Helgo und Anneliese Kuck haben bei „Pro Linguis“ nicht nur Sprachen, sondern auch sich lieben gelernt.
  • Helgo und Anneliese Kuck haben bei „Pro Linguis“ nicht nur Sprachen, sondern auch sich lieben gelernt.
  • Foto: dpa | Marcus Brandt

Sprachen lernen, Liebe finden: Besonderer Hamburger Verein wird 75

In einem Club verschiedene Sprachen lernen? Das klingt elitär. Ist es aber nicht. Im Gegenteil: In Europas wohl einzigem gemeinnützigen Sprachenclub in Hamburg darf jeder eintreten. Und viele Mitglieder haben dabei viel mehr gewonnen als nur Sprachkenntnisse.

Wenn Helgo und Anneliese Kuck von ihrem Sprachenclub sprechen, geraten sie schnell ins Schwärmen. Seit mehr als 50 Jahren lernt das Ehepaar bei „Pro Linguis“ nun schon verschiedene Sprachen. Beide sprechen mindestens drei und haben über die Jahrzehnte weitere Sprachen zumindest mal ausprobiert. Und nicht nur das. Die beiden haben sich dort auch kennen und lieben gelernt.

Hamburger Sprachenclub „Pro Linguis“ feiert Jubiläum

„Für uns gehört der Club zu unserem Leben. Wir haben hier lebenslange Freundschaften geknüpft“, sagt die 91 Jahre alte Anneliese Kuck. Der Club ist ein gemeinnütziger Verein und gilt eigenen Angaben zufolge in Europa als der wohl einzige seiner Art. Nun feiert „Pro Linguis“ 75-jähriges Bestehen und hofft auf junge, neue Mitglieder.


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Der Club hat dabei deutlich mehr als nur Kurse für derzeit 12 verschiedene Sprachen zu vergleichsweise kleinem Geld – der Monatsbeitrag liegt bei 40 Euro – zu bieten. Denn er besitzt seit 1956 eine kleine Villa mit idyllischem Garten und eigener Clubgastronomie mitten in Rotherbaum. Das lässt neben einer Lernatmosphäre auch ein geselliges und elegantes Miteinander zu.

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Und das ist es am Ende auch, was den Club so besonders macht. Ob Mitglieder oder Dozenten – sie schätzen das Gemeinsame, die Leidenschaft, die Offenheit und die Leichtigkeit, mit der beide Seiten an das Sprachenlernen herangehen. „Für mich ist das eigentlich keine Arbeit, es ist sehr einfach, gern hier zu sein“, sagt die junge Griechisch-Dozentin Evangelia Nissioti. Die Muttersprachlerin macht gerade ihren Master in Jura und Wirtschaft in Hamburg. Der Nebenjob passt für sie perfekt. „Die Atmosphäre ist immer sehr freundlich.“

Das Mini-Restaurant im Erdgeschoss macht das ungleich leichter. Ein Sprachkurs-Nachmittag wird da vielmehr zum Ausgeh-Abend. Spätestens nach dem zweiten von drei Kursen pro Wochentag fliegen Wortfetzen mehrsprachig durch den Raum. Es wird gelacht, geschlemmt und stundenlang weiter geredet, internationale Konversation betrieben sozusagen. Ein analoges Kleinod in schöner Atmosphäre.

Sprachen lernen steht für Völkerverständigung

„Früher wie heute geht es im Sprachenclub um Völkerverständigung, Austausch und das Verstehen verschiedener Kulturen“, sagt Vereinsvorsitzende Andrea Druve. Sie spricht sechs Sprachen fließend und hält seit 15 Jahren die Fäden in der Hand. 73 Kurse stehen derzeit auf dem Plan, darunter Japanisch, Portugiesisch, Dänisch, Chinesisch und Ukrainisch. Zum Angebot gehören aber Länder-Feste, Tanz-Workshops, Theater, Literaturclubs und vieles mehr – natürlich alles international angehaucht.

Die „Pro Linguis“-Vorsitzende Andrea Duve (hinten stehend) spricht in einem Unterrichtsraum der clubeigenen Villa zu den Kursteilnehmern. dpa | Marcus Brandt
Die „Pro Linguis“-Vorsitzende Andrea Duve (hinten stehend) spricht in einem Unterrichtsraum der clubeigenen Villa zu den Kursteilnehmern.
Die „Pro Linguis“-Vorsitzende Andrea Druve (hinten stehend) spricht in einem Unterrichtsraum der clubeigenen Villa zu den Kursteilnehmern.

Der Fachverband Deutscher Sprachenschulen und Sprachreise-Veranstalter begrüßt diese Art des Engagements. „Das ist einfach eine sehr schöne Möglichkeit, um sich eine Sprache zu erhalten und Konversation zu betreiben“, sagte Verbandsgeschäftsführerin Julia Richter. „Alles, was zur Völkerverständigung und kulturellen Weiterbildung beiträgt, ist ein Zugewinn.“ Gleichzeitig seien diese Angebote nicht mit denen einer Sprachschule mit qualifizierten Lehrern zu vergleichen.

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Das ist auch Vereinschefin Andrea Druve klar und es sei auch gar nicht gewünscht. „Uns ist vor allem wichtig, dass die Dozenten Muttersprachler sind. Ansonsten müssen sie einfach die Mitglieder überzeugen. Und das funktioniert am besten mit Leidenschaft. Denn am Ende entscheiden die Mitglieder, ob ein Kurs im Angebot bleibt oder nicht.“

Die historische, kleine Villa liegt verkehrsgünstig direkt an der U-Bahnstation Hallerstraße und ist nicht nur von außen schön anzuschauen. Historische Holzvertäfelung mit Putten als Verzierung, ein weitgehend original erhaltenes Treppenhaus und schick hergerichtete Schulungs- und Clubräume auf vier Etagen. Schon Kanzler Helmut Schmidt war einst Gast hier. Eine Wohnung ist zudem an eine Hebammenpraxis vermietet. „Wir sind ein komplett schuldenfreier Verein. Mit den Mieteinnahmen und den Mitgliedsbeiträgen können wir uns finanzieren“, erläutert Druve.

Hamburger Sprachenclub wirbt um junge Mitglieder

Diese finanzielle Unabhängigkeit schafft Gelassenheit – auch in der immer schneller und digitaler werdenden Welt. Die Corona-Krise werde dennoch ein Loch in die Kassen reißen. Im Großen und Ganzen aber sei der Verein gut durch die Corona-Krise gekommen. Dank der Online-Kurse, die aber gern die Ausnahme bleiben dürfen, wie Druve mit einem Lachen sagt. „Wir konnten damit den Status zumindest halten.“ Nun aber müssten endlich wieder mehr neue Mitglieder kommen. Gern auch jüngere. „Im Moment liegt der Altersdurchschnitt bei über 50 Jahren.“ Am Tag der offenen Tür, am 14. Mai, 12 bis 18 Uhr, will der Verein deshalb auch mit Sonderangeboten neue Mitglieder locken.

Anneliese Kuck ist das älteste noch praktizierende Mitglied. Woche für Woche kommt sie mit ihrem Mann in den Club und hält durch anregende Gespräche ihr Spanisch frisch. Nur am Tag des Interviews haben beide ausnahmsweise mal den Kurs geschwänzt.

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