Das Kraftwerk in Wedel ist schon lange in Kritik.
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Zu viel Kohle bei Hamburg Wärme: Jetzt soll der Senat einschreiten

Mehr als zwei Millionen Tonnen CO₂-Ausstoß im Jahr – die beiden Kraftwerke Wedel und Tiefstack von Hamburg Wärme gehören zu den größten Dreckschleudern. Der Kohleausstieg ist beschlossen, bis dahin soll der Kohleverbrauch reduziert werden. Doch Umweltorganisationen finden: Da passiert noch lange nicht genug. Jetzt wollen sie den Hamburger Senat per Rechtsgutachten zum Handeln bringen.

Ab 2030 soll Hamburg Wärme in den beiden Kraftwerken keine Kohle mehr verbrennen – darauf einigte sich die Bürgerschaft mit der damaligen Volksinitiative „Tschüss Kohle“ im Jahr 2019. Die Einigung wurde ins Hamburger Klimaschutzgesetz aufgenommen. Bis dahin sollte die Stadt aber auch den Einsatz von unmittelbar aus Stein- oder Braunkohle produzierter Wärme „möglichst weitgehend vermeiden“.

Wärme in Hamburg: Keine Planung, Ziele verfehlt

Doch laut dem BUND Hamburg, der Kampagne „Tschüss Kohle“ und dem „Energienetz Hamburg“ passiert hier noch lange nicht genug: Für das Kraftwerk Tiefstack gebe es gar keinen Plan zur Kohle-Reduktion, erklärten die Vertreter am Montag. Beim Kraftwerk in Wedel gebe es zwar eine Ankündigung – im Oktober 2020 hatte die Stadt erklärt, ab diesem Jahr 100.000 Tonnen und damit 20 Prozent weniger Kohle einzusetzen. Öffentlich zugängliche Zahlen zur Stromproduktion in den Kraftwerken vom Frauenhofer-Institut deuten aber darauf hin, dass es in diesem Jahr keinen nennenswerten Trend zur Kohlereduktion gebe, so die Organisationen. Auch laut Stephan Jersch, energiepolitischer Sprecher der Linken, hat sich die Zusage des Senats als „leeres Versprechen“ erwiesen. „20 Prozent Kohleeinsparung im laufenden Jahr – mitten in der Heizperiode in Hamburg – sind völlig unrealistisch“, sagte er.


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Die drei Organisationen haben ein Rechtsgutachten anfertigen lassen – und die Juristen kommen zu dem Schluss: Die Stadt ist verpflichtet, die Kohleverbrennung ab sofort bis auf das wirtschaftlich vertretbare Maß zu senken. Entscheidend für das Maß des wirtschaftlich Vertretbaren seien dabei nicht rein betriebswirtschaftliche Gründe, sondern das Erreichen des 1,5 Grad-Klimaziels von Paris.

Kraftwerk Wedel erreicht Kohleziel nicht

„Wärme Hamburg wird das selbstgesteckte Ziel einer Kohlereduktion am Standort Wedel um 100.000 Tonnen gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2017-2019 im aktuellen Jahr leider verfehlen“, bestätigte Kristina Hillmer, Sprecherin von Wärme Hamburg der MOPO. Die Gründe hierfür seien ein langer kalter Winter und eine dramatische Preisentwicklung der Brennstoffe. Außerdem waren die Anlagen in Tiefstack wegen eines Brandes zeitweise nicht verfügbar – und diese Versorgungslücke musste Wedel ausgleichen. Das Zusammenspiel aller Faktoren sei eine „Ausnahmesituation“, betonte der städtische Fernwärmeversorger.

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Man habe auf ein besseres Jahresergebnis verzichtet, um durch Verlagerungen von Wärme- und Stromlieferungen vom Heizkraftwerk Wedel auf die Gas- und Dampfturbinenanlage Tiefstack Einsparungen zu realisieren, so Wärme Hamburg. „Das Budget für aktive Reduzierung des Kohleeinsatzes und damit der Ergebnisverzicht wurde für 2021 von 1,5 auf 2,5 Mio. Euro erhöht. Die zusätzlich erwarteten marktgetriebenen Einsparungen sind jedoch nicht erfolgt“, sagte die Sprecherin weiter. Man werde nach Jahresende zur Zielerreichung informieren.

Björn Marzahn, Sprecher der Umweltbehörde, sagte der MOPO, der Versorger und die Stadt häten sich gemeinsam darauf verständigt „die extrem gestiegenen Gaspreise nicht auf die Kundeninnen und Kunden abzuladen, sondern eine saisonale Reduzierung der prognostizierten CO₂-Ziele in Kauf zu nehmen.“ Nähere Angaben zu konkreten Plänen für die Reduzierung der Kohle in Tiefstack gab es keine.

Weniger Kohle in Hamburg: CDU warnt vor Preisanstieg

„Der Senat muss jetzt schnell handeln, um das Hamburger Klimaschutzgesetz zu erfüllen“, sagt Wiebke Hansen von der Kampagne „Tschüss Kohle“. Er müsse dringend das Potential zur sofortigen Kohlereduktion in Tiefstack ermitteln und der Wärme Hamburg verbindliche Vorgaben machen – die zudem transparent diskutiert werden müssen.

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Und wie sollen wirtschaftliche Einbußen aufgefangen werden? Zunächst müsse ermittelt werden, wie viel Spielraum es bei Hamburg Wärme überhaupt gebe, sagt Hansen. Zur Not müssten Steuergelder in diese Klimaschutz-Maßnahme investiert werden.

Stephan Gamm von der CDU warnt hingegen vor einer „dramatischen Preisentwicklung für Energie“. Es bliebe unklar, was die Gutachter für „wirtschaftlich vertretbar“ halten. Das Kraftwerk in Wedel hätte schon längst vom Netz genommen werden sollen. Allerdings könne Klimaschutz nur dann erfolgreich sein, wenn er sozialverträglich gestaltet werde, sagte er. „Gerade die Umweltverbände ignorieren regelmäßig, dass es beim Klimaschutz nicht nur um Verringerung von Treibhausgasen, sondern auch um Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit geht.“ (ncd/dpa)

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