Senator: Keine neuen Einfamilienhäuser in Hamburg – „Privatauto passt nicht mehr“
Umweltsenator Jens Kerstan (Bündnis 90/Die Grünen) möchte langfristig eine andere Stadtplanung für Hamburg: Kürzere Wege, Wohnraum statt Büros und vor allem – keine neuen Einfamilienhäuser. Mit diesem Vorschlag stößt er auf Kritik.
Die Energiepreise steigen, die Wohnkosten explodieren. Trotzdem ist die Wohnfläche pro Wohnung und pro Kopf in Hamburg so hoch wie noch nie: Wie aus dem Statistischen Jahrbuch des Statistikamtes Nord hervorgeht, lag sie 2020 bei 40,2 Quadratmetern pro Einwohner:in und 76,2 Quadratmetern pro Wohnung. Umweltsenator Jens Kerstan ist das ein Dorn im Auge. Um die Klima- und Energiekrise zu bewältigen, würden neue Technologien alleine nicht ausreichen, sagt er im Interview mit dem „Abendblatt“. Und appelliert: „Wir müssen auch unseren Lebensstil ändern.“
Dazu gehöre eine grundsätzliche Umstrukturierung. Der Traum vom Eigenheim könnte dadurch für viele Hamburger:innen in weite Ferne rücken: Der Grünen-Politiker stellt infrage, „ob jeder Hamburger so viel Wohnfläche braucht“ und fordert, keine neuen Einzelhäuser mehr über die bereits bestehenden und geplanten hinaus zu bauen. Hamburg müsse langfristig anders planen. „Ich wohne zwar auch in einem Einfamilienhaus, das kann aber letztlich nicht die Zukunft der Stadt sein“, gibt er zu.
FDP-Abgeordneter Kruse: „Lasst den Menschen ihren Traum!“
Kritik gab es prompt von der FDP: Bundestagsabgeordneter Michael Kruse, der bis 2020 als wirtschaftspolitischer Sprecher für die FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft saß, bezeichnete Kerstans Äußerungen auf Twitter als „Schlag für jeden, der auf Eigentum spart“. Er fordert: „Lasst den Menschen ihren Traum!“.
Die Frage der Einfamilienhäuser beschäftigt die Hamburger Politik schon seit Langem. 10.000 neue Wohnungen möchte der Senat pro Jahr schaffen – dafür braucht es Fläche. Im Bezirk Nord haben Grüne und SPD deshalb bereits 2020 beschlossen, in Neubaugebieten keine Grundstücke für Einzelhäuser mehr auszuweisen. Ähnlich sieht es in den dicht besiedelten Bezirken Altona und Eimsbüttel aus.
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Senator Kerstan: „Das Privatauto in der Stadt passt nicht mehr“
Von einer Umstrukturierung der Stadt könnten Mensch und Klima laut Umweltsenator Kerstan in vielerlei Hinsicht profitieren: Auch Büroräume, die durch die Etablierung des Homeoffice nicht mehr genutzt werden, könnten in Wohnraum verwandelt werden. Wenn mehr Menschen im Zentrum wohnen, würden viele Fahrten entfallen. „Wir brauchen andere Formen der Mobilität, das Privatauto in der Stadt passt nicht mehr“, sagt der Grünen-Politiker außerdem in dem „Abendblatt“-Interview.
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Die Sanierung von bereits bestehenden Gebäuden ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt beim Klimaschutz – doch hier tut sich in Hamburg wenig. „Es macht mir Sorgen, dass hier große Fortschritte bisher nicht zu erkennen sind – wir warten immer noch auf die Machbarkeitsstudie der Stadtentwicklungsbehörde“, räumt der Umweltsenator ein. Dabei lohnt sich eine gute Dämmung in der aktuellen Situation doppelt: Nicht nur das Klima wird so geschont, sondern auch die Energiekosten werden gesenkt.