Eine Kinderärztin impft einen Jungen mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech-Pfizer.
  • Die Gesundheitsminister der Länder haben ein breites Impfangebot für Kinder und Jugendliche angekündigt.
  • Foto: (c) dpa

Ärzte uneinig, Eltern verwirrt: Soll ich mein Kind impfen lassen – oder nicht?

Kaum ein Pandemie-Thema polarisiert wohl so sehr wie die Impfung bei Kindern und Jugendlichen. Am Montag kündigten die Gesundheitsminister der Länder entgegen der Stiko-Empfehlung ein breites Impfangebot für 12- bis 17-Jährige an. Einige Experten sind begeistert, andere sprechen von „Wahlkampfgetöse“. Hamburg will Impfungen zunächst nur an Berufsschulen anbieten. Eltern fragen sich: Soll ich mein Kind impfen lassen – oder nicht?

„Wer will, kann sich impfen lassen, keiner muss“, versichert Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Politiker umgehen mit ihrer Ankündigung eines breiten Impfangebotes für Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren die bisherige Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko).

Ständige Impfkommission gegen generelle Empfehlung

Diese empfiehlt Impfungen mit dem Vakzin der Hersteller Biontech/Pfizer in dieser Altersgruppe bisher nur bei Patienten mit Vorerkrankungen und solchen, die mit Risikopatienten zusammenleben. Für eine generelle Empfehlung gebe es noch zu wenig Daten über mögliche Folgeschäden, sagt Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens.

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Zudem sei der „Nutzen der Impfung, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, in dieser Altersgruppe nicht allgemein gegeben“, so die Stiko. Schwere Covid-Verläufe seien bei 12- bis 17-Jährigen äußerst selten. Todesfälle traten zudem nur bei einzelnen Kindern und Jugendlichen auf, die unter schweren Vorerkrankungen litten.

Allerdings ist auch unklar, was das Virus langfristig im Körper macht. Gerade bei Erwachsenen führt „Long Covid“ auch nach milden Verläufen zu massiven, teils monatelangen Einschränkungen. Bei Kindern treten derartige Fälle bislang nur sehr selten auf. Daten aus Großbritannien zeigen aber, dass immerhin zehn bis 15 Prozent der Infizierten Kinder nach fünf Wochen noch mindestens ein Symptom zeigen. Kanadische Forscher stellten in einer internationalen Untersuchung bei sechs Prozent der infizierten Kinder längerfristige Folgen fest. Generell scheint zu gelten: Je älter die Kinder, desto häufiger die Symptome, sowohl kurz- als auch langfristig.

Corona-Impfung für Kinder: Empfehlung der StiKo könnte sich bald ändern

Und klar ist auch: Eine Impfung verhindert wie bei Erwachsenen schwere Verläufe. Möglich ist zudem, dass die StiKo ihre Einschätzung noch ändert. Laut Mertens könne das bereits in den nächsten zehn Tagen passieren.

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Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) nimmt die Zurückhaltung der Stiko ernst: „Wir in Hamburg haben einen klaren Kurs. Wir sagen: Die Ständige Impfkommssion ist mit klugen Ärzten und Medizinern besetzt. Wir machen Impfangebote an den Berufsschulen. Wenn das gut läuft und die StiKo zu anderen Einschätzungen kommt, weiten wir das eventuell auch auf andere Schulen aus. Wir werden in Hamburg aber keinen Druck aufbauen, solange die StiKo keine andere Empfehlung abgegeben hat.“

Wie schwer es Eltern bei der Entscheidung über die Impfung ihrer Kinder gemacht wird, zeigt sich darin, dass nicht nur Wissenschaftler und Politiker, sondern auch Ärzte völlig uneinig sind. Der Chef des Hausärzteverbands etwa kritisierte die Politiker für ihre „Missachtung der Kompetenz der Ständigen Impfkommission“ und sprach von Wahlkampfgetöse. Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte rief hingegen die Stiko zu einer Neubewertung ihrer Position auf. „Ich persönlich bin ein Befürworter dieser Impfungen. Das Risiko von Nebenwirkungen durch die Impfung ist extrem gering, das zeigen alle Daten aus anderen Ländern“, erklärte er.

Andere Länder impfen Kinder schon seit einigen Wochen

In Israel werden Jugendliche ab zwölf bereits seit Anfang Juni geimpft – dort soll in extremen Ausnahmefällen sogar 5- bis elfjährigen Kindern ein Piks ermöglicht werden. In Italien werden 12- bis 17-Jährige schon seit Ende Mai mit dem Biontech-Vakzin geimpft. Zwei Monate später wurde dort auch der Impfstoff des Herstellers Moderna für die Altersgruppe zugelassen. Laut der Gesundheitsbehörde CDC sind in den USA bereits 8,3 Millionen Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren mindestens einmal geimpft. Auch in Kanada und Frankreich wird diese Altersgruppe schon gepikst – bislang ohne, dass irgendwelche großen Komplikationen bekannt geworden wären.

Impfung besser als „Durchseuchung“ mit Delta-Variante

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach plädiert schon länger für eine Impfung der Kinder und Jugendlichen auch in Deutschland. Die Haltung der Stiko bezeichnete er im Deutschlandfunk als „Außenseiterposition“. Die wesentlichen Studien zur Impfung von Kindern zeigten, dass eine „Durchseuchung“ mit der Delta-Variante des Coronavirus gefährlicher sei als eine Impfung.

Mertens hält dagegen: Dass in anderen Ländern aufgrund derselben Daten aus internationalen Studien andere Entscheidungen gefallen seien, verwundere nicht, so der StiKo-Vorsitzende. Die Auswertung der Daten und die Schlussfolgerungen seien immer mit den jeweiligen Voraussetzungen verbunden. Dass etwa in den USA so viele Jugendliche geimpft seien, sei Folge höherer Anteile an Mangelernährung, Übergewicht und Diabetes in dieser Altersgruppe. Sprich: Der Anteil der Risikofälle sei schlicht höher, eine Impfung mache daher öfter Sinn.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der für viele nicht ganz unbedeutend sein dürfte. Die Impfung schützt ja nicht nur vor einer Erkrankung, sie ermöglicht auch weit mehr Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, und damit ein Stück weit Normalität.

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Eltern müssen jetzt also entscheiden: Bewerten Sie das Risiko einer Infektion mit ihren möglichen Folgen oder das einer Impfung als höher. Eine finale Antwort darauf gibt es derzeit nicht. „Es geht ausdrücklich nicht darum, Druck zu machen“, betont Spahn, „sondern darum, denen, die geimpft werden wollen, auch die Möglichkeit dazu zu geben.“

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