Schulsenatorin rechnet mit Lockdown-Politik ab
Bremens Schulsenatorin hat das Handtuch geschmissen: Länger als andere Bundesländer hielt Bremen in der Pandemie die Schulen auf, wofür wurde Claudia Bogedan (SPD) scharf kritisiert wurde. In einem Interview sprach sie nun über ihren bereits im April verkündeten Rücktritt und rechnet mit den Grünen ab.
Als Bildungssenatorin hat sich Bogedan dafür eingesetzt, dass die Bremer Schulen so lange wie möglich offen bleiben konnten – was sie nicht bereut. Kraft gekostet hätten aber jene Entscheidungen, hinter denen die SPD-Politikerin nicht stand: „Ich musste häufig eine Politik machen, die mir nicht entspricht und hinter der ich nicht stehe. Das kann und will ich auf Dauer nicht“, sagt sie im Spiegel-Interview.
Bremer Schulsenatorin rechnet mit Lockdown-Politik ab
Als Beispiel nannte Bodegan die Schließung der Schulen. „Bei den Geflüchteten haben wir dafür gekämpft, dass alle Kinder von Tag eins an in die Schule gehen können – und damit gleich in Kontakt zu anderen Kindern kommen, die Sprache lernen und sich zu Hause fühlen.“ In der Pandemie hätte sie den Schülern genau das versagen müssen – das habe ihr sehr zugesetzt. „Wenn man Kindern Zugang verwehren muss, von denen wir wissen, dass sie ihn brauchen, das fühlt sich nicht gut an. Das hat mich in den letzten Monaten extrem belastet“, so die ehemalige Bildungssenatorin.
In Bremen sei die Umsetzung des digitalen Unterrichts schwieriger als in anderen Bundesländern. „In Bremen ist jedes zehnte Schulkind selbst aus einem anderen Land nach Deutschland eingewandert, darunter viele Geflüchtete“, erklärt Bodegan. Dass jedes dritte Kind in Bremen in Armut aufwachse, bedeute zudem oft, keinen Zugang zu Internet und Büchern zu haben: „Wie soll ein Kind da an einer Videokonferenz teilnehmen? Da nützt auch der beste digitale Unterricht nichts.“
Bremen: So geht Bodegan mit Anfeindungen um
Mit dem öffentlichen Widerstand für politische Entscheidungen habe sie gut umgehen können. „Ich konnte den Gegenwind lange ziemlich gut aushalten – auch als es unter die Gürtellinie ging.“ Vieles, gerade in den sozialen Medien, habe sie aber auch nicht gelesen – ihr fehlte die Zeit.
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Obwohl sie ihr Kapitel als Schulsenatorin nun abgeschlossen hat, habe sie „noch viel Wut im Bauch.“ Wut darauf, wie einzelne Politiker die Pandemie im Nachhinein bewertet hätten. „Wer monatelang eine Zero-Covid-Strategie fährt und immer noch härtere Maßnahmen fordert, kann doch jetzt nicht den moralischen Zeigefinger heben und uns erklären, wie sehr Kinder und Jugendliche unter den Schulschließungen gelitten haben. Da werde ich so sauer, das kann ich körperlich kaum aushalten.“
Bremens Schulsenatorin rechnet mit den Grünen ab
Auch wenn sie es nicht ausspricht: Gemeint sein dürfte unter anderem Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. In einem gemeinsamen Positionspapier mit den Familienpolitikerinnen Ekin Deligöz und Maria Klein-Schmeink sprach die Grünen-Politikerin über die Belastungen für Kinder während der Pandemie – und forderte ein Maßnahmenpaket zur körperlichen und seelischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Familien.
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Bodegan sagt: „Ich werde hier keine Namen nennen. Aber wenn ich sehe, dass hochrangige Politikerinnen und Politiker, die 15 Monate lang exakt das Gegenteil erzählt haben, nun eine verlorene Generation von Schulkindern ausrufen, da kann ich mich schwer beherrschen.“ (mhö)