Spekulanten gestoppt?: Schluss mit Holsten-Monopoly! Neuer Plan für Areal in Altona
Altona –
86.000 Quadratmeter, mehr als 1200 Wohnungen, die möglichst bezahlbar sein sollen, Platz für Gewerbe, ein neues Zentrum mit historischem Kern, ökologisch nachhaltig und auch noch verkehrsberuhigt – das ist der Wunschplan des Bezirks Altona für das Holsten-Areal. Problem: Das Projekt wird von der Consus Real Estate entwickelt und deren Erlöskonzept ist eigentlich ein anderes: maximaler Profit. Über Monate stockten die Gespräche. Wie die Bezirksamtsleitung am Mittwochabend mitteilte, gibt es nun eine Einigung für das Quartier, das zur Gelddruckmaschine für Immobilien-Spekulanten geworden ist. Der Planungsausschuss muss nur noch zustimmen und der Vertrag unterzeichnet werden. Vermutlich nicht die letzten Hürden.
Drei Arbeiter in T-Shirts schaufeln unermüdlich Berge von Sand auf, schauen auf die Grube, plauschen, schwitzen. An der Harkortstraße, kurz vor der Einmündung zum Holsten-Areal, bauen sie den Gehweg um. Gerne hätte man im Bezirk Altona gesehen, dass die Arbeiten auf der anderen Seite des Zaunes, der das Gelände der ehemaligen Brauerei umgibt, stattfinden. Doch dort passiert seit Jahren nichts. Das soll sich ändern.
Holsten-Gelände wurde für mehrere Hundert Millionen Euro verkauft
Seit dem ersten Verkauf von Carlsberg 2016 an die Düsseldorfer Gerchgroup wurde das Gebiet mehrfach weiterverkauft, es gab Übernahmen der Immobilien-Konzerne, Kooperationen von Unternehmen, irgendwann übernahm Consus die Filetfläche zwischen Haubachstraße und Harkortstraße. Mitte 2020 wurde ein Vorvertrag publik, der einen Weiterverkauf für mittlerweile 320 Millionen Euro an ADO Properties vorsah. Die luxemburgische Firma schluckte wenig später die Adler Real Estate, erwarb etwas mehr als ein Fünftel der Anteile an Consus und ist nun nach eigenen Angaben als Adler-Group der größte Immobilien-Entwickler in Deutschland. Ein ziemliches Hin-und-Her bei den Gelände-Besitzverhältnissen, die Altonas CDU-Fraktionschef Sven Hielscher zwischendurch als „Monopoly“ bezeichnete.
Es folgten weitere Monate des Stillstands bei den Verhandlungen. Nun scheint der Durchbruch geglückt. Mit Zugeständnissen des Immobilien-Giganten, die in Teilen überraschend sind. Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne): „Für uns im Bezirksamt Altona war immer klar, dass die Fläche nicht immer wieder neu verkauft werden soll, sondern entwickelt werden muss.“ Eine Lösung musste her.
Consus kommt Hamburg bei den Mieten entgegen
Offenbar mit Erfolg. So wurden Abmachungen getroffen, die einer kompletten Preis-Explosion bei den Mieten entgegenwirken sollen. Immer wieder hatte die Bezirkspolitik öffentlich gefordert, dass Consus neben dem Drittelmix, der geförderte Wohnungen vorsieht, auch sogenannten preisgedämpften Wohnraum baut. Wie der Bezirk nun bekannt gab, sollen von den mehr als 1200 Wohneinheiten, von denen 365 gefördert sein werden, 100 Wohnungen zu einer Miete von 12,90 bzw. 14,90 Euro pro Quadratmeter auf den Markt kommen. Zudem beteiligt sich Consus nach MOPO-Informationen mit 12,5 Millionen Euro Kostenbeteiligung an der Erweiterung der angrenzenden Theodor-Haubach-Schule sowie mit vier Millionen Euro an dem geplanten Quartierzentrum.
Im Gegenzug – so ist zu vernehmen – drückt der Bezirk beim Bauverfahren auf die Tube und rückt parallel von dem Plan ab, den Juliusturm in Gänze zu erhalten. Hier hat man sich nach MOPO-Informationen auf eine Teilerhaltung der Südseite geeinigt. Um den Turm herum soll vermutlich ein Hotel entstehen.
Hamburg: Das ist alles in dem Holsten-Quartier geplant
Baubeginn: 2021, Fertigstellung: 2026 – so gibt Consus auf seiner Homepage aktuell die Marschroute für das Projekt in Altona-Nord vor. Das Geschäftsmodell dabei ist simpel: Das Unternehmen übernimmt ein Gelände, entwickelt die Baufelder bis zur Fertigstellung und verkauft Teile mit Gewinn weiter. In diesem Fall sieht die Planung einen Erlös von etwa 840 Millionen vor. Heißt übersetzt: Die Mieten bei den Wohnungen, die nicht preisgedämpft oder gefördert sind, dürften enorm werden, ebenso die Preise der Eigentumswohnungen. Eine Anfrage über die geplante Höhe ließ Consus unbeantwortet. Klar ist: Die Rendite muss stimmen. Und wo der Preis gedrückt wird, geht er an anderer Stelle hoch.
Neben den dringend benötigten Wohnungen sind drei Kitas an zwei Standorten geplant, drei Stadtrad-Stationen, drei Car-Sharing-Stationen, Ladesäulen für E-Autos, eine Quartiersgarage, ein Hotel, ein Handwerkerhof, der im Bereich entlang der S-Bahntrasse liegen soll, eine öffentliche Parkanlage, für die Consus 75 Prozent der Kosten übernimmt. Dreiviertel der Energienutzung sollen durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Das auf 4000 Quadratmetern geplante Quartierszentrum soll einen Mix aus Kunst, Kultur, Bildung und Sport umfassen.
Consus baut auch mit Genehmigungen nicht immer gleich
Klingt bis hierhin alles ganz ordentlich. Doch ob damit tatsächlich zeitnah der Startschuss für das Quartier fällt, lässt sich nur schwer beantworten. Es lohnt sich ein Blick auf andere Projekte von Consus, wie beispielsweise in Düsseldorf. Dort entwickelt das Unternehmen aktuell das Prestige-Bauvorhaben „Grand Central“ in der Innenstadt. Seit zwei Jahren gibt es eine Bauvereinbarung, doch bisher ist kaum etwas passiert. Die Stadt drohte im Frühjahr bereits mit Verschärfungen der Vertragsstrafen. Ein Umstand, den die Stadt Hamburg und der Bezirk Altona durchaus kennen. Auch in Düsseldorf ist das Baugelände zuvor mehrfach verkauft worden, ehe die Adler-Group es übernahm.
Das könnte Sie auch interessieren:Ein „Lost Place“ mitten in Hamburg
Und so bleibt wohl erstmal der Blick auf ein braches Gelände mit alten Hallen, etwas Müll auf dem Rangierparkplatz, wo früher die Laster hektoliterweise das Bier abgeholt haben. Die Einigung sei ein „wichtiger Schritt zur Realisierung des Holsten-Quartiers, in dem nicht nur Wohnen, sondern auch das gesellschaftliche Miteinander und der Umweltschutz eine wichtige Rolle einnehmen“, so von Berg. Der Planungsausschuss hat für den 4. August eine Sondersitzung beantragt. Dann soll die Entscheidung über die Einigung fallen.
„Mehr Leben pro Quadratmeter“ steht auf einer Plane, die am Holsten-Zaun angebracht ist. Die Hoffnungen darauf, dass überhaupt bald Leben hier einziehen wird, ist seit Mittwoch etwas gestiegen. Immerhin.