Mann im Auto an der Elbe in Hamburg
  • Eine Studie darüber, wie schnell Autofahrer in Hamburg tatsächlich unterwegs sind, hat jetzt überraschende Ergebnisse geliefert. (Symbolbild)
  • Foto: imago images

Die Hamburger haben immer mehr Autos – warum nur?

Ich bin 23 Jahre alt und besitze ein Auto – und liege damit im Trend! Denn trotz angestrebter Mobilitätswende und obwohl die Politik das Ziel ausgegeben hat, Hamburg zur Fahrradstadt zu machen, gibt es immer mehr Pkw in der Hansestadt, nicht weniger. Ist es die reine Bequemlichkeit?

Ich gebe zu, mich von meinem Auto zu trennen, würde mir schwer fallen. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen und der rote Citroën bedeutet für mich vor allem eines: Freiheit! Nicht mehr auf den Bus angewiesen zu sein, der nur jede Stunde kommt, wenn überhaupt. Jetzt in der Millionenstadt Hamburg sieht das natürlich anders aus. Trotzdem ist mein Auto mitgezogen. Ein Rad besitze ich nicht, nur ein Skateboard. Mit dem würde ich mich aber niemals in den Hamburger Straßenverkehr trauen.

Hamburg: Immer mehr angemeldete Kfz in der Stadt

Die Anzahl der Autos in Hamburg steigt seit Jahren kontinuierlich. Waren es 2011 noch 725.845 Fahrzeuge gewesen, sind es laut Statista im Jahr 2021 bereits 805.780. Aber nicht nur das, auch die Anzahl der Autos pro Einwohner nimmt zu: Kamen 2017 auf 1000 Einwohner noch 421 Autos, sind es 2020 schon 434 gewesen. Das heißt: Hält die Entwicklung an, hat bald jeder zweite Hamburger einen Pkw.

MOPO-Reporterin Annalena Barnickel mit ihrem Auto Patrick Sun
Annalena Barnickel mit ihrem Auto
MOPO-Reporterin Annalena Barnickel mit ihrem Auto

Was sagen die Grünen zu dieser Entwicklung? Rosa Domm aus der Grünen-Bürgerschaftsfraktion ist sich sicher: „Moderne Stadtbewohner wollen alles zur Verfügung haben. Die U-Bahn, das Fahrrad, Gehwege, die S-Bahn und ab und zu den Komfort eines Autos.“ Car-Sharing, Bringdienste und Lieferservices sollen Letzteres abdecken. „So arbeiten wir Schritt für Schritt für eine Stadt, in der ein eigener Pkw überflüssig wird“, so Domm.

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Innerhalb von Hamburg zeichnen sich allerdings Unterschiede ab: Je weiter es in die Außenbezirke geht, desto dunkler wird die Farbe auf der Karte des Statistikamtes, was für eine höhere Dichte an Autos steht. Beispiele dafür sind die Stadtteile Allermöhe und Altengamme.

Kommentar: Es wird schikaniert, gelockt, gedrängt – aber die Hamburger lieben ihr Auto

Helle Flecken auf der Karte sind hingegen St. Pauli, St. Georg oder Eimsbüttel. „Es gibt viel Wohnungsneubau außerhalb des Zentrums, die Stadtteile sind aber nicht so gut angeschlossen an den Nahverkehr“, analysiert der Hamburger Verkehrsforscher Wolfgang Maennig. „Die Stadt wächst und mehr Einwohner bedeuten mehr Autos, denn unsere Verhaltensweisen haben sich noch nicht geändert.“

Viele Autos in Hamburg: Vor allem Außenbezirke betroffen

Maenning prognostiziert: „Das Auto ist bei meinen Studierenden nicht mehr so im Fokus, wie es in meiner Generation war. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, zum Beispiel Car-Sharing.“ Auch Fahrradstraßen trügen dazu bei, einen Wandel einzuleiten.

