Tim Mälzer

Tim Mälzer, Koch und Unternehmer, bei einem Interview im Studio seines Restaurants Bullerei. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

TV-Koch Tim Mälzer geht ins Altenheim – ein Herzensprojekt

Wie ist das eigentlich, wenn man ins Heim muss? Und wie bekommt man Abwechslung, Spaß und Buntes in die doch meist tristen Räume? TV-Koch Tim Mälzer und André Dietz haben Ideen – und eine neue Doku.

Tim Mälzer geht ins Pflegeheim. Natürlich ist er dafür mit seinen 54 Jahren noch viel zu jung. Aber der Hamburger Fernsehkoch und Gastronom hat eine neue Mission. Diesmal will er schlicht den Alltag von Senioren in Pflegeheimen besser machen – leichter, aktiver, bunter. Wie schon für die preisgekrönte Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch“ ist er dafür wieder mit Schauspieler André Dietz unterwegs. Und beide haben erneut Menschen mit Behinderungen dabei, die sich neuen Herausforderungen stellen wollen. Der erste Teil der vierteiligen Doku „Herbstresidenz“ wird am Mittwoch (Vox, 20.15 Uhr) ausgestrahlt.

Schwierige Gespräche über die Zeit kurz vor dem Tod

Für Tim Mälzer ist die Doku erneut ein Herzensprojekt. Nach dem Tod seines Vaters im vergangenen Jahr habe er mit vielen Menschen über ihre Wünsche und Bedürfnisse rund um die letzten Lebensjahre sprechen wollen. „Doch ich habe sehr schnell festgestellt, dass diese Gespräche nicht gerne geführt werden. Es wurde auch mit sehr starker Ablehnung darauf reagiert“, so Mälzer. Aber warum ist das so? Dieser Frage wollte das Team auf den Grund gehen. Gedacht, getan – in einem Pflegeheim in Bernkastel-Kues in Rheinland-Pfalz.



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Mälzer zog dafür für zwei Tage ein. Und schon beim Einchecken wurde ihm einiges klar. Es habe sich angefühlt, als müsse er seine Persönlichkeit abgeben, sagte er rückblickend. „Da gab es die Frage, wie viel Graubrot und ob ich Allergien habe und ob ich mit Sprudel oder ohne Sprudel trinke. Das war’s. Mehr wurde nicht gefragt.“ 

Mit oder ohne Sprudel? Mälzer empört über Individualitätsverlust

Auf ein Minimum reduziert zu werden, habe ihn nicht nur ernüchtert, sondern auch ein wenig wütend gemacht. Er habe sich über sich selbst gewundert. „Und ich wusste ja, dass ich zwei Tage später wieder rausgehe. Und ich habe mich dennoch richtig angegriffen gefühlt in dem Moment. Ich mochte das überhaupt nicht, obwohl ich dem Heim gegenüber eigentlich total positiv eingestellt war. Aber ich dachte: ,Wow, wie muss es dann erst den Leuten geben, die endgültig einziehen?’“

Das wollen das Team und der pragmatische Hamburger sofort ändern. Also nehmen sie Zeit für die Senioren. Mälzer durchblättert mit ihnen Fotoalben, fragt nach deren Berufen und Hobbys und macht was daraus. So bringt er einen der Bewohner – einst Bäcker – dazu, nach Jahrzehnten mal wieder Brot zu backen. Mit anderen werden gemeinsam im Team die Wände der Flure gestrichen, es gibt persönliche Türschilder, mehr Fotos und persönliche Dinge in den Zimmern. 

Brot backen, Flur streichen, Bilder aufhängen

„Die haben alle Erfahrungen, die haben alle Leben und das können wir wieder aktivieren und in die Gemeinschaft einbringen.“ Meist sei das alles ganz einfach gewesen. „Manchmal braucht es eben einfach nur ein bisschen Energie und nicht viel Geld, um etwas zu verbessern.“

Der zweite Strang der an der Mosel gedrehten Doku dreht sich um die Arbeit der jungen Leute mit Behinderungen. Sie kommen als Pflegeschüler ins Heim – und damit prallen zunächst zwei Welten aufeinander. Die Alten, die sich teils abgeschoben und oft allein fühlen. Und die Menschen mit Behinderungen, denen oft zu wenig zugetraut wird und die meist eher unverblümt direkt sind. Kann das funktionieren? 

Zwei Welten prallen aufeinander – und alle Seiten gewinnen

Es kann. Die beiden Welten verschmelzen, profitieren voneinander und werden zu einem Team. Zu einem Team, das auch die stark eingespannten Pflegerinnen und Pfleger auf der Station entlastet und ihnen wieder Zeit für die schönen Seiten der anstrengenden Arbeit gibt. „Wir sind alle überrascht gewesen, mit welcher Intensität und vor allem mit welcher Einfachheit und Klarheit wieder Antworten zu finden waren – nachdem anfängliche Widerstände beiseitegeschoben werden konnten“, sagte Mälzer dazu. „Es war bemerkenswert einfach.“ 

Letztendlich hätten auch die Pflegekräfte die Chance gesehen, dass auch sie in ihrer Arbeit unterstützt werden. „Wir haben einander Vertrauen geschenkt und dadurch eine tolle Gruppendynamik erzielt. Und die Unterstützung ist so wichtig. Denn sie arbeiten extrem am Limit, ohne oftmals zu dem zu kommen, wofür sie ursprünglich mal angetreten sind.“

Caritas will Projektidee übernehmen

90 Tage dauerte das Projekt. „Wir haben dabei nicht auf die Schwächen, sondern auf die Stärken geguckt. Wir haben zauberhafte Entwicklungen bei den Schülern gesehen. Das ist eine ganz spannende Reise.“ Zudem hätten die Bewohner in der Zeit viel weniger Nebenmedikation gebraucht. „Es entstand eine Zufriedenheit. Wir wollten Impulse geben.“

Das Projekt von Dietz und Mälzer kam bei dem Träger des Pflegeheims – der Caritas – so gut an, dass er nicht nur das Seniorenheim an der Mosel jetzt ganz offiziell in „Herbstresidenz“ umbenannt hat. Die Caritas will auch das Konzept „Senioren und Menschen mit Behinderungen zusammenbringen“ auf viele weitere Pflegeheime in Deutschland ausweiten. „Die Caritas wollte alle übernehmen“, sagte Mälzer nicht ohne Stolz. 

Mälzer: Jeder sollte mehr Verantwortung übernehmen

Die Doku geht durchaus nah. Sie macht auch traurig und frustriert. Nicht nur mit Blick auf das engagierte, motivierte und doch oft überforderte Personal. Auch mit Blick auf die Senioren, die mit Angst, Wut oder Traurigkeit über ihre letzten Lebenstage im Heim sprechen. 

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Mälzer sieht hier auch Freunde und Familie in der Verantwortung. „Nur weil wir sie nicht mehr sehen, heißt das nicht, dass wir keine Verantwortung mehr tragen. Das sind unsere Eltern, unsere Freunde, unsere Großeltern. Und wenn wir ein bisschen mehr draufschauen, was wir können und was wir zusammenführen können, können wir zumindest das Leben dort erträglicher gestalten.“ (dpa/mp)

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