Veranstalter Uwe Afemann: Katerstimmung statt Feierlaune
Uwe Afemann, auch unter dem Künstlernamen Tito Risto bekannt, plant seit 15 Jahren Veranstaltungen im Freien und vermietet Veranstaltungstechnik über seine Firma „Elbrausch Equipment“. Der 44-Jährige ist eine der aktivsten Stimmen der Hamburger Clubszene – neben Tanzdemos rief er Ende 2020 auch das Projekt „Mein Club im Exil“ ins Leben, mit dem Corona-konforme Partys möglich wären. Im Interview mit der MOPO erklärt er, warum in Hamburg keiner draußen Partys veranstaltet und warum das aber dringend nötig wäre.
MOPO: Nach über einem Jahr Corona wollen viele wieder tanzen gehen, die Clubs haben unter den Einschränkungen aber mit am meisten gelitten. Warum sind Tanzveranstaltungen so wichtig?
Uwe Afemann: Die Pandemie hat gezeigt: Es geht nur noch um die Arbeit und nicht mehr um das persönliche Glück. Alles wird unter Verwertungsgesichtspunkten betrachtet. Wie unterrichte ich am effektivsten, wie spare ich Fixkosten, wie spare ich Zeit, wie schaffe ich alles. Tanzen macht glücklich, man kann kurz die Sorgen und Nöte des Alltags vergessen und diese Leichtigkeit mitnehmen. Wie heißt es noch in dem Hamburger Film „Absolute Giganten“: „Es müsste immer Musik da sein, und wenn es so richtig scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da.“
Das Bezirksamt Altona hat gerade dafür letzte Woche aktiv Freiflächen bei Veranstalter:innen beworben. Wie beurteilen Sie den Aufruf?
Der Aufruf zeigt zumindest den Willen, Veranstaltungen möglich zu machen. Leider sind die vorgeschlagenen Orte nicht für laute nächtliche Veranstaltungen geeignet.
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Wie gut sind denn die öffentlichen Flächen in Hamburg geeignet?
Prinzipiell gäbe es Flächen, aber wenn es den regulären Genehmigungsweg gehen soll, dann müsste erstmal unter anderem eine Schallemissionsprognose von einer sachverständigen Person der technischen Akustik für einen vierstelligen Betrag erstellt werden. Der Betrag ist ausgegeben, unabhängig davon, ob die Genehmigung erteilt wird oder nicht. Das muss man sich erstmal leisten können. Großveranstaltungen, bei denen man Geld zur Seite legen kann, sind bald zwei Jahre her, wenn ich mich recht erinnere.
Afemann: „Vorschläge des Senats sind weder bezahlbar noch rentabel“
Jedoch müssen selbst bei erteilter Genehmigung kostspielige Vorkehrungen getroffen werden, um sich an die 250-Personenbegrenzung zu halten und die Abstandsregeln zu überwachen oder zu gewährleisten. Auch der finanzielle Aufwand, um auch bei neuerlichen Änderungen weiterhin die Einhaltung der Corona-Eindämmungsverordnung sicherzustellen, ist nicht abschätzbar. Die Vorschläge des Senats sind schlicht nicht bezahlbar, geschweige denn rentabel und verfehlen den Adressatenkreis.
Was ist an der Umsetzung einer Tanzveranstaltung derzeit zusätzlich problematisch?
Schon der Umstand, dass man sein Glas unbeaufsichtigt auf dem Tisch stehen lassen soll, macht das Tanzengehen unattraktiv. Für die Veranstalter:innen sind es der zusätzliche Platz und Service-Aufwand, die unter den gegebenen Bedingungen keine wirtschaftlich attraktive Veranstaltung zulassen.
Wie müssten die Regelungen denn aussehen, damit Tanzpartys sinnvoll umgesetzt werden können?
Kein Verzehrzwang an Tischen. Keine Verantwortlichkeit der Veranstalter:innen zur Einhaltung der Mindestabstände, mehr Eigenverantwortung für die Gäste – zumindest während dieser Niedrig-Inzidenz-Zeit draußen.
