Steuerbetrug mit Cum-Ex: Schaden viel größer als angenommen
Rückerstattungen von Steuern, die gar nicht gezahlt worden waren: Auf diese simple Formel lassen sich komplizierte Steuer-Betrugssysteme wie Cum-Ex und Cum-Cum herunterbrechen, in die auch die Hamburger Warburg Bank verwickelt ist. Nach neuen Berechnungen beläuft sich der weltweite Schaden auf mindestens 150 Milliarden Euro – fast dreimal so viel wie bisher angenommen. Das berichtet das NDR-Magazin „Panorama“, das seine Recherchen am heutigen Donnerstag (21.45 Uhr) in der ARD zeigt.
Ursprünglich war man von rund 55 Milliarden Euro weltweitem Schaden durch die illegalen Transaktionen ausgegangen. Mit Cum-Ex-Deals hatten Investoren, Banken und Aktienhändler den Fiskus über Jahre um Milliarden Euro geprellt. Dabei wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch um den Stichtag hin- und hergeschoben. Für diese Transaktionen ließen sich die Beteiligten Steuern erstatten, die sie nie gezahlt hatten.
Ähnlich funktioniert das Cum-Cum-System: Hierbei verschieben ausländische Anleger ihre Aktien vor der Dividendenausschüttung ins Inland, um unrechtmäßig Steuern zu sparen. Neben Deutschland und den USA wurden zwischen 2000 und 2020 mindestens zehn europäische Staaten Opfer dieser Betrugs-Maschen, wie „Panorama“ berichtet. An der Recherche waren 15 internationale Medienpartner beteiligt.
Steuerbetrug durch Cum-Ex und Co. Schaden viel höher
Dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften nicht um ein Steuerschlupfloch, sondern um eine Straftat handelt, hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Juli dieses Jahres klargestellt. Er hat die Revisionen zweier angeklagten Ex-Börsenhändler aus London verworfen. Das Landgericht Bonn hatte die Briten im März 2020 wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe dazu zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Ein wesentlicher Grund für die Fortführung dieses Steuerdiebstahls ist dem Magazin zufolge offenbar die irrige Annahme, dass Cum Cum – anders als Cum Ex – nicht illegal sei. Dem widerspricht in „Panorama“ Helmut Lotzgeselle, Vorsitzender Richter am Hessischen Finanzgericht, der Anfang 2020 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Landesbank wegen ihrer Cum-Cum-Geschäfte verurteilt hat: „Für mich als Jurist sind Cum-Cum-Geschäfte auch eine Straftat.“
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Weiterer Vorwurf von „Panorama“: Die Bundesregierung scheine Cum-Cum-Geschäfte bis heute nicht effektiv zu bekämpfen. Und das, obwohl der Mannheimer Steuerexperte Christoph Spengel das Bundesfinanzministerium (BMF) bereits auf die enormen Verluste für die Steuerkasse hingewiesen hat. Der Finanzwirtschaftler ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des BMF.
Steuer-Raubzüge mit Cum-Ex und Cum-Cum: Weltweit 150 Milliarden Euro Schaden
Dort erwidert man auf Anfrage des NDR-Magazins allerdings, man habe Spengels Hinweise „an die zuständige Sondereinheit zur Bekämpfung kapitalmarktorientierter Steuergestaltungen beim Bundeszentralamt für Steuern weitergeleitet“.
Der Schaden ist enorm: Spengel zufolge ist der deutschen Steuerkasse von 2000 bis 2020 allein durch Cum-Cum ein Schaden von mindestens 28,5 Milliarden Euro entstanden. Zusammen mit den ähnlich gelagerten Betrugssystemen wie Cum-Ex und den sogenannten ADRs (American Depository Receipts) kommt der Professor allein für Deutschland für diesen Zeitraum auf einen Gesamtschaden von mindestens 35,9 Milliarden Euro. Bei Berechnungen aus dem Jahr 2018 war Spengel noch von mindestens 31,8 Milliarden Euro ausgegangen.
Auch die Hamburger Warburg-Bank war in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Hamburg ließ 2016 mögliche Steuernachforderungen von 47 Millionen Euro verjähren, weil eine Steuerhinterziehung nicht nachweisbar gewesen sei. Eine weitere über 43 Millionen Euro wurde erst 2017 nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert.
Untersuchungs-Ausschuss will etwaige politische Einflussnahme klären
Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) soll klären, ob führende SPD-Politiker wie der damalige Bürgermeister Olaf Scholz oder Peter Tschentscher (heute Bürgermeister, damals Finanzsenator) Einfluss auf Entscheidungen des Finanzamts genommen haben. Am Freitag findet die nächste Sitzung statt.
Sowohl Scholz als auch Tschentscher haben eine Einflussnahme mehrfach bestritten. Scholz hatte sich 2016 und 2017 mit dem Miteigentümer der Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen. Gegen Olearius liefen da bereits Ermittlungen wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung.
Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter des Finanzamts für Großunternehmen sind am Freitag als Zeugen vor dem Ausschuss geladen und könnten die Debatten im Finanzamt aufzeigen. Weiterhin wird es im Ausschuss nochmal um Spenden der Warburg-Gruppe an die SPD im Jahr 2017 gehen und die Frage, inwiefern Mitglieder des Ausschusses befangen sein könnten. (mp)