Überraschend in Hamburgs Bürgerschaft: Mit diesen Politikern hat echt niemand gerechnet
Hamburg hat gewählt – allzu überraschend ist das Ergebnis allerdings nicht. Bereits vor der Wahl wurde in Umfragen deutlich, dass SPD und Grüne jeweils starke Ergebnisse erzielen würden, die CDU eine Klatsche kassieren und die FDP aus dem Parlament fliegen könnten. Dafür sorgen einige Kandidaten für Aha-Momente. Die MOPO zeigt, welche Politiker überraschend in die Bürgerschaft einziehen.
Hamburger SPD Mann rauscht von hinten nach vorne
Er hatte die wohl außergewöhnlichste Werbekampagne im Hamburger Wahlkampf – und das hat sich für Simon Kuchinke (SPD) voll bezahlt gemacht! Der 29-jährige Kellner hatte das bekannte Fritz-Kola-Design für seine Zwecke genutzt. Ein Clou, der ihn geradewegs in die Bürgerschaft gebracht hat.
Dabei waren seine Chancen gleich Null! Der junge Mann kandidierte schließlich auf dem aussichtslosen SPD-Listenplatz 59. Dass es am Ende doch für ihn reicht, verdankt er einem starken Wahlkampf-Team – und eben der überraschenden Kampagne.
Dazu hat er das Design der Fritz-Kola-Flaschen kopiert und leicht verändert: Er ersetzte die beiden Fritz-Freunde in dem Logo durch sein eigenes Portrait, tauschte den Markennamen durch seinen eigenen. Die Kampagne war wochenlang auf Litfaßsäulen zu sehen, dazu gab’s tausende Flyer, die in Bars und Kneipen verteilt wurde – mit Erfolg.
„Unfassbar! Es hat wirklich geklappt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer: Vielen vielen Dank!“, sagt Kuchinke, der sich nach eigenen Angaben unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen im Dienstleistungsbereich einsetzen will.
Hamburger CDU-Mann punktet mit Wahlkampf ohne Plakate
Damit hat in der CDU kaum einer gerechnet. Der Bezirksabgeordnete Sandro Kappe hat im Wahlkreis Bramfeld-Steilshoop ein Direktmandat geholt – obwohl er von seiner Partei nur auf Wahlkreislisten-Platz 5 aufgestellt worden war.
Vier CDU-Politiker waren vor ihm platziert, darunter der bisherige Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Kreuzmann. Der dürfte auf Listenplatz 1 fest mit dem Mandat gerechnet haben – eine parteiinterne Fehde hat ihm aber offenbar einige Sympathien und Stimmen gekostet.
Sandro Kappe spricht von einer „Diffarmierung“, die von dem Kreuzmann-Lager ausgegangen sein soll. Auch andere Parteimitglieder wunderten sich, dass Wahlhelfer von Kreuzmann im Wahlkampf verbal gegen Kappe mobil gemacht hatten. Geholfen hat das nicht – im Gegenteil. Im Landesvorstand gehen einige Mitglieder davon aus, dass ihm das Scharmützel den Wiedereinzug ins Landesparlament gekostet hat.
Sandro Kappe dürfte es egal sein, der Zollbeamte zieht nun in die Bürgerschaft ein – und kann sich schon jetzt voll und ganz darauf konzentrieren. „Ich habe meine Plakate bereits alle abgebaut. Ach ja – ich hatte ja auch keine auf der Straße“, sagt der 34-Jährige. Tatsächlich hat er wohl als einziger Kandidat auf Wahlwerbung dieser Art verzichtet. Der Umwelt zuliebe.
Hamburger Linken-Politikerin ist selbst in ihrer Partei unbekannt
Insa Tietjen? Der Name sorgt selbst bei Parteifreunden für Fragezeichen – dabei ist die 41-Jährige gerade in die Bürgerschaft eingezogen. Völlig überraschend holte sie ein Direktmandat im Wahlkreis Stellingen. Also dort, wo es für ihre Partei jahrelang nichts zu holen gab.
In dem Wahlkreis gibt‘s nämlich nur drei Direktmandate – und die machten in der Vergangenheit in der Regel SPD, Grüne und CDU unter sich aus. Jetzt jedoch kickt die Linke die Christdemokraten aus dem Wahlkreis! „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagt Ines Tiejen, die erst seit Sommer 2019 Mitglied ihrer Partei ist. Das nennt man dann wohl eine steile Partei-Karriere.
Für ihr Bürgerschaftsmandat will die Lehrerin – die in Schleswig-Holstein unterrichtet – beruflich ein wenig kürzer treten. Ihren Job will sie aber behalten. Für ihre Schüler, wie sie sagt. Politisch will sich die gebürtige Niedersächsin für Gerechtigkeit und Chancengleichheit unabhängig sozialer Herkunft stark machen.
Jugend-Power bei Hamburgs Grüne
Hamburgs Grüne haben bei der Wahl ein starkes Ergebnis geholt, keine Frage. Das gilt aber auch für die Grüne Jugend. Insgesamt fünf Politiker sitzen künftig für die Jugendorganisation der Öko-Partei in der Bürgerschaft. Das war so nicht zu erwarten.
Schließlich hatte sich alles auf das Spitzenduo Ivy Müller (23) und Rosa Domm (21) konzentriert. Wochenlang gab’s die beiden nur im Doppelpack zu sehen, ob auf Plakaten, auf Veranstaltungen oder in den sozialen Netzwerken. Dass beide bei einem starken Grünen-Wahlerfolg ins Landesparlament einziehen, war abzusehen. Für Gerrit Fuß (26), Sina Demirhan (25) und Linus Jünemann (26) galt das nicht – und doch sind auch sie dabei.
„Es ist ein unglaublicher Erfolg und eine echte Überraschung, dass wir direkt mit so vielen Personen in die Bürgerschaft einziehen konnten. Das macht uns sehr glücklich“, sagt Ivy Müller. Mit der Grünen Jugend gibt’s nun ordentlich Öko-Power im Parlament. „Wir sind natürlich Teil der Fridays-For-Future Generation“, so Müller. Man setze sich neben Klimagerechtigkeit aber auch für eine feministische, solidarische und inklusive Gesellschaft ein.