Torsten Melzer lehnt mit verschränkten Armen an einem Baum.
  • Er kümmert sich um Hamburgs Bäume: Stadtbaum-Manager Torsten Melzer.
  • Foto: Patrick Sun

Wachsen in Hamburg bald nur noch Palmen?

Wer sich im Sommer in Hamburg durch die Stadt bewegt, egal ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto, hat fast überall ein grünes Dach über dem Kopf. Rund 224.000 Straßenbäume bilden Alleen, die sich wie grüne Adern kreuz und quer durch die Stadt ziehen. Doch diesen Adern droht der Infarkt: Der Klimawandel setzt unseren Bäumen stark zu. Viele Arten sind nicht geeignet, der zunehmenden Hitze und Trockenheit zu trotzden. Sie sterben – und werden nicht mehr nachgepflanzt. Wachsen in Hamburg bald nur noch Palmen?

Es ist gerade einmal 100 Jahre her, da war Hamburg eine Ulmen-Stadt. Die hohen Bäume mit den zackigen Blättern prägten das Stadtbild – bis aus den Niederlanden ein Pilz kam, der über den Ulmensplintkäfer verbreitet, Tausende Ulmen hinwegraffte. Heute dominieren Linde, Eiche, Platane, Ahorn und Hainbuche die Straßenränder der Hansestadt – noch.

Hamburg: Klimaveränderungen setzen den Straßenbäumen zu

„Die Klimaveränderungen sind für heimische Straßenbäume eine große Herausforderung“, sagt Torsten Melzer, Stadtbaum-Manager bei der Umweltbehörde und einer der besten Kenner der Baum-Szene in der Hansestadt. Die größten Stressfaktoren sind laut Melzer die steigenden Temperaturen und die damit einhergehende Trockenheit, die veränderte Niederschlagsverteilung, die höhere Strahlungsintensität und die Schadstoffbelastung in der Luft. Aber auch Bauarbeiten, die Verlegung von Leitungen, der Salzeinsatz im Winter und der Urin von Hunden setzen unseren Bäumen zu.

„Es gibt Bäume, die die Belastungen besser aushalten als andere“, erklärt Melzer. Grundsätzlich gelte: Je älter der Baum desto widerstandsfähiger. Umso wichtiger sei es, Altbäume zu schützen und Fällungen beispielsweise für Bauprojekte oder Mobilitätsmaßnahmen zu verhindern. 13.500 Bäume gibt es in Hamburg, die über 100 Jahre alt sind. Doch ihr Schutz allein reicht nicht mehr. Bei Nachpflanzungen hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden. Die Rosskastanie, wegen ihrer Früchte beliebt bei Kindern wie Erwachsenen, wird wegen einer Erkrankung beispielsweise nicht mehr gepflanzt. Besonders die rotblühende Art scheint machtlos gegen ein eingeschlepptes Bakterium und wird wohl langsam aber sicher aus dem Stadtbild verschwinden.

Nichtheimische Baumarten sollen die Vegetation in Hamburg retten

„Andere Baumarten, die hier bisher nicht heimisch waren, sind voraussichtlich besser geeignet, dem Klimawandel standzuhalten“, so Melzer. Dazu gehört beispielsweise der Amberbaum, der eigentlich in Nordamerika zu Hause ist. „Die Amber hat sich in Tests hervorragend als Klimabaum bewiesen und wird nun an passenden Standorten gepflanzt“, sagt Melzer. Doch die Amber allein ist auch nicht die Rettung. Schließlich könnte auch sie eines Tages von einem bisher noch nicht bekannten Schädling befallen werden und sterben.

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„Wir brauchen eine größtmögliche Artenvielfalt“, betont Torsten Melzer. „Baumbestände mit hoher Vielfalt haben eine höhere Resilienz als Monokulturen.“ Deshalb werden neben dem Amberbaum nun auch Hopfenbuchen, Zerreichen, resistente Ulmenzüchtungen, Grüneschen sowie weitere aussichtsreiche Baumarten in Hamburgs Erde gesetzt – Bäume, die an die veränderten Bedingungen besser angepasst sind. 

Der Amberbaum kommt eigentlich aus Nordamerika. In Hamburg wird er nun als Klimabaum gepflanzt. Torsten Melzer/hfr
Ein Amberbaum.
Der Amberbaum kommt eigentlich aus Nordamerika. In Hamburg wird er nun als Klimabaum gepflanzt.

An der Universität läuft aktuell zudem das Projekt „Bodensubstrat und Baumartenwahl für klimaangepasste Stadtbaumpflanzungen“ – kurz Bobast. Im Zuge des Projekts wird untersucht, wie gut sich Sprösslinge an die Trockenheit anpassen und welches Bodensubstrat am besten geeignet ist. Praxisorientierte Langzeituntersuchungen sollen fundierte Aussagen über die Eignung der Zukunftsbaumarten im Straßenraum ermöglichen. Als Teilnehmerstadt der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz stehen daher in Hamburg aktuell 25 Baumsorten unter genauer Beobachtung.

Bäume sorgen für Schatten und Abkühlung. Sie binden CO2 und produzieren Sauerstoff

Unser grünes Dach – es muss erhalten bleiben. Es sorgt für Schatten und Abkühlung. Es bindet C02 und produziert den Sauerstoff, den wir zum Atmen, zum Leben brauchen. Aus welchen Bäumen es aber in 100 Jahren zusammengesetzt sein wird, ob es eher Amberbäume oder dann doch Palmen sind, lässt sich noch nicht vorhersagen. Melzer: „Wie die etablierten Straßenbaumarten auf die zukünftige klimatische Situation reagieren, das ist ein Blick in die Glaskugel.“

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