Der HVV-Switch-Punkt an den Elbbrücken. Dort können U-Bahn-Fahrer auf Car-Sharing umsteigen. Patrick Sun
Ab Juli dürfen Nutzer von Share Now, an HVV Switch Punkten — wie hier an den Elbbrücken — nicht mehr nutzen.
Der HVV-Switch-Punkt an den Elbbrücken. Dort können U-Bahn-Fahrer auf Car-Sharing umsteigen.

Christian Hieff vom ADAC Hamburg sieht den Effekt des Car-Sharings skeptischer. „Bisher scheint es so, als dass das Sharing-Auto eher als zusätzliches Mobilitätsangebot genutzt wird, also als Konkurrenz zur U-Bahn statt zum eigenen Auto“, sagt er der MOPO. Insgesamt sei der Alltag bei vielen Familien noch nicht ohne die Flexibilität des Autos zu bewältigen. „Denn der Fokus liegt im Moment zu sehr auf den zentrumsnahen Stadtteilen und zu wenig auf dem Gesamtbild Hamburgs.“ Die Verkehrswende sei nur mit einem starken ÖPNV zu meistern.

Auto in der Stadt: Warum hat man einen eigenen Wagen?

Trotzdem gibt es noch andere Gründe für ein Auto, die der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag auf dem Online-Portal der wissenschaftlichen Zeitschrift „Forschung und Lehre“ erläutert. „Vielen Menschen macht das Autofahren nach wie vor Spaß.“ Außerdem fühle man sich im Auto sicher, denn es wirke wie eine Art „Kokon“ und sei wie die Verlängerung des privaten Raumes.

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„Das Auto ist immer noch zu attraktiv“, meint Paul Schmid vom BUND Hamburg. „Man kommt gut durch die Stadt, muss nicht auf den Bus warten, die Straßen sind angenehm breit und Parkplätze oft kostenlos.“ Der Umweltverband fordert einen Rückbau der Straßen, um die Lebensqualität in der Stadt zu steigern. „Denn die Freiheit der Autofahrer geht auf Kosten anderer.“ Vor allem auf Kosten der Klimaziele: Hamburg will den Autoverkehr in zehn Jahren von aktuell 36 Prozent auf 20 Prozent herunterschrauben.

Hamburg: Immer weniger Autos fahren durch die Stadt

In der Verkehrsbehörde ist man trotz der steigenden Zahl der angemeldeten Fahrzeuge nicht beunruhigt, denn entscheidender seien die Verkehrszahlen, also wie viele Autos davon tatsächlich fahren. Diese seien in den vergangenen zwei Jahrzehnten um sieben Prozent gesunken, im City-Bereich sogar um 14 Prozent. „Die Verkehrsmessungen zeigen, dass die Nutzung des privaten Autos in Hamburg rückläufig ist. Trotzdem ist klar, dass die Alternativen noch weiter an Attraktivität gewinnen müssen“, heißt es aus der Behörde. Passieren soll das vor allem durch Digitalisierung, wie der HVV-Switch App. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne): „Wir werden in den kommenden 20 Jahren 36 neue Bahnhöfe bauen und so viele Radwege sanieren oder neu bauen wie nie zuvor“, sagt er der MOPO.

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Autofahren in Hamburg: CDU fordert Anreize statt Verbote

In der Hamburger CDU ist man zurückhaltender. „Wer wie Grün-Rot die Verkehrswende propagiert, muss diese auch mit Anreizen statt Verboten gestalten“, sagt der verkehrspolitische Sprecher Richard Seelmaecker. „Stattdessen setzt der Verkehrssenator auf die Vernichtung von Stellplätzen und Bewohnerparken und erhöht dann massiv die Parkplatzgebühren.“ Er fordert einen pünktlichen und bezahlbaren ÖPNV, kostenlose Park+Ride Anlagen und sichere Radwege.

Wer weiß, vielleicht werde ich mich in Zukunft tatsächlich von meinem Auto trennen. Ich muss sagen: Der erste Strafzettel, der vor ein paar Tagen ins Haus geflattert ist, könnte mir die Entscheidung durchaus erleichtern. Beim Fahren mit den Öffis wird man ja eher selten geblitzt …

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