Das größte Problem ist also der Umgang der Stadt mit Veranstaltern. Wo sehen Sie Verfehlungen?
Die Gesamtsituation lässt sich als politisches Versagen auf zahlreichen Ebenen beschreiben. Die spezielle Situation der Beschäftigten im Nachtleben ist völlig unzureichend berücksichtigt worden, so dass viele leer ausgegangen sind und sich komplett umorientieren mussten – statt auf der Bühne zu stehen, streichen sie nun Schnelltests ab. Die Clubs wurden bislang fast alle gerettet, wenn auch nicht, wie versprochen, unbürokratisch und schnell. Jedoch was in den Clubs stattgefunden hat, das blieb auf der Strecke – dafür war weder politischer Wille noch ein Bewusstsein vorhanden. Und bis heute fehlt dieses Bewusstsein, was sich in den wahnwitzigen Vorgaben für Tanzveranstaltungen wiederfindet.
„Bedürfnisse nach Leichtigkeit, Freude und Spaß kamen für den Senat völlig überraschend“
Es ist Anfang Juli und der Sommer und die Bedürfnisse nach Leichtigkeit, Freude und Spaß kamen für den Senat völlig überraschend und er reagiert mit Polizei-Einsätzen und Alkoholverboten. Auch der Bund hat es gerade erst vor wenigen Tagen geschafft, einen groben Plan für Großveranstaltungen vorzustellen. Und der Herbst ist nicht mehr weit.
Apropos Herbst. Wie geht es denn weiter, was ist Ihre Prognose für den Zeitraum bis nächsten Sommer?
Ich befürchte leider, dass wir selbst bei 80-prozentiger Durchimpfung die Clubs nicht werden öffnen können. Wie man aus anderen Ländern hört, schützt die Impfung nicht vor der Infektion, lediglich zu 95 Prozent vor einem schweren Verlauf, und ca. zehn Prozent erkranken dann an Long-Covid. Als Veranstalter:in hat man nicht nur Verantwortung für seine Gäste, sondern auch für seine Angestellten. Im Winter steigen die Infektionszahlen, und ich habe keine Lust auf eine Aerosol-Party mit Corona. Die UEFA kann sich organisierte Verantwortungslosigkeit leisten – wir wollen das nicht.
„Ich wünsche mir einen Runden Tisch und eine:n Nacht-Bürgermeister:in“
Was wünschen Sie sich also von der Stadt im Hinblick auf die kommenden Monate?
Einen Runden Tisch und mehr Sachverstand. Eine/n Nacht-Bürgermeister:in, die nicht die Clubs, sondern diesen nächtlichen Teil Hamburgs und seiner Bürger:innen gut vertritt und in die politische Entscheidungsfindung eingebunden ist.
Und jetzt gerade? Was wünschen Sie sich von der Stadt und den Bezirksämtern, um die aktuelle Situation zu verbessern?
Unterstützung, auch finanzielle, bei der Lokalisierung und Bereitstellung von geeigneten Flächen. Vereinfachte Genehmigungsverfahren, die den politischen Willen erkennen lassen, die Clubszene wieder zum Leben zu erwecken. Das jedoch unter gesicherten Rahmenbedingungen – also ganz wichtig: draußen –, die einen wirtschaftlichen Betrieb von Veranstaltungsorten zulassen.
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Generell wäre wünschenswert, wenn kleine, nur ganz kurzfristig anzuzeigende Open-Airs nach dem Bremer Modell grundsätzlich überall erlaubt würden, mit erweiterbaren Einschränkungen. Und es braucht grundsätzliche Lockerungen im Sinne von mehr Eigenverantwortung während dieser Niedrig-Inzidenz-Zeit.
Wie ist denn die aktuelle Situation der Hamburger Clubszene?
Ich war schon lange nicht mehr in einem Club. Die Clubs gibt es noch, die Szene… arbeitet im Impfzentrum, um über die Runden zu kommen. Die lauten Orte sind leise. Die Lage ist desolat.