Skurriler Trend: Diese Tourismus-Art hat immer mehr Fans
Der neue Tourismus-Trend seit Corona: Friedhöfe. „Wen suchen Sie denn?“ – „Manfred Krug.“ – „Der liegt da hinten.” – „Wir gehen jetzt zum Lambsdorff.“ So klingt ein Gespräch in diesem Herbst auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf bei Berlin. Dutzende laufen hier mit einem Plan, der einen Euro am Eingang kostet, die Gräber von Prominenten ab.
Darunter sind etwa die Ruhestätten des Schauspielers Manfred Krug („Liebling Kreuzberg“, „Tatort“), des FDP-Politikers Otto Graf Lambsdorff, von Moderator Dieter Thomas Heck („ZDF-Hitparade“) und des Filmregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau („Nosferatu“). Weltberühmt wurde der Friedhof auch durch die Netflix-Serie „Dark“, in der die Holzkapelle im Norwegen-Stil als Motiv der fiktiven Stadt Winden zu sehen ist.
Immer mehr Touristen besuchen seit der Corona-Pandemie Friedhöfe
Doch nicht nur vor den Toren Berlins blüht im Corona-Jahr die für manchen makaber klingende Freizeitbeschäftigung des Friedhofstourismus. Das Phänomen ist pandemiegeeignet, denn auf einem Friedhof an der frischen Luft verhalten sich alle pietätvoll, reden wenig und halten Abstand. Eine Auswahl von Orten, Themen – und Toten:
Viele deutsche Friedhöfe beherbergen prominente Gräber
BUNDESKANZLER UND MINISTER: Der mit 91 Jahren gestorbene Konrad Adenauer wurde 1967 im Familiengrab auf dem Waldfriedhof in Rhöndorf bei Bonn beigesetzt. Ludwig Erhard liegt auf dem Bergfriedhof von Gmund am Tegernsee, Kurt Georg Kiesinger auf dem Stadtfriedhof Tübingen, Willy Brandt auf dem Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf. Helmut Schmidt wurde 2015 in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof bei seiner Frau Loki bestattet, Helmut Kohl 2017 in Speyer auf dem Friedhof des Domkapitels. Der langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher liegt auf dem Rheinhöhenfriedhof in Ließem in Wachtberg bei Bonn.
PRÄSIDENTEN: Theodor Heuss ist auf dem Waldfriedhof Stuttgart (Degerloch) bestattet, Heinrich Lübke auf dem Dorffriedhof von Enkhausen in Sundern (Sauerland), Gustav Heinemann auf dem Parkfriedhof Essen (Huttrop), Walter Scheel auf dem Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf, Karl Carstens in Bremen (Schwachhausen) auf dem Riensberger Friedhof, Richard von Weizsäcker auf dem Waldfriedhof Dahlem in Berlin, Roman Herzog auf dem Friedhof von Jagsthausen bei Heilbronn und Johannes Rau auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. Der einzige Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, wurde auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde im Rondell der Gedenkstätte der Sozialisten begraben, wo sich unter anderem auch die Gräber von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht befinden.
Diese Gräber besuchen die Friedhofs-Touristen: Schriftsteller, Politiker und Schauspieler
KÖLN: Auf dem unübersichtlichen Melaten-Friedhof, dem Zentralfriedhof von Köln, wurde unter anderem 2016 der mit 54 Jahren gestorbene Ex-Außenminister Guido Westerwelle beigesetzt. Außerdem liegen hier der Komiker Dirk Bach, die Schauspielerinnen Hildegard Krekel und Gisela Uhlen sowie natürlich Willy Millowitsch.
MÜNCHEN: Der idyllische Friedhof Bogenhausen an der spätbarocken Kirche St. Georg am rechten Isar-Hochufer ist rasch umrundet. Dort befinden sich die Gräber von Schriftsteller Erich Kästner („Emil und die Detektive“), Filmemacher Rainer Werner Fassbinder („Angst essen Seele auf“), Filmproduzent Bernd Eichinger („Der Name der Rose“), Regisseur Helmut Dietl („Kir Royal“, „Schtonk!“) sowie von Schauspielern wie Helmut Fischer („Monaco Franze“), Werner Kreindl („SOKO 5113“), Rolf Boysen und Walter Sedlmayr – und neuerdings auch von SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel. Die Urne von Filmstar Heinz Rühmann („Die Feuerzangenbowle“) wurde übrigens in Aufkirchen in Berg am Starnberger See nahe München bestattet.
FRANKFURT: Auf dem Frankfurter Hauptfriedhof sind unter anderem die Philosophen Theodor W. Adorno und Arthur Schopenhauer, die Schriftstellerin Ricarda Huch, der Arzt und Forscher Alois Alzheimer, die Psychologen Margarete und Alexander Mitscherlich, der Dichter Robert Gernhardt, Arzt und Autor Heinrich Hoffmann („Struwwelpeter“) und der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bestattet.
BERLIN: In der Hauptstadt gibt es besonders viele Ziele. Die in Paris gestorbene Marlene Dietrich wurde auf dem Friedhof Schöneberg III (Stubenrauchstraße) beigesetzt. Die Grabinschrift des Berliner Hollywood-Stars: „Hier steh ich an den Marken meiner Tage“. Loriot (eigentlich Bernhard-Viktor von Bülow) liegt wie Klausjürgen Wussow („Die Schwarzwaldklinik“) und Boxer Bubi (Gustav) Scholz auf dem Friedhof Heerstraße (Westend). Die Schauspielerin Brigitte Mira („Drei Damen vom Grill“) ruht auf dem Luisenfriedhof III (Westend). Auf dem Waldfriedhof Dahlem sind die Gräber etwa von Harald Juhnke, Gottfried Benn und Autor Curth Flatow („Ich heirate eine Familie“), auf dem Waldfriedhof Zehlendorf ruhen Hildegard Knef, Edith Hancke, Wolfgang Neuss und Günther Pfitzmann.
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Auf dem Friedhof Zehlendorf (nicht Waldfriedhof Zehlendorf) wurde Götz George („Tatort“/Schimanski) begraben. Auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof (Schöneberg) fanden die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm sowie Rio Reiser („König von Deutschland“) ihre letzte Ruhe. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof befinden sich zum Beispiel die Gräber von Bertolt Brecht, Helene Weigel, Heiner Müller, Egon Bahr, Bärbel Bohley, Christa Wolf, Thomas Brasch, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Herbert Marcuse, Otto Sander und Wolfgang Herrndorf („Tschick“).
HAMBURG: Der Friedhof Ohlsdorf ist mit etwa vier Quadratkilometern fast doppelt so groß wie der Stadtstaat Monaco an der Côte d’Azur und hat sogar eine eigene Buslinie. Seit der Eröffnung 1877 wurden rund anderthalb Millionen Menschen dort beigesetzt. Schauspielerinnen und Schauspieler wie Inge Meysel, Witta Pohl, Monica Bleibtreu, Hans Albers, Kurt Raab und Gustaf Gründgens sind hier bestattet, zudem die Journalistin Wibke Bruhns, „Tagesschau“-Sprecher Karl-Heinz Köpcke, Kritiker Hellmuth Karasek, Autor Harry Rowohlt, Publizist Roger Willemsen, Musiker Roger Cicero und Komiker Heinz Erhardt. Die Gräber von Hamburg-Ikone Heidi Kabel und dem TV-Journalisten Hanns Joachim Friedrichs befinden sich dagegen auf dem Nienstedtener Friedhof. (dpa)