Wegen Millionenförderung von Bill Gates: Hamburger Top-Anwalt greift den „Spiegel“ an
Gerhard Strate (70), einer der bekanntesten deutschen Strafverteidiger, wirft dem „Spiegel“ vor, alle Kritiker der Corona-Maßnahmen pauschal als Verschwörungstheoretiker zu diffamieren. Hintergrund sei eine Millionenförderung der Bill-Gates-Stiftung, argwöhnt der Hamburger Top-Jurist in einem Gastbeitrag für das konservative Debatten-Magazin „Cicero“ – und driftet dabei selber ins Verschwörungstheoretische.
Ein Spiegel-Artikel, der online unter der Überschrift „Die unheimliche Macht der Verschwörungstheoretiker“ erschien, hatte Strates Unwillen erregt. Die Reporter, so sein Vorwurf, würden sich den berechtigten Protesten gegen die Corona-Einschränkungen „nur mit Häme“ widmen. Mit Xavier Naidoo, Ken Jebsen und Attila Hildmann (Spiegel: „Paranoia-Promis“) habe das Magazin „besonders schillernde Theorien und klingende Namen“ herausgegriffen, um „den Protest von zigtausender namenloser Bürger auf maximal beleidigende Weise zu marginalisieren.“
Gerhard Strate zu den Millionen der Bill-Gates-Stiftung
Den Grund für die angebliche Unterschlagung „zigtausender namenloser Bürger“ meint Strate in einer Zuwendung in Höhe von 2,5 Millionen Dollar (2,3 Millionen Euro) auszumachen, die der „Spiegel“ im vergangenen Jahr unstrittig von der Bill-Gates-Stiftung erhalten hat. Das Geld ist zweckgebunden: Gefördert wird damit über drei Jahre das journalistische Projekt „Globale Gesellschaft“, mit dem Ziel, über soziale Unterschiede auf der ganzen Welt zu berichten.
Strate behauptet im „Cicero“, dass von den Gates-Millionen bisher nur „neun kleine Reportagen“ erstellt wurden, alle in den vergangenen drei Wochen: „So, als hätte gegenüber dem Auftraggeber eine Deadline eingehalten werden müssen.“
Top-Anwalt Strate attackiert den Spiegel
Kaum verhüllt deutet der Top-Jurist damit an, Bill Gates habe die Corona-Berichterstattung in Deutschlands größtem Nachrichtenmagazin dank seiner Millionen unter seine Kontrolle gebracht und bestimme nun, wie etwa über Impfgegner berichtet werde. Damit spielt Strate, Ehrendoktor der Uni Rostock und bekannt für seinen juristischen Scharfsinn, auf derselben Klaviatur wie zahllose Verschwörungstheoretiker, die überzeugt sind, dass der Microsoft-Gründer nach der Weltherrschaft strebe.
Attila Hildmann, Vegan-Koch und neuerdings selbsternannter Untergrundkämpfer gegen die finsteren Mächte, postete etwa auf Facebook: „Gates will über die nationalen Regierungen eine globale Gesundheitsdiktatur errichten!“
Gerhard Strate hantiert mit falschen Zahlen
Das Problem: Strate hat keinerlei konkrete Beweise für eine Einflussnahme der Stiftung auf die Coronaberichterstattung des Spiegel und hantiert auch noch mit falschen Zahlen. Tatsächlich veröffentlichte der Spiegel seit April 2019 rund 300 Reportagen aus aller Welt, gefördert durch die Stiftung, wie unter jedem Artikel transparent erklärt wird. Statt der von Strate unterstellten „neun kleinen Reportagen in drei Wochen“, erscheinen also seit einem guten Jahr wöchentlich fünf bis sieben Texte.
Auch die Anschuldigung, der Spiegel verunglimpfe pauschal Protestler gegen die Coronamaßnahmen, trifft nicht zu. In dem Artikel werden neben „Paranoiden, Impfgegnern und Rechtsextremisten“ auch„ Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen aus ganz anderen Ecken“ erwähnt: „Überforderte Alleinerziehende, Restaurantbesitzer in Geldnöten.“
Zu einer Stellungnahme war Gerhard Strate für die MOPO am Montag nicht zu erreichen.
UPDATE: In einer früheren Version des Artikels war von einer „Millionenspende“ der Bill-Gates-Stiftung an das Magazin die Rede. Der Spiegel weist jedoch zu Recht daraufhin, dass es sich bei der Zuwendung um eine projektgebundene Förderung handelt.