Hamburgs oberster Impfarzt: So kriegen wir auch die Skeptiker
Mehr Freiheiten, Gutscheine oder der Piks ohne Termin? Bundesweit zögern manche Menschen noch mit der Impfung – so auch in Hamburg. Die Frage, wie man diese Leute erreichen kann, beschäftigt Wissenschaft und Politik. Denn mindestens 85 Prozent der Deutschen müssen laut des Robert-Koch-Instituts vollständig geimpft sein, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Dr. Dirk Heinrich, Hamburgs oberster Impfarzt, hat eine Idee.
Noch zu Beginn der Impfkampagne machten sich mobile Impfteams in Hamburg auf in die Seniorenheime und zu Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Obdachlose wurden mit Impfmobilen an zentralen Plätzen aufgesucht. In einem Pilotprojekt erhielten Leistungsempfängern:innen im Jobcenter Wilhelmsburg Impfungen angeboten. Jeder sollte mitgenommen werden, trotzdem fehlen aktuell noch ein paar wichtige Prozent.
Herdenimmunität: So viele Impfungen fehlen noch
Im Hinblick auf die ansteckendere Delta-Variante, präzisierte das RKI seine Zahlen. Um eine Herdenimmunität zu erreichen, sollten mindestens 85 Prozent der zwölf- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Menschen ab 60 Jahren vollständig geimpft sein. Bundesweit liegen die Zahlen bisher deutlich darunter. In Hamburg sind Menschen ab 60 Jahren beispielsweise erst zu etwa 65 Prozent vollständig geimpft.
Leiter des Hamburger Impfzentrums erklärt die Lage
Der Leiter des Hamburger Impfzentrums, Dr. Dirk Heinrich, rechnet im „Deutschlandfunk“ vor, wie viel Prozent der Bevölkerung noch für eine Herdenimmunität fehlen. Etwa 70 Prozent aller Hamburger:innen habe man „in der Tasche“, wenn man alle Erstimpfungen (57 Prozent) und die noch anstehenden Termine (zehn bis zwölf Prozent) zusammenzählt. „Kinder unter zwölf werden nicht mitgeimpft, das sind nochmal etwa zehn Prozent der Bevölkerung“, so Heinrich. Letztendlich blieben zehn Prozent der Bevölkerung übrig, die potentiell noch geimpft werden müssten.
Impfskepsis: Forscher suchen nach Anreizen
Über diese Gruppe wird jetzt bundesweit diskutiert: Wie können auch diejenigen erreicht werden, die zögern, grundsätzlich, aber bereit sind sich impfen zu lassen? Ein Forscherteam der Berliner Humbold-Universität hat untersucht, welche von drei möglichen Strategien den höchsten Einfluss auf die Impfbereitschaft hat. Zur Auswahl standen: Mehr Freiheiten nach der Impfung, eine finanzielle Belohnung oder die Impfung beim Hausarzt. Heraus kam, dass alle drei die Bereitschaft für eine Impfung um etwa fünf Prozent erhöhen können.
Das könnte Sie auch interessieren: Corona-Tests, Luftfilter, Impfungen: Wie geht es an Hamburgs Schulen weiter?
Unter den älteren Befragten war vor allem das Impfen beim Hausarzt ein entscheidender Faktor, bei den Jüngeren waren mehr Freiheiten das beste Argument. Finanzielle Anreize funktionierten bei allen Befragten, wenn der Betrag ausreichend hoch war. 25 Euro waren noch zu wenig, als ausreichend erwies sich erst der doppelte Betrag.
Dr. Dirk Heinrich für Impfungen ohne Termin
Dr. Heinrich, der seine Praxis in Billstedt hat, nennt als einen weiteren Faktor im „Deutschlandfunk“ die Sprachbarrieren. „Ich glaube, es geht um Aufklärung für Menschen mit Migrationshintergrund, für Menschen in den sozial schwächeren Stadtteilen. Da muss man hin, da muss man aufklären“, so Heinrich. Von „Belohnungen“ fürs Impfen wie Gutscheinen halte er nicht viel und mehr Freiheiten könne es erst geben, wenn eine ausreichende Immunität in der Bevölkerung erreicht sei.
Das könnte Sie auch interessieren: Kreuzimpfung und Doppel-Bucher: So ist die Corona-Lage in Hamburg
Der Leiter des Impfzentrums könne sich hingegen vorstellen, dass es nach der Phase der Zweitimpfungen auch eine „offene Tür“ ohne Termin gibt. Mehrere Städte bieten das tatsächlich schon an, zum Beispiel im Nachbarland Schleswig-Holstein. Dort wird seit einigen Wochen auf niedrigschwellige Impfangebote gesetzt. Mobile Teams werden zu Erntehelfer:innen geschickt oder es werden „Quartiersimpfungen“ in Wohnvierteln angeboten.
Hamburg plant nächste Schritte der Impfkampagne
Auch in Hamburg sollen nun mobile Teams zum Einsatz kommen. Ab Ende Juli werden in Jobcentern Impf-Termine für bis zu 40.000 Sozialleistungsbezieher:innen bereit stehen. Parallel sind laut der Sozialbehörde Impfangebote in Bürgerhäusern und in weiteren Schritten in Elternschulen, Kirchen und Moscheen geplant.
Vollkommen „spontane“ Impfaktionen wie auf Marktplätzen würden in Hamburg derzeit nicht geplant. „Bei unseren Angeboten soll ein würdiger Rahmen bestehen und eine angemessene Anamnese, Aufklärung und Dokumentation erfolgen – insbesondere auch, um die Durchführung der Zweitimpfung sicherzustellen“, sagte ein Sprecher der Behörde. Auch Prämien fürs Impfen-Lassen seien derzeit nicht vorgesehen.