• Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg
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Von Politik leider keine Ahnung: Die schrägen Thesen des Uni-Präsidenten

KOMMENTAR –

Von Uni-Präsident Dieter Lenzen hat man seit dem Debakel um die „Studie“ zum Ursprung des Corona-Virus kaum was gehört. Jetzt meldet er sich mit einer Videobotschaft zu Wort – und offenbart ein zweifelhaftes Demokratieverständnis.

In bester Populistenmanier rechnet Lenzen mit „der Politik“ während der Pandemie ab. „Es wäre besonders hilfreich gewesen, wenn die Politik nicht mit Tausenden interessengeladenen Stimmen unterwegs gewesen wäre, sondern Maßnahmen nicht nur untereinander abgestimmt, sondern entsprechend dieser Abstimmung auch realisiert hätte“, sagt der Uni-Präsident. Das hätte „Menschenleben gekostet“ und ließe sich „nicht entschuldigen“.

Hamburgs Uni-Präsident: Von Politik leider keine Ahnung

Lenzen sollte eigentlich wissen, dass in einer föderalen Republik Länder unterschiedliche Ansichten vertreten und entsprechend Politik machen, wenn sie sich nicht einig sind. So wie in der Pandemie. Das unterscheidet den Föderalstaat vom Zentralstaat, den man 1949 in Deutschland nicht haben wollte und der sich auch in der Pandemie nicht bewährt hat. Diese „Eigenmächtigkeit“ ist von der Verfassung gewollt und hat nichts mit „Willkür“ zu tun, wie Lenzen auf MOPO-Nachfrage meint.

Was genau an Maßnahmen wann nötig gewesen wäre, sagt Lenzen nicht. Problematisch ist auch Lenzens Herabsetzung demokratischer Prozesse: Denn es gehört nun mal zum Wesen der Demokratie, „Tausende interessengeladene Stimmen“ zu beachten. Oder soll die Politik nur bestimmten Stimmen und Interessen folgen? Und wer legt diese dann fest? Auch dazu hat Lenzen irritierende Ansichten.

Lenzen will Politikern vorschreiben, welche Informationen sie nutzen

„Ohne überheblich wirken zu wollen: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wissen eben vieles besser als Politiker und Politikerinnen“, so der Uni-Chef.
Das mag sogar sein. Aber: Von Beginn der Pandemie bis zum Sinken der Zahlen vor einigen Wochen an lagen führende Wissenschaftler mit ihren Modellen, Prognosen und Einschätzungen teils dramatisch daneben, Gefahren wurden über- und unterschätzt, manches musste revidiert werden. Vor allem aber geht es in der Politik nicht nur um „besser wissen“, sondern vor allem darum, Kompromisse zu schmieden, Prioritäten zu setzen, Interessen auszugleichen und Rechte zu bewahren.

Doch Lenzen will noch mehr. Wir können es „nicht mehr Politikern und Politikerinnen überlassen zu entscheiden, welcher Expertise sie sich bedienen“, postuliert er. Das würde bedeuten, dass gewählte Abgeordnete nicht mehr selbst entscheiden, welche Informationen sie nutzen.

Bestimmt künftig eine Riege wohlsituierter alter Uni-Präsident:innen, wer was in diesem Land zur Entscheidungsfindung beitragen darf? Anstatt sich um die Politik zu kümmern, sollte Lenzen lieber schauen, dass seine Uni „exzellent“ bleibt.

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