Zahlen aus der 2. Welle: Chef der UKE-Rechtsmedizin über Hamburger Corona-Tote
Die Zahl der Corona-Infektionen auch bei jüngeren Menschen nimmt zu. Die Zahl der Todesfälle steigt ebenfalls, doch das Durchschnittsalter der Verstorbenen bleibt hoch. Nach Einschätzung des UKE-Rechtsmediziners Professor Benjamin Ondruschka deutet das auf medizinische Fortschritte hin.
Trotz zahlreicher Neuinfektionen auch bei jüngeren Menschen ist das Durchschnittsalter der in Hamburg an Corona gestorbenen Patienten nicht gesunken. „Die verstorbenen Personen sind im Median 82 Jahre alt“, sagte der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin, Prof. Benjamin Ondruschka (36). Das Institut habe bislang bei 452 Toten eindeutig eine Covid-19-Erkrankung als Todesursache festgestellt. Der älteste untersuchte Todesfall sei eine 100 Jahre alte Person gewesen. Die meisten Sterbefälle gebe es in der Altersgruppe der 80- bis 90-Jährigen. Es seien deutlich mehr Männer als Frauen an der Virusinfektion gestorben.
Hamburger Corona-Tote meist über 80 Jahre alt
In der zweiten Welle hätten sich vor allem auch zahlreiche Menschen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren mit dem Coronavirus angesteckt. Im Alter unter 50 seien aber seit Beginn der Pandemie in Hamburg bisher nur vier Männer und drei Frauen gestorben. „An dem Sterbefall-Kollektiv, von der Altersstruktur her, hat sich im Prinzip zur ersten Welle im Frühjahr nichts geändert“, sagte Ondruschka.
Der Rechtsmediziner schließt daraus, dass sich die medizinische Behandlung der Patienten verbessert hat, auch dank der Erkenntnisse aus den Obduktionen. Entzündungshemmer wie Dexamethason oder blutverdünnende Medikamente seien hilfreich. Anfangs seien viele Covid-19-Patienten an Blutgerinnseln und Embolien gestorben, das komme jetzt seltener vor.
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UKE: Corona-Tote mit Vorerkrankungen
Die allermeisten Verstorbenen hätten Vorerkrankungen gehabt. Zum charakteristischen Risikoprofil gehören nach Angaben des Rechtsmediziners Herz- und Gefäßerkrankungen, Diabetes und Übergewicht. Es sei allerdings nicht ungewöhnlich, dass Menschen im Alter zwischen 80 und 90 Jahren derartige Vorerkrankungen hätten. Damit seien sie aber „nicht gleich dem Tode geweiht“. Die zum Tod führende Erkrankung habe in den untersuchten Fällen mit der Corona-Infektion begonnen.
Nur in Einzelfällen seien jüngere Menschen mit nur gering ausgeprägten Vorerkrankungen an Covid-19 gestorben. „Das sind aber wirklich bisher in den Sterbefällen Ausnahmen“, betonte Ondruschka.
UKE untersucht alle Hamburger Corona-Toten
Auf diese Fälle will sich sein Team im kommenden Jahr konzentrieren. In diesem Jahr sollen noch alle von den Hamburger Gesundheitsämtern gemeldeten Sterbefälle im Zusammenhang mit Corona evaluiert werden. Auch bei allen anderen Toten, die ins Institut für Rechtsmedizin gebracht werden, wird standardisiert ein Abstrich gemacht, um potenziell bis nach dem Tod unerkannt gebliebene Fälle aufzudecken.
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Hamburg: Obduktionen der Covid-19-Toten im UKE
Mehr als 50 Prozent der Corona-Sterbefälle können die Hamburger Rechtsmediziner im Institut selbst untersuchen, weil die Hinterbliebenen dazu ihre Einwilligung geben. „Das ist eine überdurchschnittlich hohe Zustimmungsquote“, sagte Ondruschka, für die er den Angehörigen der Verstorbenen sehr dankbar sei. Neben den klassischen Obduktionen mit Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle könnten die Rechtsmediziner auch eine minimal-invasive Autopsie durchführen oder die Verstorbenen mit einem Ultraschall oder einer Computer-Tomographie untersuchen.
Corona-Tote in Hamburg: Zahl des RKI ist höher
Das Robert Koch-Institut gibt für Hamburg eine höhere Zahl von Corona-Toten an (Samstag, 19. Dezember: 528). Doch die Untersuchungen in seinem Institut zeigten, dass gut fünf Prozent der von den Gesundheitsämtern erfassten Corona-Toten tatsächlich aus anderen Gründen gestorben seien, etwa an Herzinfarkten, Hirnblutungen oder einer Lebererkrankung infolge von Alkoholmissbrauch. Die Hamburger Untersuchungen seien in Europa und nach seiner Kenntnis auch weltweit einzigartig. „In dieser Gründlichkeit passiert das nirgendwo anders als in Hamburg“, sagte Ondruschka, der das Institut für Rechtsmedizin seit dem 1. Oktober leitet.