„Cold Cases“: Hunderte Fälle mit quälender Ungewissheit
Neue technische Möglichkeiten treiben Ermittler immer wieder an, Archive nach ungelösten Mordfällen zu durchforsten. Allein in Niedersachsen warten noch Hunderte Kriminalfälle auf eine Aufklärung.
Die Göhrde-Morde in Niedersachsen gelten als eines der berühmtesten Beispiele für „Cold-Cases“: Es ist der Fall um den gewaltsamen Tod von zwei Paaren in der Gemeinde Göhrde im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg im Sommer 1989. Nach jüngsten Daten aus dem Innenministerium gab es zuletzt 379 (Stichtag 10.5.2024) solcher Fälle im Land, die noch auf Aufklärung warten.
333 Tötungsdelikte und 45 Vermisstenfälle ungeklärt
Die aktuelle Entwicklung von Kriminaltechnik bringt Ermittlern und Angehörigen immer wieder Hoffnung, auch solche sehr alten und komplizierten Mordfälle doch noch aufzuklären. Vor allem DNA-Analysen und jüngst auch Künstliche Intelligenz dürften in Zukunft die Bearbeitung unterstützen, wie das Ministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Cold Cases sind oft ungeklärte Tötungsdelikte oder Vermisstenfälle mit Verbrechenshintergrund. Nach den jüngsten Daten zu den 379 Fällen handelt es sich um 333 ungeklärte Tötungsdelikte und 45 Vermisstenfälle. In einem Fall sei die Sachlage bisher nicht eindeutig zuzuordnen, sagte Ministeriumssprecher.
Künstliche Intelligenz soll bei der Aufklärung helfen
Nach den Göhrde-Morden beging der Hauptverdächtige, ein Friedhofsgärtner, im Jahr 1993 in Untersuchungshaft Suizid. Das Sachgebiet „Cold Case“ der Lüneburger Polizei ermittelt aber seit 2017 wieder in dem Fall und prüft Hinweise auf einen mutmaßlichen Mittäter. Denn immer wieder gab es in Norddeutschland weitere Verbrechen, bei denen die Ermittler einen Zusammenhang prüfen.
Mit Blick auf die ungelösten Fälle erhoffen sich Ermittler neue Ansätze beispielsweise durch die Rekonstruktion von Gesichtsweichteilen und Verarbeitung von Massendaten durch KI, wie der Ministeriumssprecher erläuterte. Auch Lösungen für Spracherkennung, automatische Transkription von Audiodateien oder die Analyse mobiler Kommunikation erweitern ihm zufolge das polizeiliche Portfolio.
Pensionierte Experten werden reaktiviert
Immer wieder gebe es Kooperationen mit externen Partnern wie dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, dem Technischen Hilfswerk oder dem European Center for Missing Children. Ganz aktuell gibt es auch Beispiele dafür, wie in Kooperationen versucht wird, Cold Cases zu lösen.
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Eine Sonderkommission der Polizei Göttingen will nach Ministeriumsangaben mit der Hochschule Mittweida (Sachsen) im Fall einer Kindstötung von Anfang der 2000er Jahre vorhandene Sachbeweise erneut auf DNA und Vegetation untersuchen lassen. Bei der Polizei Osnabrück seien im Oktober vier erfahrene pensionierte Ermittler – sogenannte Senior Experts – auf tariflicher Basis eingestellt worden, die sich mit „Cold Cases“ befassen sollen. (dpa/mp)
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