Große Krankenkasse kritisiert: Viele Frauen nehmen „riskante“ Pille
Schon seit 60 Jahren gibt es sie, die Anti-Baby-Pille. Laut Angaben der AOK wird mehr als jeder zweiten jungen Frau unter 22 Jahren in Schleswig-Holstein eine risikoreiche Pille verordnet. Nun warnt die Krankenkasse vor Thrombosen und Embolien.
Grund für die Kritik sind die bedenklichen Wirkstoffe „Dienogest“ und „Chlormadinon“, welche das Risiko für venöse Thromboembolien erhöhen. Venöse Thromboembolien lösen Blutgerinsel aus und können zu einem Nährstoffmangel, dem Absterben von Gewebe oder im schlimmsten Falle zum Schlaganfall oder einer Lungenembolie führen.
Bedenkliche Wirkstoffe und eine beunruhigende Marktlage
Besonders beunruhigend sei zudem die gegenwärtige Marktlage. Die AOK veröffentlichte hierzu eine bundesweite Auswertung. Diese zeigt, dass der Verordnungsanteil des Wirkstoffes Dienogest 2020 nahezu unverändert hoch geblieben ist. Der Wert lag 2020 nur bei 36 Prozent und im vorherigen Jahr bei 37 Prozent.
Das gleiche gilt für den kritischen Wirkstoff Chlormadinon der Pille. Hier habe sich der Verordnungsanteil im Vergleich zum vergangenem Jahr um 1 Prozent verringert. So sank der Wert im Jahr 2020 von 11 Prozent auf 10 Prozent. Im Vergleich: Der Anteil an risikoärmeren alternativen Pillen steigt. Dieser habe sich zwischen 2010 und 2020 von knapp 30 auf 48 Prozent erhöht.
Risikoreiche Pille: Weiterhin hoher Verordnungsanteil
Neben der Auswertung bedenklicher Wirkstoffe verweist eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) auf einen vergleichsweise hohen Verordnungsanteil der Anti-Baby-Pille in den letzten zehn Jahren. In Schleswig-Holstein sank zwar die Verschreibung der Anti-Baby-Pille mit einem erhöhten Risiko von 67,9 Prozent im Jahre 2010 auf 51,7 Prozent im Jahr 2020, allerdings befinden sich die Zahlen weiterhin auf zu hohem Niveau.
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Jens Kuschel, Pressesprecher der AOK Nordwest, betont: „Es ist zwar eine positive Tendenz zu beobachten, allerdings ist da noch Luft nach oben. Die Zahlen müssen noch weiter sinken.“
Risikoärmer: Hormonpräparte der zweiten Generation
Im Rahmen der alarmierenden Datenlage der Aok, hatten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im Juni 2021 alle Ärzte dazu im „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ aufgefordert, bei der Beratung und Verschreibung der Pille auf ein möglichst geringes Risiko für venöse Thromboembolien zu achten. Man sollte auf risikoärmere Alternative zugreifen, wie die Hormonpräparate der zweiten Generation.
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Bei der Vorsitzenden des schleswig-holsteinischen Landesverbandes des Berufsverbandes der Frauenärzte, Doris Scharrel, stoßen die Warnungen seitens der Aok auf Kritik. So seien die Zahlen von 2010 und 2020 nur bedingt miteinander vergleichbar. Denn erfasst werden nur die Fälle, in denen die Krankenkasse die Pille bezahlt, erzählte sie den „Lübecker Nachrichten“. Kuschel sagt hierzu, dass dies durchaus berücksichtigt worden ist, allerdings liegt der Verordnungsanteil für risikoreiche Präparate weiterhin bei einem hohen Wert von über 50 Prozent.
AOK: Ärzte müssen sich mit den Risiken auseinandersetzen
Im Gespräch mit Herrn Kuschel unterstreicht der Pressesprecher der Aok Nordwest eine Auseinandersetzung der Ärzte und Ärztinnen mit den Risiken und Nebenwirkungen der Anti-Baby-Pille. Ein ärztliches Beratungsgespräch. sollte Patientinnen über mögliche Nebenwirkungen aufklären. Dies gilt insbesondere für Risikopatientinnen mit Übergewicht, Bluthochdruck oder erblichen Vorerkrankungen oder solche, welche zum ersten Mal die Pille verschrieben bekommen. Eine klare Empfehlung für ein bestimmtes Präparat spricht Kuschel nicht aus. Allerdings sollen Ärzt:innen über die risikoärmere Anwendung von Hormonpräparaten der zweiten Generation informieren.