Hamburger Senatorin will Aus für Mehrwertsteuer für Lebensmittel – deutliche Kritik
Angesichts steigender Preise setzt sich Hamburgs Justiz- und Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina für eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ein. Einen entsprechenden Vorschlag werde sie ihren Länderkolleginnen und -kollegen bei der Verbraucherschutzministerkonferenz kommende Woche in Weimar vorlegen, teilte die Grünen-Politikerin am Dienstag mit. Zuvor hatte der Sender NDR 90,3 darüber berichtet. Doch an dem Vorschlag gibt es Kritik.
Im Mittelpunkt der Hamburger Initiative stünden Lebensmittel wie Obst und Gemüse, die für eine ausgewogene Ernährung und eine nachhaltige Ernährungsweise wesentlich seien, hieß es. Außerdem sollen Hülsenfrüchte, Eier, Fisch, Getreide, Milchprodukte und pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten durch die Steuerentlastung billiger werden.
„Der russische Angriffskrieg verursacht nicht nur unermessliches Leid in der Ukraine, er macht auch das Leben in Deutschland teurer“, sagte Gallina. „Das trifft die Verbraucher:innen mit voller Wucht, vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.“ Hier sei es im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes geboten, „schnell, angemessen und wirksam“ gegenzusteuern. „Ich werbe dafür, die Umsatzsteuer auf Lebensmittel abzuschaffen. Eine ausgewogene Ernährung darf nicht an den Kosten scheitern“, sagte Gallina. Wichtig sei auch, dass eine Entlastung bei den Verbrauchern ankommt. Ziel der Hamburger Initiative sei es deshalb, dass darauf geachtet wird, dass der Handel die Preissenkungen ohne Abzüge an die Kunden weitergibt.
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Einen ähnlich lautenden Vorschlag hatte auch schon Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) in der „WamS“ gemacht: Er schlug die Streichung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte vor. „Profitieren würden davon vor allem die einkommensschwachen Haushalte. Außerdem würden wir zusätzlich einen Anreiz schaffen für eine gesündere Ernährung.“ Ihm sei jedoch klar, dass der Vorschlag „nicht bei allen Koalitionspartnern Begeisterungsstürme“ auslösen werde.
Der Handelsverband Nord kritisiert die Pläne. Es sei „die falsche Stellschraube“, um die aktuellen Probleme beim Preisanstieg in den Griff zu bekommen, so die Geschäftsführerin des Verbandes, Mareike Petersen. Der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mitverursachte Preisanstieg stelle vor allem Menschen mit geringen Einkommen vor große Schwierigkeiten. Dort müsse auch gezielt angesetzt werden. Die Bundesregierung solle die staatlichen Leistungen den gestiegenen Preisen anpassen „und gegebenenfalls bei ihrem Entlastungspaket entsprechend nachbessern“, sagte sie. „Das ist zielgenauer und hilft genau dort, wo es nötig ist. Das Mehrwertsteuerrecht in Deutschland ist schon kompliziert genug, weitere neue Differenzierungen führen in die Irre.“
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband Hamburg hält eine Abschaffung der Mehrwertsteuer für ungeeignet, den Preisanstieg bei Lebensmitteln für Einkommensschwache auszugleichen. „Eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel funktioniert gießkannenartig statt zielgerichtet“, sagte die Geschäftsführerin des Paritätischen Hamburg, Kristin Alheit. „Wer viel konsumiert, spart viel, wer wenig ausgibt – weil das Geld knapp ist – spart wenig ein.“ (dpa/mp)