• Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hält die Formulierung der zweiten Welle für gefährlich: er schüre irrationale Ängste in der Bevölkerung. 
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Warum der Begriff gefährlich ist : Virologe will nicht von „zweiter Welle“ sprechen

Die Ferien neigen sich in den meisten Bundesländern dem Ende zu, Urlauber kehren zurück – und mit ihnen das Coronavirus. Viele Menschen fürchten sich vor einer so genannten zweiten Welle der Pandemie. Genau deshalb findet Virologe Jonas Schmidt-Chanasit die Verwendung des Begriffes gefährlich.

In der neuen Folge des Podcasts „Das Politikteil“ von „Zeit Online“ schildert der Virologe seine Sicht auf die Entwicklung der Pandemie. Normalerweise erforscht Schmidt-Chanasit andere Viren: Im Urwald beschäftigt er sich mit dem Dengue- oder Zika-Virus. Im Laufe des Jahres wurde er jedoch zu einer immer wichtigeren Stimme mit Blick auf das Coronavirus.

Virologe über Corona-Begriff: „Das schürt bloß irrationale Ängste“

Und genau das beschäftigt nach wie vor alle Menschen. Besonders mit den wieder steigenden Infektionszahlen macht sich auch die Angst vor dem Virus wieder breit. Doch Schmidt-Chanasit hält die Rede von einer zweiten Welle für gefährlich.

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Im Gespräch mit „Zeit Online“ erklärt er, dass der Begriff der zweiten Welle gar nicht klar für das Coronavirus definiert ist und nur aus der Rückschau angewendet werden könne. Vor allem aber schüre die Bezeichnung irrationale Ängste in der Bevölkerung.

Virologe rät dringend: Weiterhin AHA-Regeln einhalten

Für ihn ist es wichtig, zwischen virologischer Sicht und realistisch-sozialer Sicht zu unterscheiden. Auch wenn die Entwicklung des Virus für das Robert-Koch-Institut (RKI) beängstigend ist, müssten nun erst die Entscheidungen der Politik abgewartet werden. Er weist dennoch ausdrücklich darauf hin, die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene und Alltagsmaske) weiterhin zu befolgen.

„Die Frage ist jetzt, ob sich das auf einem stabilen Niveau einpendelt, oder ob das ein Trend ist und ins exponentielle Wachstum übergeht“, sagt der Virologe über den Anstieg der Infektionszahlen.

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Die Corona-Maßnahmen betrachtet er auch aus Sicht der Bevölkerung: „Der bloße Blick nur durch die virologisch-epidemiologische Brille ist falsch, man muss gleichzeitig die Grundrechte beachten“. Es liege nun an den Gesundheitsämtern und teils an der Politik, realistische und praktikable Konzepte zu erstellen. Es bestehe schließlich trotz allem ein Recht auf Bildung und „ohne Wirtschaft könnten wir uns das Gesundheitssystem so gar nicht leisten“.

Jonas Schmidt-Chanasit: Realistische Konzepte für alle Bevölkerungsebenen sind wichtig

Damit spricht der Virologe wohl vielen aus der Seele – in den letzten Monaten wurden immer mehr Proteste gegen die Maßnahmen laut. „Aus virologischer Sicht fände ich es natürlich gut, wenn jeder, der irgendein Symptom hat, getestet wird, aber das ist realistisch nicht machbar“, so Schmidt-Chanasit.

Virologe fordert: Politik soll stetig Ziele setzen

Aus diesem Grund seien realistische Konzepte und eine ständige Zielsetzung durch die Politik so wichtig. Wenn es keine Ziele gibt, gebe es mehr Unsicherheiten, die dann wie in den vergangenen Wochen auch zu Demonstrationen führen könnten, so der Experte.

Ob es im nächsten Jahr schon einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird, sei aber noch abzuwarten. Schmidt-Chanasit bezweifelt zwar nicht, dass es eine Impfung geben wird, „die Frage ist aber: Wie wirksam ist diese und wird das für uns überhaupt verfügbar sein?“. Daher sei das Einhalten der Basis-Hygiene-Regeln auch weiterhin so wichtig. (se)

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