es weitergehen wird“, sagt sie. „Es ist die Hölle. Wir versuchen uns teilweise durch kleine Video-Produktionen und Fotos über Wasser zu halten, aber das ist alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Auch eine Sexarbeiterin mit dem Künstlernamen„Miss Beat“ versucht, sich mit anderen Gelegenheitsjobs ihren Lebensunterhalt zu verdienen. „Man muss umdenken und auch mal putzen gehen“, sagt sie. Ihr war es wichtig, an der Demo teilzunehmen, um den betroffenen Frauen eine Stimme zu geben. „Wir brauchen einfach unsere Dominas und unsere Huren hier auf St. Pauli. Anders geht das nicht.“
Hamburg: Senat will Arbeitsverbot im September aufheben
Immerhin: Es besteht Grund zur Hoffnung, dass die harten Zeiten für die Sexarbeiterinnen bald ein Ende haben. „Wenn wir es schaffen, die Infektionszahlen niedrig zu halten, dann beabsichtigen der Senat und die Gesundheitsbehörde gemeinsam mit den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die Prostitution zum 1. September wieder zu erlauben“, kündigte Falko Drossmann (SPD), Bezirksamtsleiter in Hamburg-Mitte, auf der Demo an. Er betonte aber auch, dass sich die Situation jederzeit wieder ändern könne.
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Die Aussicht auf die Aufhebung des Arbeitsverbots ist ein Lichtblick für die Sexarbeiterinnen auf St. Pauli. „Mistress Chauve“ sagt: „Dass wir eventuell ab September wieder arbeiten dürfen, ist schon mal ein Hoffnungsschimmer. Wir hoffen nur, dass das jetzt wirklich auch so umgesetzt wird.“