„Toleranz hört irgendwann auf“: Krieg sorgt für Konflikte im Hafen
Im Seemannsclub „Duckdalben“ der Seemannsmission schauen im Moment mehr ukrainische Seeleute vorbei, viele suchen dort den Kontakt in die Heimat. Der Krieg beschäftigt sie emotional – das lässt auch Gefühle hochkochen. Der Einsatz der Helfer gestaltet sich deshalb anders als sonst.
Das Team der Deutschen Seemannsmission bekommt auch in Hamburg die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zu spüren. „Die Arbeit im Club und an Bord ist anders, sie wird intensiver. Die Krisenintervention wird intensiver“, sagt Seemannsdiakon Jörn Hille. Es sei deutlich zu spüren, dass gerade die russischen und ukrainischen Seeleute angespannter sind.
Arbeit mit ukrainischen Seeleuten in Seemannsmission intensiver als sonst
„Normalerweise sind Seeleute ein ziemlich toleranter Haufen. Aber mit diesem Konflikt im Hintergrund und wenn die Seeleute persönlich betroffen sind, hört irgendwann die größte Toleranz auf.“ Die Seeleute würden sehr unterschiedlich auf diese Anspannung reagieren. „Das variiert von Rückzug bis hin zu aggressivem Verhalten.“ Die Seemannsmission habe nun eigens ein Handout zur Konfliktbewältigung an Bord erstellt. Die betreffe aber Konfliktlösungen ganz allgemein, so Hille weiter. Unter den Seeleuten sind in aller Regel rund zehn bis 15 Prozent Seemänner und -frauen aus Russland und der Ukraine, so Hille.
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Auch im Seemannsclub „Duckdalben“ im Stadtteil Waltershof selbst würden sich derzeit mehr Osteuropäer als sonst aufhalten: „Es sind mehr Ukrainer da, weil sie beispielsweise mit ihren Familien kommunizieren wollen. Und das ist hier natürlich eine deutlich entspanntere Atmosphäre als wenn ich am Arbeitsplatz mit Frau telefoniere.“ Die Seemannsmission stellt die Kommunikation für sie auch kostenfrei zur Verfügung, wenn sie sich den Kontakt andernfalls nicht leisten können.
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So mancher ukrainischer Seemann überlege auch, ob er in sein Heimatland fahre, um zu kämpfen oder seine Familie zu holen oder zu beschützen. „Es gibt aber auch welche, die bleiben extra länger an Bord, damit ihre Familie weiterhin mit Geld versorgt werden kann.“ Für russische Seeleute sei es derzeit allerdings auch nicht leicht, das Geld in die Heimat zu schicken. „Teilweise ist es sogar fast unmöglich.“
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Auch im Seemannsheim in Altona seien bereits erste Familien von Seeleuten angekommen, „die geflüchtet sind und es bis hierher geschafft haben“. Seemannsdiakon Hille hofft weiter auf den guten Zusammenhalt des Teams und der Crews: „Man darf nie vergessen, dass es Menschen sind. Und in so einer Krisensituation leben die sich natürlich auch aus. Und deshalb sollten wir alle noch einen Meter mehr Rücksicht nehmen auf den anderen. Egal, ob auf der Flucht oder ein Seemann an Bord oder ein Helfer, der einen Flüchtling aufgenommen hat. Auch das ist eine Belastung. Im Moment müssen wir einfach alle zusammenhalten. Anders geht es nicht.“ (dpa/mp)