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Siedlung gilt als sozialer Brennpunkt: Warum Bewohner Mümmelmannsberg dennoch so lieben

Billstedt –

Sozialer Brennpunkt oder geliebtes Dorf? Graue Hochhaussiedlung oder lebenslanges Zuhause? Mümmelmannsberg kann man aus sehr verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Fest steht nur: Am 30. September 1970 wurde der erste Spatenstich getan für eine Großsiedlung auf der grünen Wiese. 50 Jahre später trifft die MOPO Bewohner, die um die Probleme wissen – und trotzdem nirgendwo sonst leben möchten.

„Mein wunderbarer, liebenswerter…. soziaaaaler Brennpunkt!“, singen die Mitglieder des Stadtteilkantorates und nehmen musikalisch das Image ihres Stadtteils auf die Schippe. Jeder, der in Mümmelmannsberg wohnt, weiß: In den Köpfen der übrigen Hamburger geht die Brennpunkt-Schublade schneller auf, als man „Mümmel“ sagen kann.

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Bunte „Nonna“-Skulptur in Mümmelmannsberg.

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Keiner denkt „Oh, da gibt es doch diesen Hof voller Skulpturen“, niemand weiß von den Malerinnen aller Altersgruppen, die in einem Dachgeschoss ein kunterbuntes Atelier betreiben.

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Heidi Ziolkowski (81) im Atelier der „Frauenmalgruppe Wir“.

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Hamburg: Mümmelmannsberg gilt als sozialer Brennpunkt

Nur Gültepe ist 22 Jahre alt, arbeitet in einem schicken Hotel in der City  – und muss immer wieder erklären, was sie an ihrem Heimatstadtteil so liebt: Die vielen Angebote für Kinder und Jugendliche, die Sportvereine, den Zusammenhalt. Für junge Erwachsene allerdings ist nicht viel zu holen in Mümmelmannsberg: „Das würde ich mir wünschen, einen Treffpunkt für Leute über 18.“

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In Mümmelmannsberg aufgewachsen und froh darüber: Nur Gültepe (22).

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Anne Simon (78) ist Künstlerin – wo andere eine schnöde Hochhaussiedlung für 18.600 Menschen sehen, sieht sie „einen Schmetterling zwischen zwei grünen Oasen“. Tatsächlich ragen die Wohntürme zwischen der Glinder Au und den Boberger Dünen in den Himmel. Unfassbar günstige 4,88 Euro kostet hier der Quadratmeter, kaum jemand zieht hier weg.

Auch Dagmara Michaliczak (71) lebt schon seit 1977 hier, malt, fotografiert und zählt ebenfalls seit Jahrzehnten zu den Künstlerinnen der Frauenmalgruppe.

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Fotografin, Malerin, seit Jahrzehnten in Mümmelmannsberg zuhause: Dagmara Michaliczak (71).

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„Die Stadt nutzt Mümmelmannsberg als Ankommensstandort auch für Flüchtlinge“, stellt Wolfdietrich Thürnagel (79), Stadtteilaktivist und Mieter der ersten Stunde („Ich stecke meine Nase gern in Dinge, die mich nichts angehen“), lakonisch fest: „Darum werden die Mieten hier niedrig gehalten.“

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Mieter der ersten Stunde: Wolfdietrich Thürnagel (79).

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Mümmelmannsberg: Saga saniert Siedlung

Für 110 Millionen Euro saniert die Saga gerade die Siedlung von innen und außen, viele Fassaden erstrahlen bereits in hellen Farben. Über dem neuen kleinen Einkaufszentrum gegenüber der Kirche kreisen die Kräne.

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Viele Baugerüste: Die Saga saniert diese Hochhäuser in Mümmelmannsberg gerade für 110 Millionen Euro.

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Bei allen Erzählungen von Dorfleben und Klönschnack im Supermarkt, die Probleme sind natürlich da. 75 Prozent der Bewohner haben Migrationshintergrund, viele Kinder haben bei der Einschulung noch nie ein Wort Deutsch gesprochen, es gibt Salafisten und vollverschleierte Frauen.

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Leitete lange die Elternschule: Birgit Sokolowski (64).

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„Es gibt Parallelgesellschaften“, sagt Birgit Sokolowski, die lange die Elternschule geleitet hat und weiß, dass es auch Bevölkerungsgruppen gibt, die kein Interesse am Austausch haben. Spielplätze, so ihre Beobachtung, sind dafür ein wichtiges Gegenmittel: „Da entstehen Freundschaften unter den Eltern über die Grenzen hinweg.“

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Anima Awudu-Denteh: „Habe meine drei Kinder hier groß gezogen und sie sind alle toll geworden!“

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„Die Religion spielt eine immer stärkere Rolle für die Identifikation“, beobachtet auch Amina Awudu-Denteh, Projektleiterin vom Institut für konstruktive Konfliktaustragung („Ich habe meinen Stadtteil zum Beruf gemacht“). Sie versucht, besonders Frauen in ihren Communitys zu stärken, „damit sie den Mut bekommen, auch nach außen zu gehen.“ Ihre drei Kinder sind in „Mümmel“ aufgewachsen: „Und sie sind toll geworden!“

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Ball spielen verboten: Auch solche tristen, noch nicht sanierte Ecken gibt es in der Siedlung.

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Ja, ihre heißgeliebte Siedlung mit der Kirche in der Mitte und den großen Freiflächen zwischen den hohen Häusern hat Probleme, sagen die Bewohner und setzen fast trotzig hinzu: „Das haben andere Stadtteile auch.“ Das Stadtteilkantorat singt: „M-Ü-M-M-E-L. Mümmel!“ Und alle klatschen begeistert mit.

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