Menschen sitzen vor Podium im Otto-Headquarter
  • Im April 2024 wurde das 100 Millionen Euro teure Otto-Headquarter in Bramfeld eröffnet
  • Foto: dpa | Christian Charisius

Zum Geburtstag Druck aus China: Versandriese Otto wird 75

„Otto Versand Hamburg!“ Aus dem Katalogriesen wurde das größte deutsche Online-Imperium – und das kämpft gegen die Billigkonkurrenz aus China. Zum Jubiläum fordert Otto die Politik auf, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem E-Commerce-Markt herzustellen.

Es gebe Anbieter auf neuen Marktplätzen, die sich nicht an grundlegende Regeln fairen Wettbewerbs hielten, sagte der Chef der Otto-Einzelgesellschaft Marc Opelt der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wünschen uns von der Politik und den Kontrollbehörden wie dem Zoll, diese Geschäftsmodelle stärker in den Blick zu nehmen.“

Gegründet wurde das Unternehmen als Versandhandel am 17. August 1949 von Werner Otto in Hamburg. Der Gründer Otto verstand, dass das Ende der Zwangswirtschaft nach dem Krieg den Konsum verändern sollte, und brachte einen Katalog auf den Markt. Das Geschäft florierte. In den Folgejahren blieb das Unternehmen am Zeitgeist. Gründersohn Michael Otto bekannte sich als Firmenchef zum Umweltschutz und setzte auf das Internet. Als 1995 der Internetboom in Deutschland einsetzte, öffnete das Unternehmen einen Onlineshop. Heute wird die Otto-Group aus einem 100 Millionen teuren neuen Hauptquartier in Bramfeld gesteuert.

Nummer zwei in Deutschland

Inzwischen beschäftigt das Firmenimperium Otto Group mehr als 38.000 Mitarbeiter, wie es im Geschäftsbericht heißt. In mehr als 30 Ländern sind 25 wesentliche Gesellschaften des Konzerns tätig. Darunter sind der Logistiker Hermes, der Online-Modehändler About You, die US-Möbelkette Crate and Barrel, das Modeunternehmen Bonprix und die Warenhäuser von Manufactum. Im zurückliegenden Geschäftsjahr erzielt die Gruppe einen Umsatz von 15 Milliarden Euro, und verbuchte einen Verlust von 426 Millionen Euro. 

Otto-Vorsitzender Marc Opelt dpa | Marcus Brandt
Mann mit Glatze und Brille in blauem Pullover
Otto-Vorsitzender Marc Opelt

Wichtigste Tochter der Gruppe ist die Einzelgesellschaft, die otto.de betreibt. Auf der Plattform verkauft das Unternehmen T-Shirts, veräußert Waschmaschinen und bietet Teppiche an. Zudem verdient Otto Geld mit Händlern, die die Reichweite des Marktplatzes nutzen. Mit rund 42 Millionen Besuchen war otto.de im Februar der am zweithäufigsten besuchte Onlineshop in Deutschland, wie das Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln herausgefunden hat. An der Spitze lag amazon.de mit etwa 310 Millionen Besuchen. 

Neue Lust am Sparen

Der gesamte Onlinehandel in Deutschland erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von geschätzt 85 Milliarden Euro, ein Prozent mehr als im Vorjahr. Für dieses Jahr rechnet der Handelsverband Deutschland (HDE) mit einem Plus von 3,4 Prozent. Vergleichsweise besser lief das Geschäft während der Corona-Pandemie, als Otto satte Gewinne erzielte. Inzwischen hält bei den Verbrauchern die Sparneigung an, wie ein Konsumbarometer des HDE belegt. Opelt sagt, Verbraucher gäben inzwischen durchschnittlich weniger Geld je Bestellung aus. Aber nicht allein das ist für das Unternehmen eine Herausforderung. 

Der Wettbewerb nimmt zu

Konkurrenten mit Verbindung nach China setzen Otto zunehmend unter Druck. 91 Prozent der Verbraucher kennen inzwischen Marktplätze mit asiatischen Waren wie Temu, Shein und Wish, wie eine Umfrage des IFH belegt. 43 Prozent nutzen sie. Die Werte liegen jeweils mehr als zehn Prozentpunkte höher als vor einem Jahr. Vor allem Temu, dessen Mutter PDD Holdings inzwischen in Irland sitzt, ist stark gewachsen. Im Februar verzeichnete temu.com in Deutschland rund 29 Millionen Besuche und lag hinter Otto auf Platz drei. Shein hat seinen Sitz mittlerweile in Singapur. 

Otto-Konkurrent: Bei der chinesischen Online-Plattform Temu gibt es unschlagbar billige Ware picture alliance / ZUMAPRESS.com
Handy-App des Anbieters Temu
Otto-Konkurrent: Bei der chinesischen Online-Plattform Temu gibt es unschlagbar billige Ware

Laut einer im Juli veröffentlichten Schätzung des Handelsverbands Textil Schuhe Lederwaren kauften die Deutschen im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Modeartikel und Schuhe bei Anbietern wie Shein und Temu. Die Anbieter nutzen vor allem Luftfracht. Produkte werden direkt vom Hersteller zum Kunden gebracht, was die Kosten senkt. Neue Anbieter mit Waren aus Asien wie Temu und Shein profilierten sich hierbei. Jeder Zweite gebe in Umfragen an, dort Produkte zu kaufen, die er oder sie sich sonst nicht leisten könne.

Verband beklagt „Wildwuchs“

Der HDE äußert sich besorgt. Fairer Wettbewerb sei für die Entwicklung des Onlinehandels wichtig, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Das ist vor allem im Konkurrenzkampf mit fernöstlichen Unternehmen wie Temu und Shein im Moment nicht gegeben.“

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Ein Teil der Waren halte EU-Vorgaben zu Produktsicherheit, Umweltschutz und Steuerrecht nicht ein. Es entstünden Gefahren für Verbraucher und Wettbewerbsverzerrungen. Genth fordert Bundesregierung und EU zum Handeln auf. „Wildwuchs und Wild-West im Onlinehandel müssen beendet werden.“ Temu teilt auf Anfrage mit, es sei selbstverständlich, dass man Gesetze und Vorschriften einhalte. In einer Stellungnahme äußert die Otto Group auch Anerkennung für die neue Konkurrenz. Diese sei technologisch sehr weit, beispielsweise bei KI, nutzte Gamification und sei schnell. Von den Wettbewerbern könne man lernen. „Und das tun wir.“ (dpa/mp)Redak

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