TikTok, Instagram und Co.: Alles für die Klicks – wie Eltern ihre Kinder bloßstellen
Früher gab es Fotoalben und bei besonderen Anlässen auch mal ein Video auf einer VHS-Kassette. Jetzt ersetzten Instagram, TikTok, Facebook und Co. die analogen Fotos und Filme. Schnell ein Foto mit dem Handy gemacht, alles ist digital und für jeden, auch außerhalb der Familie, sichtbar. Immer häufiger sind es aber nicht mehr nur niedliche Schnappschüsse des Nachwuchses: Die Kleinen werden bloßgestellt – alles für die Klicks.
Alte Fotoalben durchblättern, das sind schöne Momente, die meist mit der Familie geteilt werden. Über das ein oder andere witzige Foto, zum Beispiel mit dem Spinat im Gesicht, wird auch mal laut gelacht. Heute ist es anders: Nicht nur Eltern, Großeltern und Geschwister lachen über die Tollpatschigkeit der Kinder, sondern manchmal die ganze Welt.
TikTok, Instagram & Co.: Wenn Eltern ihre Kinder bloßstellen
Bei zufälligen Aufnahmen bleibt es dabei aber schon lange nicht mehr. Eltern inszenieren Videos und Fotos so, dass sie möglichst viral gehen, sich also weltweit verbreiten. Erst vor wenigen Wochen kursierte im Netz ein Video einer jungen Mutter die im Rahmen der „Pour the milk“-Challenge einen Becher Milch von hinten über ihr Kleinkind kippte. Das Kind, nur mit einer Windel bekleidet, war sichtlich erschrocken und rannte weg. Bloßstellung des eigenen Kindes, nur um möglichst viele Klicks im Netz zu erreichen.
Hierbei geht es um nichts Geringeres, als eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Menschen, das geht aus einem Report von jugendschutz.net hervor. Es würden gleich zwei Rechte verletzt: das Recht am eigenen Bild und das Recht auf Freigabe der eigenen personenbezogenen Daten. Die Wahrung dieser Rechte liegt allerdings bei den Eltern.
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Von sich selbst würden Eltern Bilder nicht veröffentlichen
Jungendschutz.net hat 2019 eine Untersuchung durchgeführt, in der Profile in den Sozialen Medien nach Kinderbildern durchsucht wurden. Bei 62 Prozent der Profile fanden sich Bilder von Kindern in privaten Räumen oder intimen Momenten. Zwölf Prozent der Profile veröffentlichten Fotos von Kindern in emotionalen oder körperlichen Ausnahmezuständen, wie beispielsweise beim Arzt, wütend oder verängstigt. Von sich selbst würden die Eltern derartige Fotos wohl eher nicht ins Netz stellen.
Gerade Kinder benötigen Rückzugsorte, Möglichkeiten sich abzuschirmen, alleine zu sein und sich wohl zu fühlen. „Sie haben ein Recht auf Selbstbewahrung“, heißt es im Report. Das Problem: Für viele Eltern gehört die Nutzung der sozialen Medien mittlerweile zur Normalität. Doch sie können selbst entscheiden, ob sie ein unvorteilhaftes Bild posten, oder vielleicht einmal ein „Digital-Detox“, eine Pause in den sozialen Medien, einlegen. Kinder können das nicht.
Für die Wissenschaft ist das Phänomen der zur Schau- und Bloßstellung der Kinder noch zu neu. Genau das ist auch eines der größten Probleme – eine genaue Vorhersage der Folgen ist noch nicht abzusehen. Jungendschutz.net hat dennoch einige mögliche Folgen herausgestellt: Mobbing, emotionaler Druck und das Vernachlässigen der Schule und anderer Freizeitaktivitäten, gerade wenn die Kinder selbst anfangen, die sozialen Medien zu nutzen.
Folgen der Kinderfotos in sozialen Medien noch nicht untersucht
Ob negative Konsequenzen zum Tragen kommen und wie schwerwiegend diese für die nächste Generation sein werden, ist individuell verschieden und kann daher nur schwer vorhergesagt werden, so jungendschutz.net. Vielleicht sollten wir uns bei jedem Foto, nicht nur bei unseren eigenen, fragen, ob wir uns selbst, beispielsweise schlafend auf Instagram, TikTok, Facebook und Co. wiederfinden wollen.