109 Kilogramm abgenommen!: Diese Frau aus dem Norden hat sich halbiert
In ihre Hose passt Sandra Saget heute zweimal. Vor einigen Jahren spannte diese Jeans bei ihr noch am Bund.
Foto: Quandt
Stockelsdorf –
„Fette Sau“: Schon seit ihrer Kindheit gehörte für Sandra Saget so eine Beleidigung zum Alltag. Mit 18 wog sie bereits 100 Kilogramm, schließlich sogar 176 Kilo, und das bei einer Größe von nur 1,62 Metern. Doch nun hat sich die 38-Jährige mehr als „halbiert“ und wiegt nur noch 67 Kilo. Lesen Sie hier, wie das der jungen Frau aus Stockelsdorf bei Lübeck gelang.
Es war dieser eine Vorfall in einem Lübecker Linienbus, der Sandra Saget zu einem radikalen Schritt bewog. Die korpulente Frau ging durch den schmalen Mittelgang und eckte bei den anderen Fahrgästen an. Die reagierten mit ganz fiesen Kommentaren auf den unerwünschten Körperkontakt. Als die Büroangestellte endlich ausstieg und auf der Straße stand, war ihr klar, dass sie so nicht mehr leben wollte. Sie weinte hemmungslos, hatte genug von den Spießrutenläufen, die seit ihrer Kindheit zu ihrem Alltag gehörten.
„Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich ein Problem habe.“
Aufgewachsen ist Sandra Saget in der Mecklenburger Kleinstadt Friedland. Gegessen hat sie schon immer gern: „Eine Tafel Schokolade war in null Komma nix weg.“ Immer wieder fühlte sich das Mädchen von den Ermahnungen seiner Eltern genervt. Die hielten ihm vor: „Guck dich doch einmal an, du musst unbedingt abnehmen.“ Heimlich stopfte der Teenager haufenweise Süßigkeiten in sich hinein. Schließlich bezog Sandra Saget im nahen Neubrandenburg ihre erste eigene Wohnung und begann eine Lehre in der Gastronomie.
„Ich genoss die neue Freiheit und aß umso mehr,“ so Sandra Saget. „Das war so ein Triumphgefühl. Für mich war Essen toll. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich ein Problem habe.“ Zum Mittagessen gab es oft zwei Dosen Ravioli und eine große Pizza. Als Nachtisch folgten drei oder vier Puddinge und ein paar Tassen Cappuccino mit ganz viel Zucker. Am Abend vertilgte die Frau gern mehrere Teller Nudeln mit Sahnesoße. Trotzdem stellte sich oft kein Sättigungsgefühl ein.
Sie lernte ihren ebenfalls übergewichtigen Mann kennen und zog nach Lübeck. Als auch der Hausarzt Sandra Saget dringend aufforderte, etwas zu tun, entschloss sie sich 2010 zu einer Operation ihres Magens. Diverse Diäten waren zuvor wirkungslos geblieben. Nach der Magenverkleinerung („Schlauchmagen“) sank Sandra Sagets Gewicht zunächst bis auf 90 Kilogramm. Doch schon bald wog Sandra Saget wieder 123 Kilogramm. Kinder zeigten auf der Straße mit Fingern auf die junge Frau, sprachen ihre Eltern an: „Guck mal die Frau da. Warum ist die denn so dick??“
Nun entschloss sich Sandra Saget zu einem weiteren Eingriff. 2018 bekam sie in der Schön-Klinik in Hamburg-Eilbek einen „Magenbypass“. Chefärztin Dr. Beate Herbig: „Wir schaffen bei diesem Eingriff eine ‚Umleitung‘. Die Nahrung geht so nicht erst in den Zwölffingerdarm, sondern gleich in den Dünndarm.“ Die positive Folge: Die Patienten haben deutlich weniger Appetit.
Mindestens 1,5 Millionen Deutsche sind schwer adipös
Da Adipositas aber wie Diabetes eine chronische Erkrankung ist, müssen die Betroffenen nach der Operation über Jahre weiter intensiv betreut werden – auch psychologisch. Nur so können diese Menschen normalgewichtig bleiben. Und der Bedarf an Behandlungen steigt. Mindestens 1,5 Millionen Deutsche sind schwer adipös. Vor allem Zucker und stark gezuckerte Softdrinks sind ein massives Problem. 80 Prozent aller industriell verarbeiteten Produkte ist Zucker als Geschmacksträger beigefügt. In der Eilbeker Adipositas-Klinik werden jede Woche 20 Operationen durchgeführt. Die Tendenz ist steigend.
Sandra Saget hat ihr Gewicht seit dem Eingriff in Hamburg gehalten, doch damit ihre Krankenkasse auch die dringend nötigen Hautstraffungen bezahlte, musste sie erst einen Rechtsanwalt einschalten. Ein echter Triumph war es schließlich, ihre Klamotten der Größe XXXXL wegzuschmeißen. Nur eine Jeans bewahrte sie auf. Sandra Saget: „Manchmal vergesse ich heute sogar eine Mahlzeit. Das hätte es bei mir vorher niemals gegeben.“
Statt ein ganzes Toastbrot mit Marmelade zum Frühstück zu essen, begnügt sich die 38-jährige Angestellte inzwischen mit einem Brötchen und ist erstmals in ihrem Leben nicht nur viel leichter, sondern auch glücklich.