E-Scooter auf dem Bürgersteig
  • Seit zwei Jahren bevölkern E-Scooter Hamburgs Straßen. Nun ist es Zeit, Bilanz zu ziehen.

Der große Frust mit den E-Scootern in Hamburg

Sie werden geliebt und gehasst – sind definitiv umstritten. E-Scooter, die seit zwei Jahren Hamburgs Straßen bevölkern, sollen einen wichtigen und nachhaltigen Beitrag zur Mobilitätswende leisten. Kritiker:innen argumentieren jedoch, dass die Roller Geh- und Fahrradwege blockieren und dazu noch gefährlich seien. Fakt ist: Die Scooter sind gekommen, um zu bleiben. Zeit, Bilanz zu ziehen.

Während des ersten Corona-Lockdowns im vergangenen Jahr war es ruhig um die E-Scooter in Hamburg geworden. Alle Anbieter – bis auf Tier – hatten ihre Flotte von den Straßen genommen. Und auch nach dem Lockdown kamen die Gefährte nur langsam wieder ins Rollen. Doch spätestens im Juli 2020 erfreuten sich die Scooter wieder ihrer alten Beliebtheit.

Der Anbieter Voi konnte beispielsweise wieder zwei bis drei Fahrten je Roller pro Tag verzeichnen, was in etwa dem Niveau der Vor-Corona-Zeit entspricht. „Hamburg ist aktuell die attraktivste E-Scooter-Stadt in Deutschland“, sagte Voi-Deutschland-Chef Claus Unterkircher vergangenes Jahr in der „Wirtschaftswoche“.

Zwei Jahre E-Scooter in Hamburg: Wie ist die Bilanz?

Die E-Scooter haben ihre alte Stärke also wieder erreicht – und es sind mittlerweile deutlich mehr gemietete Elektro-Roller auf Hamburgs Straßen unterwegs als vor zwei Jahren zum Mietstart. So gebe es derzeit rund 7000 E-Scooter von sechs Anbietern, sagte ein Sprecher der Verkehrsbehörde am Donnerstag in Hamburg. Vor zwei Jahren seien es knapp 4000 gewesen.

Die sechs Anbieter Bird, Dialog-Scooter, Lime, Bolt, Tier und Voi, die in Hamburg mit jeweils 1.000 Rollern vertreten sind, arbeiten daran, ihre Stellung in der Stadt auszubauen. So kooperiert der Anbieter Tier seit Kurzem mit der Hamburger Hochbahn. An jeweils zwei U-Bahnhöfen in Langenhorn und Lokstedt stehen seit Anfang Juni insgesamt 200 E-Scooter.

„Besonders außerhalb der Innenstadt, wo die Wege zu Bahnstationen häufig etwas länger sind, ist die Mikromobilität ein ideales Instrument, um die Anbindung an die Bahn zu verbessern und Anreize zu schaffen, das eigene Auto stehen zu lassen“, sagte der Grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks zum Pilotprojekt.

Senator Anjes Tjarks (Grüne), Ioana Freise („Tier“) und Dominik Radzuweit (Innovations-Manager Hochbahn, v. r.) stellen in Langenhorn die neue Kooperation vor. Florian Quandt
Anjes Tjarks, Iona Freise und Dominik Radzuweit.
Senator Anjes Tjarks (Grüne), Ioana Freise („Tier“) und Dominik Radzuweit (Innovations-Manager Hochbahn, v. r.) stellen in Langenhorn die neue Kooperation vor.

E-Scooter nun also auch am Hamburger Stadtrand. Was für die einen nach einem Fortschritt in Mobilitätsfragen klingt, lässt die anderen an noch mehr kreuz und quer herumliegende Stolperfallen denken. Denn das gehört eben auch zur Wahrheit: Unachtsame Nutzer:innen lassen die elektrischen Flitzer einfach auf Geh- und Fahrradwegen liegen oder werfen sie kurzerhand ins nächste Gebüsch – Nachhaltigkeit sieht anders aus. Vielen – wie der SPD in Eimsbüttel – sind die E-Roller daher ein Dorn im Auge.

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„Viele Menschen beschweren sich zu Recht über wild abgestellte oder weggeworfene Roller und unsachgemäße Benutzung“, sagt Koorosh Armi, verkehrspolitischer Sprecher der Partei. „Gerade dort, wo der Platz begrenzt ist, braucht es klare Regeln. Hier geht es schließlich auch um die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer“, fügt er hinzu. Im Schanzenviertel gibt es seit März daher feste Abstellflächen für die E-Scooter. Ob sich die Nutzer:innen an die neuen Regeln halten, ist eine andere Frage.

Wenn Mikromobilität im nächsten Gebüsch endet

Doch selbst wenn dieses Problem in den Griff zu bekommen wäre, bleibt da immer noch die hohe Verletzungsgefahr. Die Hamburger Polizei registrierte im vergangenen Jahr 220 Unfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen, in denen 120 Nutzer:innen verletzt wurden. In 32 Fällen passierten die Unfälle unter Alkoholeinfluss.

Auch das Universitätsklinikum in Eppendorf (UKE) hat bereits typische Unfallgeschehen und Verletzungsmuster von E-Scooter-Unfällen analysiert. Von Juni 2019 bis Juni 2020 wurden die Daten sämtlicher Patient:innen erfasst und ausgewertet, die sich nach einem Unfall im Zusammenhang mit einem E-Scooter über die Notaufnahme oder die Ambulanzen im UKE vorgestellt haben und mit Unfällen von Fahrradfahrenden verglichen.

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Die Unfallchirurgen Dr. Holger Kleinertz und Dr. Darius Thiesen fanden heraus, dass sich die Unfälle mit E-Scootern vornehmlich abends, nachts und am Wochenende ereigneten und fast jeder Dritte alkoholisiert war. Fahrradunfälle ereigneten sich eher unter der Woche, seltener nachts und häufiger handelte es sich dabei um Unfälle auf dem Weg zur Arbeit oder zurück. Eine Verletzung am Kopf oder Gesicht gaben 46 Prozent der Fahrradfahrer:innen und 54 Prozent der Scooternutzer:innen an. Letztere litten zum Teil unter schweren Kopf- (14 Prozent) oder Gesichtsverletzung (16 Prozent). Keiner der behandelten Patient:innen trug zum Zeitpunkt des Unfalls einen Helm.

Gefahrenherd E-Scooter? Im Rausch zur Kopfverletzung

Was bleibt nun also nach zwei Jahren E-Scootern in Hamburg? Klar ist: Die Fahrzeuge könnten zur Mobilitätswende einen entscheidenden Beitrag leisten, tun dies bis heute aber noch nicht. Studien zufolge werden die Scooter vermehrt von Tourist:innen genutzt und weniger zum Wohle der Verkehrswende für die „erste und letzte Meile“, wie Tjarks es gern sagt. Zudem sind die negativen Aspekte der achtlosen Abstellung und der Gefahren der E-Scooter nicht zu vernachlässigen.

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Auch die Hamburger Verkehrsbehörde kann die durchwachsende Bilanz nicht leugnen: „Angesichts der Erwartungen vor knapp zwei Jahren haben die E-Scooter allerdings als wirklich nachhaltiger Beitrag zur Mobilitätswende noch nicht vollends überzeugt und müssen ihren Platz in einer nachhaltigen Mobilitätskette erst noch finden“, sagt Pressesprecher Dennis Krämer. Es bleibt also noch Einiges zu tun.

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