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Zoff um Corona-Gästelisten in Lokalen: Polizei bedient sich – was ist mit Datenschutz?

Wer in Zeiten von Corona essen geht, muss seine Daten in eine Gästeliste eintragen. Eigentlich sorgt der Datenschutz dafür, dass nur die örtlichen Gesundheitsämter im Fall eines Corona-Ausbruchs diese Informationen einsehen können. Doch in mehreren Bundesländern – darunter Hamburg – hat die Polizei bei der Strafverfolgung auf Daten zurückgegriffen. Es hagelt Kritik: In Hamburg, so sagt FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein, werde die Möglichkeit missbraucht. Doch wann greift die Polizei überhaupt zu?

In einem Fall Ende Juni im Park Planten un Blomen habe ein Mann mehrere Menschen mit einem Messer bedroht, wie ein Polizeisprecher mitteilte. 13 versuchte gefährliche Körperverletzungen seien gezählt worden, bei denen aber niemand verletzt worden sei. Bei der Verfolgung hätten Zeugen in einem Lokal wichtige Hinweise gegeben, wohin der Mann weggelaufen sei. Als Beamten später zu dem Lokal zurückkamen, um von den Zeugen mehr zu erfahren, seien sie nicht mehr da gewesen. Die Polizei gelang über die Gästeliste an die Zeugen. Dank ihnen sei die Festnahme gelungen, so der Sprecher weiter. „Es stand eine Straftat von besonderer Bedeutung im Raume“, so der Polizeisprecher.

Kein Einzelfall: Polizei greift öfters auf Daten der Corona-Gästelisten zu

Bislang hat die Hamburger Polizei in fünf bekannten Fällen auf Kontaktdaten von Corona-Gästelisten in Restaurants zugegriffen. „In vier Fällen handelte es sich dabei um strafrechtliche Ermittlungen durch die Kriminalpolizei und in einem Fall um Ermittlungen der Verkehrsdirektion zu einem Verkehrsunfall“, hieß es auf Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein. Das seien die bekannten Fälle, denn die Polizei erhebe die Zahl nicht statistisch. „Rot-Grün zeigt alarmierendes Fehlverhalten im Umgang mit den Corona-Gästelisten“, kritisierte Treuenfels-Frowein.

Treuenfels-Frowein kritisiert Sonderrecht für die Polizei

„Das widerspricht dem von Tschentscher, Grote & Co in Anspruch genommenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, erklärte Treuenfels-Frowein. „Es wird bei Gastwirten wie Gästen das Vertrauen in die Nutzung der Gästelisten mindern.“ Doch die Polizei habe hier ein Sonderrecht. Die Hamburgische Corona-Eindämmungsverordnung erlaube in gewichtigen Einzelfällen, die Gästelisten bei Ermittlungen zu nutzen, wie der Senat in seiner Antwort erklärte.

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„Daten, die Bürger freiwillig für den Virusschutz geben, werden missbraucht“, sagt FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein

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„Wenn sie schon in fünf Fällen für polizeiliche Zwecke ausgenutzt wurden und mangels Übersicht eine hohe Dunkelziffer in der Umwidmung abseits der Corona-Ansteckungsverfolgung zu erwarten ist, dann belegt das alle Befürchtungen: Daten, die Bürger freiwillig für den Virusschutz geben, werden missbraucht“, sagt Treuenfels-Frowein und betonte: „Sogar um nur Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen.“

Dieser Fall, den die Bußgeldstelle der Innenbehörde mitgeteilt hatte, geht auch aus der Senatsantwort hervor. Dem schließt sich der Deutsche Hotel und Gaststättenverband (DEHOGA) an: „Das ist hochgradig sensibel“, sagt Ingrid Hartges, Dehoga-Hauptgeschäftsführerin, der „Rheinischen Post“ und forderte zuletzt Klarheit über den Umgang mit den Daten von der Polizei.

Zugriffe auf Corona-Gästeliste seien legal

Auch in den Bundesländern Bremen, Bayern und Rheinland-Pfalz hat die Polizei auf die Daten aus den Corona-Gästelisten zugegriffen. Das Vorgehen sei laut Behörden im Rahmen von Strafverfahren unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit rechtlich durchaus erlaubt.

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Neben dem Einhalten des Mindestabstands müssen Restaurants während der Corona-Pandemie auch die Daten ihrer Gäste aufnehmen.

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Grundlage dafür ist die bundesweit geltende Strafprozessordnung. Demnach kann ein Richter anordnen, Gegenstände zu beschlagnahmen – dazu zählten auch Corona-Gästelisten, wenn sie für Ermittlungen von Bedeutung sind. Ist Gefahr im Verzug, kann auch ein Staatsanwalt dies anordnen. Für die Aufklärung von Straftaten sei eine „Zweckänderung“ möglich, heißt es bei der bayerischen Polizei.

Polizeigewerkschaften verteidigen Zugriff auf Corona-Gästelisten

„Es gehört zu den Kernaufgaben der Polizei, Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verfolgen“, sagt Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. „Dazu kann auch – je nach landesrechtlicher Konkretisierung der Regelungen – die Möglichkeit gehören, Dokumente einzusehen, wie etwa solche Corona-Gästelisten.“

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Um Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verfolgen, sei der Zugriff auf die Daten der Corona-Gästelisten je nach landesrechtlicher Konkretisierung legal, sagt Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. 

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Auch Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, verteidigt die Praxis: „Wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt und andere Ermittlungsansätze nicht erkennbar sind, muss es die Möglichkeit geben, in solche Gästelisten einzusehen und die Daten auszuwerten, das sehen die jeweiligen Gesetze auch vor.“ Er betont aber, die Verhältnismäßigkeit der Zugriffe auf Corona-Gästelisten zu prüfen.

Datenschutz müsse auch während Corona-Pandemie gewahrt werden

 „Was unsere Bürgerinnen und Bürger zurecht erwarten, ist, dass ihre Daten nicht einfach zweckentfremdet werden. Alles andere schadet dem Vertrauen und der Akzeptanz, die aber Grundvoraussetzungen sind“, sagt Stephan Thomae, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender. Die Polizeibehörden sollten daher behutsam und zurückhaltend agieren.

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Zwar gebe es mit der Pandemie eine Sondersituation, doch: „Mit den Corona-Gästelisten werden weitflächig Daten gesammelt, was wir unter normalen Umständen nie billigen würden“, sagt Eren Basar, Mitglied des Deutschen Anwaltvereins im Ausschuss für Gefahrenabwehrrecht. Er schlägt ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot für die Gästelisten vor. Nur so werde gewährleistet, dass es nicht zu falschen Angaben kommt und die Listen ihren eigentlichen Zweck erfüllen. (dpa/mel)

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