Was die Arbeit dieser Hamburger Hebammen so besonders und wichtig macht
Charlotte Lindig (30) und Leonie Macdonald (29) aus Hamburg begleiten Menschen durch die Schwangerschaft – und haben sich dabei auf queere Familien spezialisiert. Was ihre Arbeit so wichtig macht. Und was sie von der anderer Hebammen unterscheidet.
Wenn man Charlotte Lindig und Leonie Macdonald fragt, weshalb sie Hebammen geworden sind, dann entschuldigen sie sich vorab erstmal: „Ohh, das könnte jetzt eine sehr lange Antwort werden“, sagt Lindig und lacht. „Dieser Beruf hat einfach eine so große Sinnhaftigkeit.“ Hebamme sein – das sei ein großes Privileg, sagen beide: Begleiten zu dürfen, wenn neues Leben wächst, unterstützend dabei sein in dieser wahnsinnig abgedrehten Zeit im Leben zweier, bald dreier (oder noch mehrerer) Menschen.
Halt geben, Ängste nehmen, da sein: Das ist wohl für die meisten Hebammen Teil des Berufs und Berufung gleichermaßen. Für Charlotte Lindig und Leonie Macdonald hat die Fürsorge noch eine weitere Ebene: Mit ihrem „Queerfeministischen Hebammenkollektiv“ stützen sie Menschen, die anderswo auf dem Weg zur Familie anecken.
Menschen, die von bestimmten Kinderwunsch-Kliniken abgelehnt wurden, weil sie homo oder trans sind. Menschen, die bei der ersten Geburt im Kreißsaal Ablehnung und Ekel gespürt haben, weil sie aus Sicht des Pflegepersonals nicht dem „klassischen Familienbild“ entsprechen. Menschen, die wissen, dass ihnen die bürokratischen Mühlen der Stiefkindadoption bevorstehen – wo dann am Ende schlussendlich ein:e Richter:in über das rein formale Eltern-sein oder -nicht-sein entscheidet.
„Eine Schwangerschaft ist ja sowieso schon ein krasser Prozess, für alle, die Eltern werden“, sagt Charlotte Lindig. Wenn dann noch Diskriminierung hinzukomme, sei es noch wichtiger, besonders sensibel und achtsam zu sein.
„Wir wollten das einfach anders, besser machen“
Genau das haben sich Lindig und Macdonald zum Ziel gemacht. Bevor sich die beiden vor zweieinhalb Jahren zusammenschlossen, waren sie bereits einige Jahre als Hebammen tätig. „Da haben wir schon bemerkt, wie Menschen, die sich nicht in das klassische Bild einsortieren, auf dem Weg zum Kind ausgeschlossen oder diskriminiert werden“, sagt Leonie Macdonald. Die lesbische Co-Mutter, die bei der Ärztin erstmal gefragt wird, ob sie die Schwester sei, die nur so mitgekommen sei zum Termin. Oder die trans Person, die beim Beratungsgespräch mit dem Wissen allein gelassen wird, dass – erfolgter Personenstandsänderung zum Trotz – in der Geburtsurkunde ihr Deadname (also ihr weiblicher Name vor der Transition) landen wird.
„Wir wollten das einfach anders, besser machen“, sagt Charlotte Lindig. Die beiden Freundinnen schlossen sich zusammen, betreuen seitdem queere Familien in deren Zuhause und in einer gemeinschaftlich genutzten Hebammenpraxis an der Amandastraße in Eimsbüttel.
Was unterscheidet das Kollektiv der beiden von „normalen“ Hebammen? „Dadurch, dass wir uns explizit auf die Begleitung queerer Menschen konzentrieren, schaffen wir natürlich einen ganz anderen Raum“, erklärt Lindig. „Menschen geraten schnell in Rechtfertigungsmuster – die braucht es bei uns nicht. Unsere Klient:innen können sich ganz anders öffnen und wir gehen darauf ein.“ Macdonald ergänzt: „Wir sind da, um Probleme aufzufangen. Und das sollen die werdenden Eltern auch spüren.“
Geburtsvorbereitungskurse speziell für queere Menschen
Lindig und Macdonald beraten schon beim Kinderwunsch, sprechen auch über möglicherweise anderswo schambehaftete Themen wie die selbstgemachte Insemination zur künstlichen Befruchtung. Sie bieten – neben der regulären Schwangerschaftsbegleitung – auch Hausgeburten an, für die, die sich im Krankenhaus unwohl fühlen.
Weiterer wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit: Geburtsvorbereitungskurse speziell für queere Menschen. Bei den Seminaren werden auch rechtliche Aspekte oder Themen wie das Co-Stillen angesprochen: Davon ist die Rede, wenn beispielsweise ein lesbisches Paar den Wunsch hat, dass beide Mütter stillen. Bei der nicht-gebärenden Mutter wird dann versucht, die Milchproduktion mechanisch und medikamentös anzuregen.
Auch bei den Geburtsvorbereitungskursen spielt der besondere Raum, die Möglichkeit zum Austausch mit anderen queeren Paaren, eine zentrale Rolle: „Viele, die zu uns kommen, sind die einzigen schwangeren, queeren Paare im Freundeskreis – da tut der offene Austausch mit anderen einfach gut“, sagt Lindig.
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Da entstünden mitunter Freundschaften – „und natürlich auch die üblichen Whatsapp-Gruppen, in denen sich dann später über die klassischen Fragen ausgetauscht wird: ‚Ist die Kacke von deinem Baby auch gerade Grün?‘“ Der ganz normale Baby-Wahnsinn eben.
Ganz normaler Bestandteil des Hebammengeschäfts seien queere Paare noch längst nicht, auch die Ausbildung sei noch zu sehr am Frau-Mann-Kind-Rollenbild orientiert und lasse ansonsten wenig Raum. Aber es passiere auch anderswo was, außerhalb ihres Kollektivs, sagt Charlotte Lindig: „Immer mehr junge Hebammen haben auf dem Schirm, dass Eltern sein nicht nur was für Heteros ist und immer mehr queer geoutete Menschen ergreifen den Job – und das ist toll!“